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Ein Sommer ohne Zimmer

Roman

©2016 98 Seiten

Zusammenfassung

Denn Liebe spricht keine Sprache … Der sommerleichte Jugendroman „Ein Sommer ohne Zimmer“ von Ranka Keser jetzt als eBook bei jumpbooks.

Welcher stolze kroatische Junge schläft mit elf Jahren noch bei seinen Eltern? Pero kann kaum glauben, dass sein Zimmer einfach so an deutsche Sommertouristen vermietet wurde. Nun muss er im Zimmer seiner Eltern schlafen – mit seiner nervigen kleinen Schwester zusammen. Die Ferien, auf die er sich so gefreut hatte, sind verdorben! Erst bei einem geheimen nächtlichen Ausflug ans Meer, bei dem auch die Kinder der Sommertouristen dabei sind, ändert sich die Sache. Denn auch die süße Jessi begleitet Pero und seine Freunde … und plötzlich beginnt der Sommer seines Lebens!

Ein einfühlsamer Roman über die erste Liebe und das große Herz von Kindern.

Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Ein Sommer ohne Zimmer“ von Ranka Keser über Herzklopfen, Sommersonne und interkulturelle Freundschaft. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Welcher stolze kroatische Junge schläft mit elf Jahren noch bei seinen Eltern? Pero kann kaum glauben, dass sein Zimmer einfach so an deutsche Sommertouristen vermietet wurde. Nun muss er im Zimmer seiner Eltern schlafen – mit seiner nervigen kleinen Schwester zusammen. Die Ferien, auf die er sich so gefreut hatte, sind verdorben! Erst bei einem geheimen nächtlichen Ausflug ans Meer, bei dem auch die Kinder der Sommertouristen dabei sind, ändert sich die Sache. Denn auch die süße Jessi begleitet Pero und seine Freunde … und plötzlich beginnt der Sommer seines Lebens!

Ein einfühlsamer Roman über die erste Liebe und das große Herz von Kindern.

Über die Autorin:

Ranka Keser, 1966 in Rijeka (Kroatien) geboren, lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Deutschland. Sie arbeitet als Autorin und Journalistin in München und leitet Schreibseminare für angehende Autoren.

Die Website der Autorin: www.ranka-keser.de

Bei jumpbooks veröffentlicht sie auch:

Rebeccas Freundin

Die Mitwisserin

Antek und die ganze Welt

***

eBook-Neuausgabe Juni 2016

Copyright © der Originalausgabe 2003 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Aleshyn_Andrei

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-134-0

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Ranka Keser

Ein Sommer ohne Zimmer

Roman

jumpbooks

Mamas Idee

Es gibt mal wieder Bohneneintopf. Mama hat sich diesmal nicht die Mühe gemacht, Klößchen oder Kartoffeln hineinzutun. Pero sieht widerwillig auf das braune, dickflüssige Futter in seinem Teller. »Warum gibt’s bei uns zweimal in der Woche Bohneneintopf?«

»Als ob es nur bei uns so wäre«, sagt Mama, »es ist billig und sättigend. Und bei manchen Leuten gibt’s das sogar jeden zweiten Tag.«

»Nun esst schon«, drängt Tata, »dann werdet ihr groß und stark.«

Pero kann diesen Satz nicht leiden.

Vanja wirft dem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu. »Also echt, Tata, aus dem Alter sind Pero und ich schon raus. So was sagt man zu kleinen Kindern.«

»Oh, Entschuldigung«, sagt Tata, aber Pero sieht ihm an, dass er die Kritik seiner Tochter nicht wirklich ernst nimmt. »Ich habe ja ganz vergessen, dass ihr schon zehn und elf seid.«

»Zu Vivi sagst du so was nie«, nörgelt Vanja weiter.

»Na, hör mal.« Klar, dass Vivi sich jetzt zu Wort melden muss. Pero wirft ihr einen verärgerten Seitenblick zu. Mit ihren fünfzehn Jahren ist sie, ihrer Meinung nach, schon halb erwachsen. »In fünf Jahren würdest du dir das auch verbitten.«

»Ich verbitte es mir schon jetzt, aber die hören ja nicht auf mich.« Mit dem Daumen zeigt Vanja, so ganz nebenbei, in Richtung Eltern.

Pero findet, dass sich die Eltern heute etwas merkwürdig verhalten. Mama rutscht auf ihrem Stuhl herum und schaut abwechselnd zu Pero, dann zu Vanja. Tata räuspert sich dann und wann, was er nur macht, wenn er sich unwohl fühlt. Vanja und Vivi scheint nichts aufzufallen. Aber Pero hat ein Gespür dafür, wenn die Eltern geheimniskrämerisch tun.

Mama setzt sich plötzlich ganz gerade hin, sieht die Kinder an und legt den Löffel neben den Teller. Oje, jetzt kommt was. Pero sieht sie gespannt an.

»Also, es gibt da etwas, das wir euch sagen müssen.«

Na bitte! Pero kann nur hoffen, dass es nichts Schlimmes ist. Ist einer von ihnen krank? Wollen sie sich scheiden lassen? Kommt Tante Coco zu Besuch?

»Es ist eben so, dass mein Gehalt gerade mal für Essen, Kleidung und so was reicht«, fängt Tata an, »und es gibt so vieles, was wir bräuchten. Das Auto ist fünfzehn Jahre alt, und wie ihr wisst, haben wir keine Zentralheizung.«

»Ja, das ist uns aufgefallen«, bemerkt Vivi mit feinem Spott.

Mama: »Und da haben wir uns gedacht…«

Tata: »Majda, du hast mich unterbrochen.«

Mama: »Stimmt doch gar nicht. Du hast mich vorhin unterbrochen.«

Tata: »Also, was jetzt? Willst du es sagen oder soll ich?«

Die Kinder blicken zwischen Mama und Tata hin und her. Mama ist ein bisschen beleidigt, aber das dauert bei ihr nie lange. Sie wendet dramatisch ihren Kopf ab und zieht den Mund zusammen.

Tata bleibt nichts anderes übrig, als seinen Vortrag zu halten. Er schiebt den Teller von sich weg und stützt sich mit beiden Armen am Tisch ab. »Für eine Zentralheizung brauchen wir Geld.«

»Tata, wir sind doch nicht bekloppt«, empört sich Vivi.

Pero will aber hören, was Tata zu sagen hat. Warum Vivi bloß immer dazwischenquatschen muss.

»Lass ihn doch endlich reden«, fährt Pero sie an.

»Danke, mein Junge. – Wo war ich stehen geblieben?«, überlegt er kurz, dann fällt es ihm wieder ein. »Ach ja, Geld. Und wie ihr alle wisst, haben wir kein Geld. Ein neues Garagentor bräuchten wir auch unbedingt, aber das ist eine andere Geschichte.«

»Und eine Spülmaschine«, ergänzt Mama kopfnickend.

»Jedenfalls hatte eure Mama eine sehr, sehr gute Idee, wie wir zu Geld kommen.«

Alle Köpfe drehen sich in Mamas Richtung und starren sie an. Pero platzt beinahe vor Neugierde. »Wie denn?«

Mama ist nun nicht mehr beleidigt und lächelt über das ganze Gesicht. »Ihr wisst doch, was Brunas Eltern und Dinkos Eltern über den Sommer machen? Na ja, schließlich leben wir in Kroatien und das Geld ist knapp. Jedenfalls vermieten sie Zimmer an Touristen.«

Pero schluckt. O Gott, lass das nicht wahr sein! Er war immer froh, dass seine Familie das nicht machte.

Vanja versteht nicht ganz. »Das können sie ja auch. Sie haben freie Zimmer. Wir nicht.«

»Ähm, ja«, meint Tata zaghaft und streckt seinen Zeigefinger Richtung Decke. »Wir dachten nämlich … also, wir dachten, dass ihr solange bei Mama und mir im Zimmer schlafen könnt.«

»Waaas?«, rufen alle drei Kinder gleichzeitig.

»Soll das ein Witz sein?«, schreit Vivi aufgebracht.

»Du nicht. Du bist die Älteste. Aber Pero und Vanja.«

Pero sieht Vanja an. Vanja sieht Pero an.

»Es sind doch nur ein paar Wochen.« Mamas tröstende Worte helfen nichts.

Pero würde am liebsten heulen. Vanja tut es. »Wir sollen unser Zimmer an fremde Leute abgeben? Das ist so gemein!«, brüllt sie.

»Seid doch nicht so zickig.« Klar, dass Vivi keinen Grund hat, zickig zu sein, und die Idee plötzlich gar nicht mehr bescheuert findet. Sie darf ihr Zimmer ja auch behalten. Pero würde ihr jetzt am liebsten das Gesicht in den Bohneneintopf drücken.

Vivi wirft schwungvoll ihre langen braunen Haare nach hinten. »Da kommt wenigstens etwas Leben ins Haus. Und wenn es Deutsche sind, kann ich so die Sprache etwas auffrischen. Das, was ich in der Schule lerne, ist langweiliges Gefasel.« Sie zieht eine dümmliche Grimasse und leiert: »‘Guten Tag, Frau Müller. Guten Tag, Frau Schmidt. Wie geht es Ihrem Mann? Meinem Mann geht es gut, vielen Dank. Wie geht es Ihrem Mann …‹ Und so einen Schwachsinn lernen wir.«

»Das interessiert mich einen Dreck!«, faucht Pero. Er spürt, wie die Wut sich in ihm breit macht, wie seine Hände und Lippen zittern. »Ich bin elf Jahre alt. Ich will nicht bei den Eltern schlafen. Igittigitt!«

Mama und Tata werfen sich gekränkte Blicke zu.

»Was bist du nur für eine Schwester? Statt dass du dich auf meine und Vanjas Seite stellst, fällst du uns in den Buckel.«

»In den Rücken«, meint Tata zaghaft.

»Genau!«, empört sich Pero. »In den Rücken fällst du uns auch. Sogar Tata sagt das. Du hast es ja gehört.«

Vivi schüttelt mitleidig den Kopf. »Er wollte dich nur verbessern, du Kackvogel.«

»Also, jetzt lasst uns doch mal ganz in Ruhe darüber reden. Ich bin eure Mutter und ich will, dass ihr mir zuhört. Verstanden?« Das letzte Wort hat sie ein bisschen streng gesagt. Alle nicken brav, sogar Tata, während er seiner Frau einen unsicheren Blick zuwirft. »Manchmal muss man eben zurückstecken. Wir wollen eine Zentralheizung und das können wir nun mal nur verwirklichen, wenn wir uns ein paar Wochen einschränken.«

»Wenn Vanja und ich uns einschränken, willst du sagen.« Pero verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust. In diesem Moment kommt er sich zwar etwas kindisch vor, aber er kann nicht anders.

»Tata und ich möchten aber, dass ihr es freiwillig tut.«

»Freiwillig?«, wiederholt Vanja ungläubig. »Wir sollen das auch noch freiwillig tun?« Pause. »Tun wir aber nicht.« Sie sieht erwartungsvoll in Peros Richtung und Pero in Vivis Richtung. Sie könnte vielleicht noch etwas retten. Vivi jedoch löffelt ungerührt ihren Eintopf und summt vor sich hin.

»Willst du nicht mal versuchen uns zu verstehen?« Pero hat ein klein wenig Freundlichkeit in seine Stimme gelegt.

Vivi blickt auf. »Was gibt’s da zu verstehen? Ihr seid nörgelnde Kleinkinder.«

»Du wärst auch sauer an unserer Stelle.«

Sie legt ihr süßestes Lächeln auf und meint: »Ich bin aber nicht an eurer Stelle.«

»Blöde Kuh!«

»Na, na«, greift Tata ein. Er räuspert sich in seinen Schnurrbart. »Jetzt hört auf zu streiten. Wir machen das jetzt mal und schauen, wie es klappt. Wenn ihr wirklich sehr unzufrieden sein solltet mit der Situation, dann machen wir es in Zukunft nicht mehr.«

Das darf doch wohl nicht wahr sein! Die beiden denken schon daran, so was jedes Jahr zu starten.

Mama steht auf, räumt das Geschirr weg und Tata redet etwas von Familienzusammenhalt und Solidarizeugs.

Später gehen Pero und Vanja nach draußen und setzen sich auf die Treppe.

»Ich hasse sie, die doofe Nuss.«

Pero weiß, dass Vanja über Vivi spricht. »Ich bin auch wütend.«

»Fremde Leute in unseren Zimmern. Bäh!« Vanja umklammert mit den Armen ihre Beine und starrt geradeaus.

Aus dem 'Wohnzimmer tönt die Nachrichtenmelodie. Um halb acht Uhr abends sitzen alle Erwachsenen vor dem Fernseher. Pero fragt sich oft, warum sich die Leute jeden Tag die Nachrichten ansehen. Es ist doch sowieso immer dasselbe. Und jedes Mal nach den Nachrichten rennt Tata in die Küche, holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank und schimpft auf die Regierung, den Staat und besonders schimpft er auf die Firmen, die ihren Angestellten manchmal ein halbes Jahr kein Gehalt zahlen. Brunas Mutter arbeitet in einer Apotheke und hat seit vier Monaten keine müde Kuna gesehen. Zum Glück arbeitet Tata nicht in einem großen Konzern, sondern bei einem Privatmann. Tata repariert Fernseher – und bekommt regelmäßig sein Gehalt. Komisch, denkt Pero, so schlecht es hier auch steht, aber ohne Auto und Fernseher können die Leute anscheinend nicht leben. So was hat einfach jeder, den er kennt.

»Hätte Vivi sich auf unsere Seite gestellt, wäre es vielleicht nicht so weit gekommen«, unterbricht Vanja seine Gedanken. »Du weißt doch, dass Mama und Tata manchmal auf sie hören.«

Die Wahrheit ist, dass Mama und Tata nicht nur auf Vivi hören, sondern auch oft nach Vivis Pfeife tanzen, obwohl sie wissen, dass sie nicht im Recht ist. Alles wegen dem blöden Tumor, den sie als Kind im Auge hatte. Damals gingen sie nämlich durch die Hölle, wie Mama das nennt. Sie dachten, Vivi muss vielleicht sterben. Heute hat Vivi ein Glasauge und jede Menge Vorteile bei Mama und Tata.

»Wir sollten uns rächen«, sagt Vanja. Sie klingt beängstigend entschlossen.

»Und wie?«

»Wir sollten ihr das nehmen, was ihr am wichtigsten ist. Genauso wie die uns unsere Zimmer wegnehmen wollen.«

»Und was wäre das? Ihr Zeugnis? Die haben doch in der Schule alles kopiert. Dann kriegt sie einfach ein neues ausgestellt, die alte Streberin.«

»Ihre Haare«, sagt Vanja geheimnisvoll.

Pero zieht eine Grimasse. »Ihre Haare? Wie sollen wir das denn machen?«

»Nachts, wenn sie pennt, gehen wir zu ihr ins Zimmer und schneiden ihr die Haare ab.« Sie zuckt mit den Schultern und sieht Pero mit ihren himmelblauen Augen unschuldig an. Schnell fährt sie sich durch ihr eigenes Haar, als ob sie sich vergewissern will, dass es noch dran ist.

»Wir könnten ganz schön Ärger kriegen.« Pero ist nicht wohl bei dem Gedanken.

»Sei kein Feigling, Pero. Du bist doch mein mutiger großer Bruder, oder?« Sie lächelt ihn zuckersüß an. »Der Ärger legt sich in ein paar Tagen, aber Vivis Haare wachsen nicht so schnell nach.«

»Hmmm … ich weiß nicht.«

»Komm schon«, drängt Vanja.

»Okay. Ich mach mit.«

Pero und Vanja halten sich gegenseitig wach. Alle schlafen schon fest, aber Vanja ist wild entschlossen, die Aktion durchzuziehen. Pero fallen immer wieder die Augen zu und Vanja fängt mit einer belanglosen Geschichte aus der Schule an.

»Ich glaube, es wird Zeit«, sagt sie plötzlich ganz wichtig. Sie schleicht in den Flur und vergewissert sich, dass niemand mehr wach ist. Sie kommt zurück in Peros Zimmer und hält Mamas Schere in der Hand. Pero schluckt.

»Jetzt komm schon«, drängt Vanja.

Pero steht auf und holt einmal tief Luft.

Auf Zehenspitzen nähern sie sich Vivis Tür. Vanja drückt die Klinke nach unten und verschwindet sofort in der Dunkelheit von Vivis Zimmer. Pero folgt ihr mit einem unguten Gefühl im Bauch. Er sieht Vivi nicht, seine Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Aber er kann Vivi hören. Sie schnarcht.

Vanja fackelt nicht lange. Sie kniet sich neben Vivi und hält schon einen Büschel Haare in der Hand. Mit der anderen Hand öffnet sie die Schere.

»’Warte«, hört Pero sich plötzlich flüstern. »Wir können das nicht tun.«

Vanja blickt zu ihm auf. »Warum denn nicht?«, flüstert sie zurück, »sie hat’s verdient.«

»Nein. So was ist einfach gemein, Vanja. Außerdem ist sie doch unsere Schwester. Du weißt, wie sehr sie ihre Haare liebt.« Pero geht das Bild von Vivis Glatze durch den Kopf. Er kann sich nicht daran erinnern, aber auf den Fotos hatte Vivi als Kind eine Glatze. Das war von der Chemotherapie gekommen. Sämtliche Haare waren ihr ausgefallen und sie hatte jahrelang diese Platte gehabt. Später waren die Haare nachgewachsen und Mama und Tata sind sehr stolz auf Vivis Haare. Vivi ist auch stolz darauf.

»Wir machen es nicht – und basta!«

»Hast du Angst?«, flüstert Vanja.

»Nein, aber ich finde es fies, was wir da tun wollen.«

Er hört Vanja seufzen. »Von mir aus. Dann halt nicht.«

Sie schleichen wieder aus dem Zimmer und Vanja läuft in die Küche. Sie hält eine Packung Schweinefett in der Hand. O Gott, was hat sie denn jetzt wieder vor?

Vanja geht ins Bad, hantiert dort eine Weile herum und kommt grinsend wieder heraus.

»Was hast du da drin gemacht?«

»Ich hab Vivis Bürste ordentlich mit Schweinefett eingerieben.« Sie kichert.

Pero verdreht die Augen. »Wenn’s dich glücklich macht.« Er dreht sich um und will jetzt endlich schlafen gehen. Er hört Vanja immer noch kichern.

Vivis Haare

Pero träumt gerade von einem großen weißen Hai. Als er durch ein lautes Gekreische aufwacht, ist er froh, denn der Hai wollte ihn gerade fressen. Plötzlich ist er nicht mehr so froh, denn ihm fällt ein, wer schreit – und warum. Es ist Vivi, die wahrscheinlich gerade entdeckt hat, dass ihr Kopfschmuck heute unnatürlich glänzt. Ein oder zwei Sekunden lang möchte Pero alles wieder rückgängig machen. Das Gekeife hört sich gar nicht gut an. Er springt aus dem Bett und öffnet vorsichtig die Tür. Durch die Glastür der Küche sieht er die Schatten der Eltern und den von Vivi. »Meine Haaareee!«, heult sie aufgebracht.

Im selben Moment kommt Vanja aus dem Nebenzimmer und reibt sich die Augen. »Hat sie’s schon entdeckt?«

Er verzieht den Mund und sieht seine jüngere Schwester augenkullernd an. »Was glaubst du denn?«

»Wie ist das möglich?«, hören sie Mama fragen.

»Die kleinen Hosenscheißer haben meine Bürste mit Fett eingeschmiert!«

»Welche kleinen Hosenscheißer, Vivi?« Mama scheint es wirklich nicht zu kapieren.

»Na, wer wohl?« Jetzt schreit Vivi aus vollem Hals. »Pero und Vanja natürlich. Sie wissen, dass ich mir morgens wie abends gründlich die Haare bürste.«

Plötzlich wird die Tür aufgerissen und Tata kommt aus der Küche geschossen. Pero und Vanja zucken zusammen.

Tata sieht ziemlich wütend aus. »Wer war das?«

»Was?« Pero versucht sich dumm zu stellen.

»Wer von euch beiden hat Vivis Bürste mit Fett eingeschmiert?«

Sie zucken mit den Schultern.

»Wir waren es nicht«, meint Pero.

»Ihr steht einfach da und lügt mich an?«, brüllt Tata. Er sieht richtig wütend aus.

Pero ist froh, dass sie die Haare nicht abgeschnitten haben. Wenn wegen dem blöden Fett schon so ein Theater ausbricht, was wäre dann erst los, wenn er Vanja nicht aufgehalten hätte?

»Also?«, brüllt Tata weiter, »was habt ihr mir zu sagen?«

»Tut uns Leid«, murmelt Pero.

»Das sollte es auch. Ihr habt eine Woche lang Fernsehverbot!«

Pero steht einfach nur da und sieht seinen Vater an. Er weiß nicht, wie er sich verhalten soll.

»Wir waren es beide«, hört er Vanja flüstern.

»Und warum?«

»Weil Vivi immer so gemein zu uns ist.« Vanja wirft Pero einen unsicheren Seitenblick zu. »Sie stellt sich nie auf unsere Seite.«

Pero kann die Tränen nicht mehr zurückhalten, obwohl er sich die größte Mühe gibt. Er dreht sich um und verschwindet in sein Zimmer. Laut knallt er die Tür hinter sich ins Schloss. Er legt sich wieder ins Bett und zieht die Bettdecke bis ans Kinn. Ein Sonnenstrahl fällt direkt auf sein Gesicht. Er spürt die wohlige Wärme und schließt die Augen.

Dass Tata so gemein sein konnte! Stand einfach da und machte ihn zur Schnecke … wie einen … ja, wen durfte man eigentlich so anschreien? Doch wohl niemanden, oder? Pero tröstete sich damit, dass es noch Schlimmeres gab. Tante Coco hatte mal einen Nachbarn angezeigt, weil der seinen Sohn geschlagen hatte.

Plötzlich klopft es. Pero erschrickt. Das ist bestimmt Tata, der sich entschuldigen will.

»Ja?«, kommt es zögernd aus seiner Kehle.

Die Tür öffnet sich und Vanja steht da, in ihrem weißen Nachthemd und mit einem mitleidigen Blick. »Alles klar?«, fragt sie leise.

»Ja, ja.«

»Kann ich reinkommen?«

Pero richtet sich auf. Der warme Sonnenstrahl ist nicht mehr auf seinem Gesicht und das findet er schade. »Mach doch nicht so ein Getue. Es ist nichts Großartiges passiert. Tata hat mich zusammengeschissen und ich werd’s überleben.«

Vanja schließt die Tür hinter sich und kommt auf ihn zu. Wortlos schlägt sie die Bettdecke auf und legt sich zu ihm. Pero macht Platz für sie. Vanja dreht sich auf die Seite und schlingt ihren Arm um Pero.

Früher, als sie noch ganz klein waren und einer von ihnen traurig war, hatten sie einander immer so getröstet. Was würde er nur ohne Vanja tun?

Das Frühstück lässt er ausfallen.

»Dann will ich auch nicht essen«, sagt Vanja trotzig. Jetzt sieht sie aus wie ein kleines Kind.

Aber er mag sich jetzt nicht auch noch mit ihr rumärgern. »Du musst dich jetzt anziehen und was essen. Wegen mir kannst du doch keinen Hungerstreik machen.«

»Hmm, na gut.« Anscheinend hat Vanja langsam Appetit, sonst hätte sie sich nicht so schnell überzeugen lassen. Sie steht auf und geht aus dem Zimmer.

Nach einer Stunde wird ihm im Bett ziemlich langweilig. Er zieht sich an und schleicht durch den Flur hinaus. Niemand bemerkt ihn.

Mama und Tata sind gerade bei ihrer zweiten oder dritten Tasse Kaffee. Das ist immer so am Wochenende. Igitt! Was die Erwachsenen nur an diesem ekligen Getränk finden. Jeder Erwachsene, den er kennt, trinkt viel Kaffee, und sobald jemand zu Besuch kommt, wird erst mal Kaffee gekocht. »Es geht nichts über ’ne Tasse Kaffee und eine Zigarette zur Entspannung«, sagt Dinkos Mama.

Zu allem Überfluss begegnet er Kata auf der Treppe. Das hat ihm jetzt gerade noch gefehlt. Die doofe, alte Klatschbase erzählt bestimmt gleich den Eltern, dass ihr Pero über den Weg gelaufen ist.

Kata zieht ihren großen Mund zu einem Lächeln auseinander. »Guten Morgen, du kleines Häschen«, sagt sie in ihrem gewohnten Plauderton. Den Kindern Tierkosenamen zu geben ist eines ihrer Hobbys.

»Morgen«, presst Pero hervor.

»Warum denn so missmutig?«

»Was?«

»Hast du schlechte Laune? Streit mit deinen Schwestern?«

Sie muss immer alles wissen, nur um es dann weiterzuerzählen. Kata ist so alt wie Tata und er sagt, sie wäre schon immer eine falsche Klatschtante gewesen. In der Schule hat sie ihn immer verpetzt, wenn er mal etwas angestellt hatte. Niemand mag Kata, aber die stört das nicht. Überall schaut sie auf einen Sprung herein.

»Nein, alles in Ordnung.«

»Na dann.« Sie kneift ihn in die Wange und zieht einmal links und einmal rechts. »Machs gut, Hasenschwänzchen.«

Blöde Kuh! Was fällt ihr ein, ihn so zu nennen?

»Ja, Sie auch.«

Pero geht die zehn Minuten zu Fuß zu Dinko. Manchmal nimmt er das Fahrrad, aber vielleicht kreuzt Tata im Schuppen auf und dem will er jetzt lieber nicht begegnen.

Es ist erst elf Uhr, aber schon furchtbar heiß. Er muss sich den Schweiß von der Stirn wischen. Gut, dass heute Samstag ist und er nicht zur Schule muss. Seine Laune können heute nur Vanja und Dinko ertragen. Aber zum Glück sind in einer Woche sowieso Ferien. Eigentlich würde er sich viel mehr darüber freuen, wenn Mama nicht diese blöde Idee mit den Urlaubsleuten gehabt hätte. Das muss er unbedingt mit seinem Freund Dinko bereden. Der kennt sich bei so was aus. Seine Eltern nehmen jedes Jahr Gäste auf, nur hat Dinko das Glück, nicht sein Zimmer hergeben zu müssen.

Pero sieht Dinko schon von weitem auf den Stufen vor dem Haus sitzen. Er schleckt ein Eis.

Der hat’s gut. Ein typisches Einzelkind. Er darf so ziemlich alles. Seine Eltern verwöhnen ihn genauso wie Peros Eltern Vivi alles durchgehen lassen. Aber Vivi hatte einen Tumor und Dinko war immer kerngesund.

Lola bellt vor ihrer Hundehütte kurz auf, aber als sie sieht, dass es Pero ist, wedelt sie mit dem Schwanz. Lola mag ihn, weil er ihr manchmal Essensreste mitbringt.

Er geht zu ihr und streichelt sie.

»Bog Dinko«, ruft Pero seinem Freund zu.

»Hä? Du hier? An einem Samstagmorgen?« Er nimmt einen extragroßen Bissen von seiner Eistüte. »Sonst pennst du immer ewig lange, wenn keine Schule ist.«

Lola springt an Pero hoch, doch sie ist zum Glück angekettet, denn durch ihre Größe hat die Schäferhündin ihn schon ein paar Mal unabsichtlich umgeworfen.

»Ich muss mit dir reden«, ruft er Dinko zu. Er streichelt Lola noch mal über den Kopf, dann geht er zu Dinko rüber.

Dinko hält mit dem Eisessen inne und mustert ihn interessiert. »Das klingt ja wichtig. Und du hast so einen schrägen Blick drauf. Geht’s um die Schule? Wenn ich wieder den Aufsatz für dich schreiben soll, vergiss es. Ich hab das jetzt ein paar Mal mitgemacht und du kannst zur Abwechslung selber …«

»Nein, es geht nicht um den Aufsatz.« Pero hebt hilflos die Handflächen und setzt sich neben Dinko auf die Treppe. Dinkos Mama kommt nach draußen und schüttelt die Badvorleger durch. »Ah, Bog Pero. Bist du schon lange da?«

»Nein, ich bin gerade erst gekommen.«

»Möchtest du was trinken?«

»Später vielleicht, danke.«

Dinko verdreht die Augen und sagt an seine Mutter gewandt: »Mama, wir haben hier gerade ein wichtiges Gespräch am Laufen. Wenn er verdursten sollte, merke ich es bestimmt und werde ihn mit genug Flüssigkeit versorgen. Bitte lass uns jetzt allein.«

Dinkos Mama lächelt ein bisschen amüsiert und geht wieder ins Haus. – Komisch. Würde Pero so etwas zu seiner Mutter sagen, dann könnte er damit rechnen, dass sie sich ganz schön aufregen würde.

»Also, schieß los. Worum geht’s?« Dinko reicht ihm die Hälfte von seiner Eistüte. »Du kannst den Rest haben, wenn’s dich nicht ekelt.«

Es ekelt ihn nicht. Dinko hat sich ja auch nicht geekelt, als Pero ihm mal die Hälfte seines Kaugummis gegeben hat. Er nimmt die Eistüte und beißt hinein. »Gestern haben meine Eltern beschlossen, dass wir den Sommer über Gäste aufnehmen sollen.«

»Ist doch prima!«

Dinko findet das auch noch prima. Wohin soll das nur führen?

»Das ist gar nicht prima. Vanja und ich sollen nämlich unsere Zimmer hergeben und bei Mama und Papa schlafen.«

»O Gott. Alle im gleichen Bett?«

»Ach, Quatsch! Natürlich nicht.«

»Aber es ist doch nur für ein paar Wochen.«

»Ja, aber sind die besten Wochen im Jahr, die Sommerferien.«

Dinko nickt. »Stimmt irgendwie.«

»Wie ist das denn, wenn so Leute da sind?« Pero sieht ihn hilflos an.

»Unterschiedlich. Manchmal sind ganz lustige dabei, mit netten Kindern. Aber manchmal hat man Pech und für zwei Wochen schweigsame, spießige Ehepaare, die man am liebsten den ganzen Tag ins Zimmer sperren möchte.«

»Ach du Schande.«

»Das ist aber eher selten«, sagt Dinko behutsam, als er Peros Gesichtsausdruck bemerkt. »Meistens sind die Leute in Ordnung. Du stellst dir das viel zu schlimm vor. Klar, wir essen mit den Gästen gemeinsam und es ist nicht dasselbe wie sonst. Meine Eltern bestehen dann auf Tischmanieren und das nervt.« Er streckt die dünnen Beine von sich und zuckt mit den Schultern. »Jedenfalls ist das nicht das Schlimmste.«

»Und was ist das Schlimmste?«, fragt Pero neugierig.

»Das ist, dass Mama diese blöde Saisonarbeit macht.«

Pero weiß, dass Dinkos Mama jeden Sommer in dem Strandhäuschen an der Kasse sitzt. Da müssen die Leute Eintritt bezahlen, wenn sie an den Strand wollen. »Sie ist dann den ganzen Vormittag dort und Tata muss hier kochen und den Haushalt machen und so.«

Pero versteht nicht ganz. »Na und? Die meisten Mütter arbeiten doch und deine Mutter arbeitet nur den Sommer über.«

Dinko verzieht den Mund. »Ja, aber dann kommt alles irgendwie durcheinander. Es ist nicht so wie immer. Außerdem kommt sie total müde nach Hause.«

Pero kennt viele Leute, die Saisonarbeit machen. Sein Opa zum Beispiel, der verleiht die Ruderboote am Strand auf einer Insel. Oder Danijelas Tata, der kellnert in den Sommermonaten. Das macht er in seinem Urlaub, den er von seiner Firma bekommt.

»Heute Nacht haben Vanja und ich Vivis Bürste mit Fett eingeschmiert und die sind total ausgeflippt.«

»Warum habt ihr das denn gemacht?«, fragt Dinko verwirrt, »die kriegt das Zeug doch zwei Wochen lang nicht raus, da wette ich.«

»Weil sie eine doofe Nuss ist. Na ja, eigentlich war es Vanja. Vivi findet die Idee mit den Sommergästen nämlich ganz entzückend. Und so was nennt sich Schwester! Bei meinen Eltern im Zimmer schlafen, phh … wie ein Baby. Und Vivi macht sich in ihrem Zimmer ganz alleine breit. So was von ungerecht.«

Dinko blickt in den Himmel und blinzelt ein paar Mal. Plötzlich bekommt er seinen speziellen Gesichtsausdruck. Pero nennt das den Erleuchtungsausdruck. Wenn der auf Dinkos Gesicht erscheint, hat er meistens eine grandiose Idee.

»Was ist?«, hakt Pero nach.

»Du und Vanja, ihr könntet eure Eltern erpressen.«

»Hä?«

Er winkt ab. »Erpressen ist ein zu hartes Wort. Sagen wir lieber, ihr geht einen Kompromiss mit den Eltern ein. Ihr könntet euren Eltern sagen, ihr lasst euch darauf ein und ihr werdet nicht mehr rumzicken, wenn ihr bei Vivi im Zimmer schlafen dürft.«

Pero zuckt mit den Schultern. »Na toll. Unsere Zimmer sind dann aber trotzdem vermietet.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960531340
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
eBooks Jugendbuch Real Life Kroatien Touristen Sommerferien Freundschaft erste Liebe Verliebtsein Maedchen Jungen Jungs ab 10 Jahren
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Titel: Ein Sommer ohne Zimmer
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