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Der kleine Seeräuber - Band 2: Pepolino auf großer Fahrt

©2016 86 Seiten

Zusammenfassung

Der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän waren glücklich. So leicht und angenehm hatten sie noch nie gute Beute gemacht. Es ist schon eine feine Sache, einen richtigen Feind zu haben, auf den man sich in allen Lebenslagen verlassen kann.

Auch wenn der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän Feinde sind, verbünden sie sich manchmal miteinander. Diesmal überfallen sie zusammen ein Schiff und erbeuten eine Kiste mit kostbaren Kräutern. Doch sie können sich nicht einigen, wem der Inhalt zusteht – und so entbrennt ein Streit und die Kiste fällt ins Wasser. Enttäuscht gehen Seeräuber und Kapitän auseinander und erleben ihre eigenen Abenteuer: Pepolino begegnet einer wunderschönen Seejungfrau, und der Kapitän wird von einem Klabautermann gepiesackt. Aber so langsam beginnen der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän einander zu vermissen – es geht doch nichts über einen treuen Feind!

Der Kinderbuch-Klassiker – endlich als eBook!

Jetzt als eBook: „Pepolino auf großer Fahrt“ von Irene Rodrian. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Auch wenn der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän Feinde sind, verbünden sie sich manchmal miteinander. Diesmal überfallen sie zusammen ein Schiff und erbeuten eine Kiste mit kostbaren Kräutern. Doch sie können sich nicht einigen, wem der Inhalt zusteht – und so entbrennt ein Streit und die Kiste fällt ins Wasser. Enttäuscht gehen Seeräuber und Kapitän auseinander und erleben ihre eigenen Abenteuer: Pepolino begegnet einer wunderschönen Seejungfrau, und der Kapitän wird von einem Klabautermann gepiesackt. Aber so langsam beginnen der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän einander zu vermissen – es geht doch nichts über einen treuen Feind!

Der Kinderbuch-Klassiker – endlich als eBook!

Über die Autorin:

Irene Rodrian, 1937 in Berlin geboren, wurde u.a. mit dem Ehrenglauser des Friedrich-Glauser-Preises und dem Edgar-Wallace-Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Ihr Jugendbuch Die Welt in meiner Hand kam auf die Bestenliste für den deutschen Jugendbuchpreis. Seither hat sie sich mit zahlreichen Bestsellern in einer Gesamtauflage von über zwei Millionen und als Drehbuchautorin (Tatort, Ein Fall für Zwei) einen Namen gemacht. Irene Rodrian lebt heute in München.

Ebenfalls bei jumpbooks erschienen Irene Rodrians Kinderbücher Pepolino sticht in See und Pepolino und der dicke Kapitän und ihre Kriminalromane Meines Bruders Mörderin, Im Bann des Tigers, Eisiges Schweigen und Ein letztes Lächeln.

Die Autorin im Internet: www.irenerodrian.com und www.facebook.com/irene.rodrian

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eBook-Neuausgabe April 2016

Dieses Buch erschien bereits 1994 unter dem Titel Alle Abenteuer mit dem kleinsten Seeräuber auf allen Meeren und seinem größten Feind, dem dicken Kapitän bei Lentz Verlag in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe 1994 Lentz Verlag in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe 1994 Buchagentur Ambach, 1994 »Pepolino« von Irene Rodrian

Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © Brian Bagnall

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-088-6

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Irene Rodrian

Pepolino auf großer Fahrt

Der kleine Seeräuber – Band 2

jumpbooks

Eine dicke Feindschaft

Es war ein blitzblank blauer Frühlingsmorgen vor fünfhundert Jahren. Am Horizont stieg gerade die Sonne wie eine saftige Zitronenscheibe aus dem Meer und ließ das Wasser funkeln, als würden Milliarden Diamantensplitter darauf schwimmen.

Aber da schwamm etwas ganz anderes.

Ein Seeräuberschiff.

Schlank und flink, mit einem Rumpf so rot wie Blut und einem Segel schwarz wie der Tod. Und auf dem Segel ein grimmiger Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen. Das war das Schiff vom kleinen Seeräuber. Er trug ein rotes Tuch um den Kopf, ein giftgrünes Seidenhemd, Leinenhosen und einen breiten, silberbeschlagenen Gürtel mit einem großen Seeräubermesser daran. Er stand am Steuerruder und segelte so vor sich hin und wußte nicht so recht, was er anfangen sollte. Er hatte lange kein richtiges Abenteuer mehr erlebt, aber das war nicht so schlimm, der kleine Seeräuber machte sich nicht viel aus Abenteuern. Viel schlimmer war, dass er Hunger hatte. Schrecklichen Hunger. Am Abend hatte er sein letztes Tütchen mit Sesamkörnern verputzt. Redlich geteilt mit Don Poco, seinem Papagei.

Der saß jetzt hoch oben auf der Mastspitze und hielt Ausschau nach Beute. Auch er hatte Hunger, der kleine Seeräuber konnte seinen Papageienmagen knurren hören.

Oder war es sein eigener Magen? Krrrrr. Der kleine Seeräuber träumte von Lammbraten in frischer Kräutersoße, süßen Kartoffeln am offenen Feuer gebraten oder auch goldgelben runden Klößen aus geriebenem Maismehl. Als Vorspeise vielleicht junge Muscheln im Knoblauchsud und dazu ein Humpen schäumenden Biers. Und als Nachspeise einen knusprig braunen Honigkuchen mit Rosinen und Mandeln. Dem kleinen Seeräuber lief das Wasser im Mund zusammen.

Da. Plötzlich!

»Feind in Sicht!« krächzte Don Poco. Und noch einmal. »Feind in Sicht!«

Der kleine Seeräuber legte die Hand über die Augen und blinzelte in die immer höher steigende Sonne. Er konnte nichts erkennen. Aber Don Poco hatte die schärfsten Augen auf der Welt, und er sah alles.

Und tatsächlich.

Wer segelte da heran?

Ein gelbes Schiff mit einem schneeweißen Segel. Eine Handelskogge. Eine ganz bestimmte Kogge. Die nämlich vom dicken Kapitän.

Und der war es auch, der hinter dem Steuerruder stand. Groß und schwer, mit einem dunkelblauen Wams bekleidet und goldenen Knöpfen über dem Bauch. Sein Schnauzbart sträubte sich, als er das rot und schwarze Seeräuberschiff sah. Und noch etwas sträubte sich. Das Fell von Babette, seiner Katze.

Feind in Sicht.

Wie unabsichtlich segelten die beiden Schiffe ganz nah aneinander hin. So nah, dass das mandelblütenweiße Segel und das höllenrabenschwarze Segel sich fast berührten. Der kleine Seeräuber aber und auch der dicke Kapitän taten so, als würden sie sich gar nicht kennen.

Feinde grüßen sich nicht.

Inzwischen war die Sonne höher gestiegen, golden wie eine Mandarine, und das Meer glänzte matt wie eine Scheibe Messing. Und auf dem türkisblauen Himmel ballten sich rosarote Schäfchenwolken zu dicken grauvioletten Wolkentürmen zusammen.

Das bedeutete Regen, Sturm und Gefahr.

»Blöde Katze«, krähte Don Poco haßerfüllt und schlug mit den Flügeln. Papageien mögen keine Katzen. Babette drehte den Kopf weg und fauchte vor sich hin. Grrr. Katzen mögen keine Papageien.

Der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän sahen sich an. Funkelten mit den Augen. Das tun Feinde. Sie sehen sich ins Gesicht.

»Hah«, brüllte der Kapitän, der es nicht länger aushielt, und ganz erleichtert antwortete der Seeräuber:

»Gold oder Leben!«

Und der dicke Kapitän schwang sein breites Schwert durch die Luft, und der kleine Seeräuber fuchtelte mit seinem Seeräubermesser herum. Das sah schon ein bißchen komisch aus, und Don Poco musste kichern, hihihi, und Babette schnurrte vor Vergnügen schnurrschnurrschnurr. Da mussten auch der Seeräuber und der Kapitän lachen. Das war in jedem Fall einfacher, als sich weiter anzuschreien und zu brüllen.

Sie lachten so lange, bis sie Tränen in den Augen hatten.

»Was hast du überhaupt für Beute an Bord?« fragte der kleine Seeräuber, »sicher lohnt es sich gar nicht, dich zu überfallen!«

»Ganz gewiß nicht«, lachte der dicke Kapitän, »du könntest höchstens meine Goldknöpfe erobern, sonst hab ich nichts. Nur Hunger. Und Durst.«

»Dann geht es dir wie mir«, gab der Seeräuber zu, und für einen Augenblick waren sie sich einig.

»Kogge in Sicht!« kreischte plötzlich Don Poco, und Babette sträubte ihr Fell. In der Tat. Da segelte eine Kogge heran. Blau der Rumpf und gülden die Aufbauten. Unschuldsweiß das Segel.

Der Seeräuber und der Kapitän sahen sich an.

Kam da etwa reiche Beute?

»Das darfst du nicht«, meinte der Kapitän und leckte sich die Lippen, »man darf keine Schiffe überfallen.«

»Dieses schon«, erwiderte der Seeräuber, »es ist keine normale Handelskogge, es ist eine verkleidete Kaperkogge. Die tun nur so, als ob sie Pelze von Nowgorod bringen würden und Seidenballen aus China. In Wirklichkeit aber haben sie die Erlaubnis vom König, selber andere Schiffe zu überfallen und auszurauben.«

»Wie Seeräuber?« wunderte sich der Kapitän, aber er wußte es schon. Das da war ein Schiff, das man überfallen durfte. Das war ja beinahe so eine Art Seeräuberschiff.

Das blaue Schiff war jetzt schon ganz nah. Bärtige Gesellen standen am Bug und schauten lüstern herüber zu der dicken fetten gelben Handelskogge. Die sah nach reicher Beute aus. Der Seeräuber sah den Kapitän an, und der Kapitän sah den Seeräuber an. Und im gleichen Augenblick hißten sie die Segel und fuhren auf das blaue Schiff zu. Der dicke Kapitän schwang sein Schwert, und der kleine Seeräuber nahm sein Seeräubermesser zwischen die Zähne. Er war bereit, hinüberzuspringen, das fremde Schiff zu entern und auszuräubern.

»Das ist ein Überfall«, brüllte der Kapitän, »her mit der Ladung! Wir sind in der Überzahl!«

Das blaue Schiff machte Anstalten zu fliehen. Aber wohin. Da war rundherum nur das große weite nasse Meer. Und zwei Schiffe sind stärker als eins. Die bärtigen Gesellen gaben auf.

»Nehmt unsere Ladung«, flehten sie, »aber laßt uns das Leben!« und reichten alles, was sie an Bord hatten, herüber. Das waren ein Fäßchen mit feinstem Jamaicarum und eine Kiste mit den kostbarsten Gewürzen des Orients.

Dann flohen sie von hinnen, was die Segel nur hielten.

Ein häßlicher Streit

Der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän waren glücklich. So leicht und angenehm hatten sie noch nie gute Beute gemacht. Es ist schon eine feine Sache, einen richtigen Feind zu haben, auf den man sich in allen Lebenslagen verlassen kann. Sie lachten und freuten sich und schauten der ausgeräuberten Kaperkogge nach, bis sie am Horizont verschwunden war.

Dann erst sahen sie sich die Beute an.

Sehr viel war es nicht gerade.

Der Seeräuber hatte eine Kiste aus schwerem grünen Ölholz, und der Kapitän ein Fäßchen aus Eichendauben mit kupfernen Reifen drumherum. Da war Rum drin. Das freute ihn. Was ihn aber gar nicht freute, war, dass der Seeräuber die Kiste mit den kostbaren Gewürzen bekommen hatte.

»Laß uns mal den Rum probieren«, schlug er deshalb vor, »und dann sehen wir uns deine Kiste an.«

»Da sind nur Kräuter und Gewürze drin«, meinte der Seeräuber, der vor dem Essen keinen Rum trinken wollte. Stattdessen dachte er an alle die köstlichen Gerichte, die er jetzt kochen und braten konnte.

»Ein Gläschen beruhigt die Nerven«, sagte der Kapitän, öffnete das Faß, füllte einen Humpen ab, probierte und reichte ihn dem Seeräuber hinüber. Und schmatzte vor Vergnügen. Der Seeräuber trank zuerst nur einen ganz kleinen Schluck, dann einen etwas größeren und noch einen ganz großen. In der Tat. Wohlige Wärme stieg in ihm auf wie ein knisterndes Kaminfeuer, und sein Magen hörte auf zu knurren.

»Behalt du den Rum«, schlug er vor und reichte den Humpen zurück, »und ich nehme die Gewürze.« Der Kapitän trank und füllte neuen Rum nach. Das wollte er ja gerade nicht. Er wollte den Rum behalten und die Gewürze obendrein. Denn sie waren kostbar und ließen sich im Norden oben für Gold und Silber teuer verkaufen. So ließ er den Seeräuber noch einmal trinken und trank selbst, damit es nicht auffiel, und der Seeräuber trank, um nicht unhöflich zu erscheinen.

So tranken sie und tranken und vergaßen ihren Hunger und wurden immer lustiger. Sie kicherten und erzählten sich immer wieder, wie sie die bärtigen Gesellen in die Flucht geschlagen hatten, und je länger sie sich die Geschichte erzählten, um so gefährlicher wurde sie. Und am Schluß glaubten sie beide, ein riesiges kanonenbewehrtes Schiff mit einer ganzen Legion von bis an die Zähne bewaffneten Kriegern besiegt zu haben. Sie fühlten sich sehr stark und sehr mutig. Vor allem der Kapitän.

Der kleine Seeräuber hingegen sah seltsame Dinge. Die Wolken am Himmel verwandelten sich in springende Schafe, meckernde Ziegen und buschige Fabelwesen. Die Sonne flimmerte und malte silberne und purpurne Kringel auf das Wasser, und einmal glaubte er sogar das zarte Gesicht einer blonden Märchenprinzessin in den Wellen zu erkennen.

Da wußte er, dass er einen Rausch hatte.

»Danke, ich trinke nichts mehr«, sagte er mit schwerer Zunge.

Aber der Kapitän wollte ihm gar nichts mehr anbieten.

Das Fäßchen war leer.

Und so sehr der Kapitän es auch rüttelte und schüttelte, kein einziger Tropfen kam mehr heraus. Da wurde er sehr ärgerlich.

»Du hast meinen ganzen Rum ausgetrunken!« schimpfte er.

»Du hast ihn mir selber angeboten«, wehrte sich der Seeräuber, »du hast ihn mir ja richtig aufgedrängt. Und außerdem hast du siebenmal soviel getrunken wie ich.« Am liebsten hätte er sich hingelegt und ein Mittagsschläfchen gehalten. Aber das ließ der Kapitän nicht zu. Er brüllte immer lauter.

»Du hast meinen Rum gesoffen, und jetzt will ich deine Kräuterkiste haben. Gib sie her!«

Der kleine Seeräuber wollte nichts weiter als seine Ruhe, so hob er die Kiste auf und stellte sie auf die Reling, sodass der Kapitän sie sehen konnte. Dem gingen fast die Augen über, als er sah, was alles in der Kiste war.

Safran, Pfeffer, Basilikum, Lorbeer, Nelken und Muskat, Ingwer, Zimt und Kardamon. Und vieles mehr. Alle die seltenen Köstlichkeiten aus fernen Ländern, so kostbar wie reinste Diamanten. Gierig streckte er beide Hände nach der Kiste aus, um sie auf sein Schiff zu holen.

Aber der kleine Seeräuber ließ die Kiste nicht los.

»Doch nicht alles«, rief er empört, »höchstens die Hälfte!« Denn er dachte an all die wohlschmeckenden Gerichte, die er mit den Gewürzen zubereiten konnte, und schon wieder lief ihm das Wasser im Mund zusammen.

Ingwerplätzchen und Pfefferkuchen, Zimtsterne und goldgelben Safranreis.

Und. Und. Und.

Den dicken Kapitän interessierte das alles nicht. Auch er hatte Hunger, und auch er aß gerne gut und vor allem viel. Aber ein knuspriger Schweinebraten mit Speckkraut und gesottenen Erdäpfeln, dazu ein frisches Bier, mehr brauchte er nicht. Kostbarkeiten waren nicht zum Essen da, sondern zum Verkaufen. Er wurde immer wütender. Und schrie und brüllte und riß an der Kiste.

Der kleine Seeräuber wurde auch immer wütender. Auch er schrie und brüllte und riß an der Kiste. Das lag am Rum. Zuerst hatte er sie beide lustig gemacht und jetzt wütend und böse. Und betrunken.

Beide hatten sie keine rechte Kraft mehr. Und Beide konnten sie nicht mehr so richtig auf ihren Füßen stehen.

Und plötzlich.

O Schreck.

Fiel die Kiste PLATSCH ins Wasser.

Schwamm noch ein paar Sekunden lang, drehte sich mit den Wellen, legte sich dann auf die Seite wie ein krankes Boot und sank unter. Tiefer und tiefer und ließ nur noch ein paar Luftblasen und Kringel zurück.

Zuerst waren Seeräuber und Kapitän so verblüfft, dass sie keinen Ton hervorbringen konnten. Sie starrten ins Wasser, als könnte die Kiste wie durch ein Wunder wieder auftauchen. Das tat sie natürlich nicht.

Da wurden die beiden dicksten Feinde der Welt so richtig böse und schimpften und schrien und fuchtelten mit ihren Waffen.

»Du bist schuld!«

»Nein, du ganz allein!«

»Wenn du nicht so ungeschickt gewesen wärst, hätte ich reich werden können!«

»Und ich satt, das ist viel mehr!«

»Dummkopf!«

»Fettwanst!«

»Kümmerling!«

»Dukatenfresser!«

»Hasenfuß!«

»Katzenbalg!«

»Vogelschiß!«

Babette fauchte und sträubte ihren Pelz, und Don Poco schlug mit den Flügeln und kreischte vor Empörung über diese Beleidigungen, aber Seeräuber und Kapitän steigerten sich nur immer mehr.

»Säbelrassler!«

»Maulheld!«

»Soldknecht!«

»Ofenkriecher!«

Sie grölten und brüllten immer lauter und immer gemeiner, und ihre Augen wurden rot, und Schaum stand ihnen vor dem Mund.

»Verräter!«

»Selber Verräter!« »Betrüger!« »Bescheißer!«

»Nie wieder will ich was mit dir zu tun haben, nie wieder!«

»Und ich mit dir schon gar nicht! Überhaupt nicht!«

So hißten sie ihre Segel, der Kapitän sein weißes und der Seeräuber sein schwarzes, und wollten davonsegeln. Aber sie waren trunken vom Rum und den vielen Worten und achteten nicht auf die Steuerruder.

RUMPS krachten die beiden Schiffe am Heck aneinander. Und jedes hatte eine häßliche Schramme danach. Das gelbe eine rote und das rote eine gelbe.

Babette fiel vor Schreck von ihrer Taurolle, und Don Poco flatterte vom Mast hoch. Seeräuber und Kapitän hingegen sahen sich nicht einmal mehr an.

Sie segelten davon in verschiedene Richtungen, so schnell der Wind sie trug.

Ein seltsamer Geist

Der dicke Kapitän war eingeschlafen. Gleich nachdem er vom kleinen Seeräuber weggesegelt war, wurde er schrecklich müde und legte sich mit dem Kopf auf eine Taurolle und schlief ein.

Als er wieder aufwachte, stand die Sonne rund und rot wie ein reifer Herbstapfel am Himmel und machte sich bereit, für die Nacht im Meer zu versinken.

Gerade wollte der Kapitän sich strecken und recken und sich noch ein bißchen auf die Seite rollen, da zog plötzlich jemand die Taurolle unter seinem Kopf weg. PLOTZ fiel der Kapitän auf den Rücken. Und setzte sich sofort empört wieder auf.

»Babette!« rief er.

Aber die Katze konnte es nicht gewesen sein. Sie saß am anderen Ende vom Schiff, machte einen großen schwarzen Buckel und sah ihn vorwurfsvoll aus ihren smaragdgrünen Katzenaugen an.

Irgendjemand kicherte schadenfroh.

Der kleine Seeräuber.

Typisch!

Oder Don Poco, sein bösartiger Papagei.

Der dicke Kapitän stand auf und plusterte sich, um loszuschimpfen.

Aber da war niemand zum Beschimpfen.

Das blutrote Schiff mit dem schwarzen Seeräubersegel und dem weißen Totenkopf darauf war weit weg. Ganz friedlich dümpelte es in der Abendsonne vor sich hin, und als der Kapitän sein Fernrohr nahm und hindurchsah, konnte er den kleinen Seeräuber erkennen, der an seinen Mast gelehnt schlief, und oben auf dem Mast Don Poco, der aufpasste, dass kein unerwarteter Feind kam.

Der Kapitän wunderte sich sehr.

Plötzlich konnte er nichts mehr erkennen.

Eine schwarze Hand hatte sich auf die Linse des Fernrohrs gelegt. Wütend schlug der Kapitän danach und schimpfte und brüllte und fuchtelte mit dem Fernrohr durch die Luft. Und schlug gegen die Reling. Das Linsenglas splitterte. Das schöne teure Fernrohr war kaputt.

Wieder kicherte jemand.

Zu sehen war niemand. Nur das Trippeln kleiner Schritte auf dem Schiffsdeck konnte er hören. Und wieder dieses Kichern. Sah er schon Gespenster? Hatte er zuviel getrunken? Hilfesuchend schaute er zu Babette, seiner Katze. Aber die hatte den Kopf weggedreht und lag mit gesträubtem Fell hinter der verrückten Taurolle.

»Ich werde noch verrückt«, brummelte der Kapitän vor sich hin und bekam ganz schrecklichen Hunger.

Ohne Babette und das Kichern weiter zu beachten, stapfte er über sein Schiff und suchte etwas zu essen. Er wühlte alle Kisten durch und grub unter seinen Kleidern nach, er schüttelte die Stiefel aus und kippte die leeren Kochtöpfe um.

Tatsächlich.

Nach einer Stunde verbitterten Suchens fand er eine angebrochene Packung mit Schiffszwieback. Drei Stück waren noch drin. Trocken und bröselig und ein bißchen angeschimmelt. Aber dem dicken Kapitän war es egal, so hungrig war er. Er nahm einen Zwieback und wollte schon hineinbeißen, da hörte er neben sich ein klägliches Mienzen.

Das war Babette.

Auch sie hatte Hunger. Der Kapitän kraulte sie ein bißchen hinter dem Ohr, Babette schnurrte und stupste ihr Näschen in seine Hand und rieb sich an seinem Knie.

Der dicke Kapitän wurde traurig.

Er hatte seinen besten Feind verloren.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960530886
Dateigröße
941 KB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
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Titel: Der kleine Seeräuber - Band 2: Pepolino auf großer Fahrt
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