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Lale und der goldene Brief

©2016 222 Seiten

Zusammenfassung

Ein ganz besonderes Abenteuer wartet auf dich – Fantasy für junge Leser von Regula Venske: „Lale und der goldene Brief“ jetzt als eBook bei jumpbooks.

Seit sie denken kann, lebt die zehnjährige Lale bei ihrer Großmutter Jula. Als diese eines Tages ins Krankenhaus muss, erteilt sie Lale einen sehr seltsamen Auftrag: Sie soll einen goldenen Briefumschlag zu einem weisen Mann bringen, der hinter dem Berg des Abschieds lebt. Lale hat von so einem Ort noch nie gehört, aber natürlich will sie ihre Oma nicht enttäuschen. Das mutige Mädchen schnappt sich sein Fahrrad und macht sich auf den Weg – und lernt auf seiner fantastischen Reise eine ganz neue Welt, viele neue Freunde und das besondere Geheimnis ihrer Familie kennen.

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die liebevolle Fantasyerzählung „Lale und der goldene Brief“ von Regula Venske für Leser ab 8 Jahren Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Seit sie denken kann, lebt die zehnjährige Lale bei ihrer Großmutter Jula. Als diese eines Tages ins Krankenhaus muss, erteilt sie Lale einen sehr seltsamen Auftrag: Sie soll einen goldenen Briefumschlag zu einem weisen Mann bringen, der hinter dem Berg des Abschieds lebt. Lale hat von so einem Ort noch nie gehört, aber natürlich will sie ihre Oma nicht enttäuschen. Das mutige Mädchen schnappt sich sein Fahrrad und macht sich auf den Weg – und lernt auf seiner fantastischen Reise eine ganz neue Welt, viele neue Freunde und das besondere Geheimnis ihrer Familie kennen.

Über die Autorin:

Regula Venske wurde 1955 in Minden geboren und wuchs in Münster auf. 1987 promovierte sie zum Doktor der Philosophie. Im selben Jahr erhielt sie den Oldenburger Jugendbuchpreis. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Kriminalromane, für die sie u. a. mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde. Regula Venske ist Mitglied im Autorenverband deutschsprachiger Kriminalschriftsteller SYNDIKAT (www.das-syndikat.com) und im PEN, dessen Generalsekretärin sie seit 2013 ist (www.pen-deutschland.de). Regula Venske lebt in ihrer Wahlheimatstadt Hamburg.

Bei jumpbooks erscheinen Regula Venskes Bücher Als Papa den Mond abschoss, Der geklaute Heilige und Ein Haus auf Reisen.

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eBook-Neuausgabe Juni 2016

Copyright © der Originalausgabe 2003 Gerstenberg Verlag, Hildesheim

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

Titelbildabbildung: © kevron2001 (fotolia.com)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-135-7

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Regula Venske

Lale und der goldene Brief

jumpbooks

1. Kapitel

in dem Jula Lale von einer Tulpenzwiebel pflückt
und Kalle sein Morgenlied singt

Natürlich weiß man, wie die Mädchen und die Jungen auf diese Welt kommen. Viele Kinder, die meisten wahrscheinlich, wachsen gemütlich im Bauch ihrer Mama heran. Manche bringt angeblich der Klapperstorch, manche der Weihnachtsmann. Für einige Kinder müssen die Eltern noch eine Extraportion Salz auf die Fensterbank streuen. So lange lässt der Storch auf sich warten. Oder wer immer es ist, der das Baby ins Körbchen vorm Fenster bettet. Manche Kinder gedeihen in blitzblanken Marmeladengläsern, und manche werden von ihren Eltern in einem Kinderheim abgeholt. Und einige Mädchen oder Jungen, so wird erzählt, hat ein dicker, silberner Zeppelin eines Nachmittags über der Stadt abgeworfen. Oder der blauweiß gestreifte Heißluftballon, der eine Zeit lang Samstagnachmittags über den Dächern schwebte.

Lale aber war in einer Tulpenzwiebel gewachsen. Daraus hatte Jula sie höchstpersönlich an einem schönen Tag im März abgepflückt. Jedenfalls erzählte Jula das so.

Jula war Lales Großmutter. Eigentlich hieß sie Julia Schulze, aber Lale nannte sie Jula. Jula und Lale wohnten in einer recht hübschen Straße in einem recht hübschen Haus. Die Stadt drumherum war nicht überall so hübsch anzusehen, denn es standen in dieser Stadt eine Menge hoher, grauer Häuser herum, in denen eine Menge Menschen miteinander auskommen mussten. Da hatten Lale und Jula es gut, dass sie ihr Häuschen ganz für sich alleine hatten. Und dass dahinter ein großer Garten lag.

Mit den Kindern aus der Nachbarschaft spielte Lale nicht gerne. Es wohnten ein paar rotzfreche ältere Jungen in der Nähe. Um die machte sie, wenn möglich, einen großen Bogen.

Im Frühjahr sahen Lale und Jula, wenn sie aus dem Küchenfenster guckten, auf ein Feld mit bunten Tulpen. Rote Tulpen, weiße und gelbe blühten da. Und im Sommer wuchsen dort Sonnenblumen. Manche von ihnen waren fast so hoch wie das Haus.

Wie gut, dass es Lale nicht eingefallen war, auf einer von ihnen zu wachsen. Wie hätte Jula sie da abpflücken sollen? So groß wie die Sonnenblumen war sie ja nicht. Wer weiß, vielleicht hätte Jula in ihrer Not ein wenig am Stängel gerüttelt. Und dann wäre Lale von ihrer Sonnenblume heruntergekullert und mit blauen Flecken auf die Welt gekommen.

Im Herbst blühten die dicken Dahlien. Die rochen so muffig und dumpf. In denen war sie zum Glück auch nicht gewachsen. Nicht auszudenken, sie selbst würde immer diesen modrigen Geruch um sich herum verbreiten. Nein, die Tulpenzwiebel war für Lale entschieden in Ordnung.

Manchmal, wenn Jula abends auf Lales Bettkante saß und die beiden noch ein wenig miteinander plauderten, erinnerte sich Jula an den Tag, an dem sie Lale im Garten entdeckte.

»War das eine Überraschung«, erzählte Jula. »Da gehe ich eines Morgens nichts ahnend in den Garten, um ein paar Tulpen zu schneiden. Damals hatte ich ja noch den Blumenladen. Und Frau Pauli hatte einen Frühlingsstrauß für ihre Mutter bestellt. Die feierte am selben Tag ihren Geburtstag. Und da höre ich plötzlich zwischen all den Tulpen ein leises Rufen. Jula! Jula! Tja, und das warst du. Hast da quietschvergnügt auf deiner Tulpenzwiebel gesessen und mir die Ärmchen entgegengereckt.«

Bei diesen Worten streckte Lale ihrer Großmutter noch einmal die Arme entgegen und ließ sich zur Erinnerung fest von ihr an sich drücken.

»Deine Haare waren schon damals so schwarzviolett wie das Innere einer Tulpenblüte. Noch nie zuvor habe ich eine solche Haarfarbe gesehen.«

Dabei strich Jula über Lales schwarzvioletten Schopf und zwickte sie in die rechte Wange.

»Und schon als Baby hattest du die grünsten Augen, die man je gesehen hat. Ich sag ja immer, so grün wie ein Tulpenstängel.«

Da musste Lale lachen. Und kniff die Augen dabei so fest zu, dass sie ganz dunkel wurden und man das Grün fast gar nicht mehr sah. Lale wusste auch mit geschlossenen Augen, dass ihre Großmutter noch eine Weile an ihrem Bettrand saß und über ihr Einschlafen wachte. So sehr sie es sich auch vornahm, Jula einmal zu ertappen, wenn sie aufstand und sich zum Zimmer hinausschlich, sie schaffte es nie.

Zu gerne hätte Lale gewusst, was Jula abends machte, wenn Lale schlief. Sie hatte ihre Großmutter schon ein paarmal danach gefragt. Aber die lächelte nur und tat sehr geheimnisvoll.

»Das ist mein Geheimnis«, sagte sie. »Wenn du groß bist, zeige ich es dir.«

Darüber hatte sich Lale ein wenig geärgert. Sie wollte es jetzt wissen und nicht warten, bis sie größer war.

Wenn Lale aufwachte, werkelte Jula schon in der Küche herum und trank ihren Tee. Und Lales Anziehsachen lagen sauber und frisch auf der Küchenbank. Lale trug am liebsten einen leuchtendroten Pullover mit weiten Ärmeln und eine bequeme schwarze Pluderhose dazu. Beides hatte ihre Großmutter aus ganz weicher Wolle für sie gestrickt.

»Wenn man einmal weiß, was man anzieht, spart man viel Zeit«, sagte Jula immer. Das fand Lale auch. Und die Zeit, die sie jeden Morgen sparte, nutzte sie, um einen zweiten Becher Hagebuttentee zu schlürfen und ein zweites Pflaumenmusbrötchen zu essen. Außerdem spielte sie vor der Schule gern mit Kalle, ihrem Wellensittich. Sein Gefieder leuchtete knatschgrün und quietschgelb, und er sang so laut und frech, dass die Leute auf der Straße oft stehen blieben, um ihm zuzuhören.

»Ralle-ralle-ralle, ich bin Kanari-Kalle.

Die Welt ist rund und kunterbunt,

und ich bin kerngesund.«

War das die Möglichkeit? Ein Wellensittich, der sich für einen Kanarienvogel hielt?

»Gib doch nicht so an«, sagte Lale mit gespielter Strenge. »Du bist kein Kanari-Kalle! Du bist ein Willi-Welli-Kalle.«

Doch davon ließ sich Kalle nicht beeindrucken. Munter zwitscherte er weiter.

»Kralle-ralle-ralle, ich bin Kanari-Kalle.

Ich schärfe meine Kralle, ihr habt sie wohl nicht alle …«

Manchmal erzählte Lale den Kindern aus ihrer Klasse, Jula hätte Kalle aus einer quietschgelben Tulpenblüte gepflückt. Aber das stimmte natürlich nicht. Sie selbst hatte den Vogel zusammen mit Jula in der Tierhandlung gekauft, nachdem Kalles Vorgänger Karlchen gestorben war. Lale hatte Karlchen in eine Pappschachtel gelegt und gemeinsam mit Jula im Garten begraben. Damals war sie sehr traurig gewesen. Und obwohl Kalle viel lustiger als Karlchen sang, hatte Lale ihr Karlchen noch nicht vergessen.

»Einmal habe ich Karlchen mit in die Schule genommen«, gab sie vor Kalle mit Karlchen an. »Und stell dir vor, er ist der Lehrerin auf die Schulter geflogen und hat einen Klecks auf ihre blaue Seidenbluse gemacht. Und die Lehrerin hat entschieden so getan, als ob sie es nicht bemerkte.«

Dann zwitscherte Kalle vergnügt, als ob auch er die Geschichte sehr komisch fände. Wer weiß, vielleicht würden Lale und Kalle auch einmal gemeinsam etwas Lustiges erleben? Nur lärmte Kalle so laut. Man konnte ihn nicht so leicht wie Karlchen im Ärmel in die Schule schmuggeln. Oder vielleicht doch?

2. Kapitel

in dem Lale wächst und Jula schrumpft und Lale
ihrer Großmutter hinterherspioniert

Als unsere Geschichte begann, war Lale neun Jahre alt. Fast war sie schon zehn. Und wenn sie neben Jula vor dem Spiegel stand, konnte man sehen, dass sie beinahe genauso groß wie Jula war. Lale fand, dass sie in Wirklichkeit sogar eine Spur größer als Jula wäre. Aber davon wollte Jula nichts wissen.

»Es liegt an deinen Stiefeln«, behauptete sie. »Deine Absätze sind höher als meine.«

Natürlich stand es von Anfang an fest, dass Lale im Laufe der Jahre immer größer und älter werden würde. Und natürlich freute Jula sich darüber. Alle Eltern und Großeltern freuen sich ja, wenn ihre Kinder wachsen. Und wenn sie es nicht tun, dann stimmt etwas nicht. Lale selbst war stolz darauf, wie groß sie schon war. Und das war in Ordnung so.

Mit einem aber hatte Lale nicht gerechnet, und auch Jula hatte nicht daran gedacht: Auch Jula wurde immer noch älter. Dabei war sie doch schon so alt. Man hätte denken sollen, sie wäre nun alt genug. Achtundsechzig, das sollte wohl reichen. Größer wurde sie allerdings nicht mehr. Eher kleiner. Ja, Jula schrumpfte. Sie schrumpfte ganz kolossal. Und das fand Lale, als sie es eines Tages bemerkte, überhaupt nicht in Ordnung.

Früher hatte Jula die Gärtnerei hinter ihrem Häuschen und einen Blumenladen gehabt. GÄRTNEREI JULIA SCHULZE, in großen Lettern stand es an der Ladentür. Nachmittags hatte Lale ihrer Großmutter oft im Geschäft geholfen. Sie band Vergissmeinnicht-Sträußchen zusammen, goss Wasser in die Vasen und wickelte Blumen in gelbes Papier. Sie hatte auch gelernt, Geld von den Kunden zu kassieren, und gab das Wechselgeld richtig heraus.

Aber trotz ihrer Hilfe wurde der Laden Jula eines Tages zu viel. Sie verpachtete ihn an Herrn Schlichting, der schon mehrmals deswegen nachgefragt hatte. Aber Herr Schlichting verkaufte darin keine Blumen mehr. Er hatte ein Geschäft für Käse, Olivenöl und Wein aufgemacht.

Eine Weile hatte Jula die Gärtnerei hinter ihrem Haus noch weiterbetrieben. Die Blumen verkaufte sie an Leute, die sie von früher kannte. Aber auch das wurde ihr mit der Zeit zu viel. Erst merkte Lale es nicht. Doch eines Tages, als sie aus dem Küchenfenster schaute, stellte sie fest, dass die Beete hinter Julas Häuschen verwilderten. Hier und da hatten im Sommer zwar noch ein paar eigensinnige Margeriten und später ein paar Sonnenblumen geblüht. Aber wenn Lale ehrlich war, wirkte alles recht wüst. Eine Tulpenzwiebel, auf der ein Kind hätte wachsen können, war nicht mehr dabei.

Und dann war der Winter gekommen. Wenn Jula jetzt abends auf der Bettkante saß, bekam Lale manchmal einen Schreck. Jula war ganz dünn geworden. Und vor allem sah sie so müde aus. Manchmal nickte sie im Sitzen ein, sodass Lale schon befürchtete, sie würde gleich vom Stuhl fallen. Was war denn nur los?

Eines Tages hielt Lale es nicht mehr aus. Beim Mittagessen fragte sie Jula, warum sie immer so müde sei. Aber Jula wollte nicht antworten.

»Jula, du musst früher schlafen gehen!«, stellte Lale fest. »Du gähnst ja immerzu.«

»Ach, mein Kind«, seufzte Jula. »Du hast wohl recht. Aber zum Schlafen ist jetzt nicht die Zeit. Ich muss sehen, dass ich mit meiner Handarbeit fertig werde.«

»Aber Weihnachten ist doch seit über einem Monat vorbei«, sagte Lale. »Womit willst du denn fertig werden, Jula?«

Ihre Großmutter antwortete nicht. Sie war schon aufgestanden und hatte begonnen, den Tisch abzuräumen.

An diesem Abend, als Jula wieder erschöpft und blass auf Lales Bettkante hockte und Lale sie anstupsen musste, damit Jula nicht vergaß, weiterzuerzählen, da wusste Lale: Jetzt war es so weit. Heute Nacht wollte sie ihrer Großmutter auf die Schliche kommen. Sie wollte endlich wissen, weshalb Jula immer so geheimnisvoll tat. Was trieb sie hinter Lales Rücken? Warum war sie immer so müde? Warum ging sie nicht einfach am Abend genauso wie Lale ins Bett?

Als Jula mitten in ihrer Geschichte wieder einnickte, weckte Lale sie nicht. Sie tat so, als wäre sie selbst eingeschlafen. Aber in Gedanken hielt sie sich wach. Sie zählte einfach, so weit sie nur zählen konnte. Gerade war sie bei eintausendvierhundertundachtundsiebzig angelangt, da spürte sie neben sich einen Ruck.

Jula war wieder aufgewacht. Aber ihr linkes Bein war anscheinend noch immer eingeschlafen. Leise stöhnte sie vor sich hin und rieb sich die Wade. Dann streckte sie das Bein mehrmals in die Luft. Fast musste Lale kichern, weil Julas Seufzer so lustig klangen. Aber sie schaffte es, sich zusammenzureißen, und blieb mucksmäuschenstill.

Als Jula hinaushumpelte, glitt Lale leise hinterdrein. Sie versteckte sich hinter dem Garderobenständer in der Diele und schmiegte sich in Julas flauschigen Wintermantel. Er roch so gemütlich, nach Jula und nach Zimtstangen und Rosinen und Äpfeln. Ein bisschen nach Weihnachten.

Jula humpelte in die Küche und machte sich dort einen Imbiss zurecht. Mit einem Tablett in den Händen hinkte sie dann tapfer ins Wohnzimmer hinüber. Aber ihr Bein war noch immer nicht wieder in Ordnung. Die arme Jula! Der Tee schwappte über und die Kekse rutschten vom Teller. Lale hätte ihr gerne geholfen, aber sie durfte sich natürlich nicht verraten. Sonst hätte Jula sie bestimmt sofort ins Bett zurückgeschickt.

Also wartete Lale in ihrem Versteck hinter Julas Wintermantel ruhig ab, was weiter passierte. Sie hörte, wie Jula sich seufzend im Wohnzimmer auf dem Sofa niederließ.

»Ach, ach, ach«, ächzte sie. Und dann noch: »Ojemine, ojerum!«

Nachdem sie eine Weile gewartet hatte, lugte Lale hinter Julas Wintermantel hervor. Aus dem Wohnzimmer war inzwischen ein leises, regelmäßiges Geräusch zu hören, wie – ja – wie – Lale kam das Geräusch bekannt vor, aber es war so zart und fein, dass sie im Moment nicht sagen konnte, was es war. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Wohnzimmertür.

Vorsichtig spähte Lale um die Ecke in den Raum. Dort saß Jula auf dem Sofa. In ihren Händen sah Lale etwas Goldenes blitzen. Lale riss die Augen ganz weit auf, um besser gucken zu können. Es waren fünf dünne, goldene Stricknadeln, die Jula in den Händen hielt und mit denen sie geschickt vor sich hin klapperte. Jetzt wusste Lale, woher sie das Geräusch kannte. Es war Stricknadelgeklapper.

Aber heute Abend strickte Jula keine bunten Strümpfe und auch keine schwarze Pluderhose für Lale oder einen roten Pullover. Was da entstand, war nichts, was Lale je zuvor im Leben schon einmal gesehen hatte.

Im Korb auf dem Tisch, in dem Jula ihr Wollknäuel aufbewahrte, lag etwas Zartes, Weiches, das mit goldenem Schimmer leuchtete. Kaum konnte man erkennen, dass dieses wolkige Etwas ein Wollknäuel war. Und in Julas Schoß kringelte sich ebenfalls ein zartes, fast durchsichtiges goldenes Gespinst. Was das wohl war? Für ein Kleidungsstück war es entschieden zu lang. Es ringelte sich von Julas Schoß herab zu ihren Füßen und zerfloss von dort aus zart und golden glänzend um das Sofa herum.

Wie ein ganz langer Schal, dachte Lale. Aber gleichzeitig wusste sie, dass es kein Schal war, was Jula da strickte. So einen langen Hals hatte ja nicht einmal eine Giraffe.

Vorsichtig zog sich Lale von der Tür zurück in die Diele. Sie überlegte, ob sie wieder in ihr Bett schleichen sollte. Eigentlich hatte sie ja genug gesehen. Aber zu gern wollte sie auch noch wissen, wie lange Jula mit ihrem Strickzeug hier zubringen würde.

Sie zog sich also wieder hinter den Garderobenständer zurück und blieb dort geduldig stehen. Aus dem Wohnzimmer hörte sie eintöniges Nadelgeklapper.

Nach einer Weile merkte Lale, dass ihr die Augen zufielen. Sie war ziemlich müde. Kein Wunder, dass Jula morgens immer gähnen musste. Ob sie nicht doch in ihr Bett schleichen sollte?

Ehe sie noch lange überlegen konnte, war Lale schon lautlos zu Boden geglitten. Dabei hatte sie Julas Mantel zu fassen bekommen. Mit dem Kopf lehnte sie sich gegen die Wand und deckte sich mit dem wärmenden Mantel zu. Sie zog den Mantel hoch bis über das Gesicht und kuschelte sich in den Weihnachtsduft hinein. War das gemütlich!

Wäre Jula nicht so schwerhörig gewesen, hätte sie bestimmt das Rascheln gehört und das leise Schnarchen und Schnorcheln, das bald darauf aus der Diele herüberdrang. Aber Jula hörte nichts. Sie war ganz mit ihrem Strickzeug beschäftigt.

3. Kapitel

in dem der Tag anders als sonst beginnt,
anders als sonst weitergeht und auch anders als sonst endet

Als Lale am nächsten Morgen aufwachte, lag sie in ihrem eigenen Bett. Aber sie lag auf ihrer Bettdecke. Und immer noch war sie mit Julas Mantel zugedeckt. Sie konnte sich gar nicht erinnern, wie sie in ihr Bett zurückgelangt war. Hatte Jula sie etwa in der Diele gefunden und ins Schlafzimmer hinübergeschleppt? Nein, dafür war Jula gewiss nicht mehr stark genug. Wahrscheinlich war Lale von selbst mitten in der Nacht aufgewacht und ins Bett zurückgewankt. Aber sie konnte sich überhaupt nicht daran erinnern.

Aus der Küche zog ein würziger Duft zu ihr herüber. Offenbar hatte Jula heute morgen Kaffee für sich gekocht. Meistens trank sie ja zusammen mit Lale Tee. Aber anscheinend war sie heute morgen besonders müde.

Während Lale sich räkelte und noch überlegte, was gestern Nacht eigentlich genau geschehen war, drang lautes Gezwitscher an ihr Ohr. Kalle sang sein Morgenständchen.

»Relle-relle-relle, ich bin Kanari-Kelle.

Es wird allmählich helle, steh auf jetzt, steh doch auf.

Willi-welle-welle, nun wirf dich in die Pelle,

mach Tempo, mach Tacho, steh auf und leg ein’ drauf.«

Lale musste lachen. Aber trotzdem hatte sie ein merkwürdiges Gefühl im Bauch. Als würde an diesem Tag noch etwas Merkwürdiges passieren. Außerdem wusste sie nicht genau, wie sie sich Jula gegenüber verhalten sollte. Sie war in einer echten Zwickmühle. Zwar hatte sie etwas über ihre Großmutter herausgefunden. Aber vielleicht war umgekehrt auch Jula ihr auf die Schliche gekommen? Hatte Lale es alleine ins Bett zurückgeschafft? In dem Lall wollte sie ihr Geheimnis natürlich nicht verraten. Oder hatte Jula sie irgendwann schlafend auf dem Fußboden gefunden? Dann wusste Jula Bescheid. Und es wäre vielleicht ein bisschen albern, jetzt so zu tun, als ob gar nichts sei. Dennoch, da Lale nichts anderes einfiel, tat sie genau dies. »Na, ausgeschlafen?«, fragte Jula, während sie sich vorsichtig eine Tasse Kaffee einschenkte.

Lale nickte beklommen. Verlegen griff auch sie nach ihrer Tasse und nippte an ihrem Tee.

»Ach-ach-ach«, stöhnte Jula. »Hoffentlich macht mich wenigstens der Kaffee wach. Der ist heute morgen meine Medizin. Und natürlich die Erinnerung an den Spaß, den wir gestern Abend hatten. Das war ja lustig mit dir.«

»Was denn für ein Spaß, Jula?«, fragte Lale.

»Na, erinnerst du dich denn gar nicht mehr?«, sagte Jula. »Ich saß auf dem Sofa, an – einer Handarbeit, weißt du. Nur noch elf Monate, bis wieder Weihnachten ist. Und plötzlich kamst du hereinmarschiert. Du hattest meinen Wintermantel übers Nachthemd gezogen, und dann hast du laut vor dich hin gesungen. Ojemine, ojerum. Und damit bist du an mir vorbeimarschiert und danach schnurstracks zurück in dein Bett.«

Jula lachte Lale liebevoll an. Dann schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch.

»So, jetzt musst du aber machen, dass du ins Badezimmer kommst. Sonst kommst du noch zu spät in die Schule.«

Es stimmte, Lale war spät dran. Aber sie schaffte es gerade noch, kurz vor der Lehrerin ins Klassenzimmer zu witschen.

Es fiel Lale heute schwer, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Die ganze Zeit über musste sie an die vergangene Nacht denken. An Julas müdes Gesicht. Und an den merkwürdigen goldenen Schal, oder was immer es war, was Jula nachts heimlich strickte. Noch elf Monate bis Weihnachten! Das war ja lächerlich! Wer begann denn schon Ende Januar mit Weihnachtsvorbereitungen?

Ein paarmal, als die Lehrerin Lale an die Reihe nahm, hatte sie nicht die geringste Ahnung, wovon gerade die Rede war. Deshalb war Lale froh, als der Vormittag zu Ende ging und sich alle auf den Heimweg machten. Ein Stück konnte sie mit ihrer Schulfreundin Kati zusammen gehen. Nur die letzte Wegstrecke bis zu Julas Haus musste sie alleine zurücklegen.

Lale schlenderte ganz vergnügt vor sich hin, als sie plötzlich etwas Ungewohntes sah. Sie blieb stehen. Da stand ja ein Krankenwagen in ihrer Straße! Direkt vor ihrer Tür!

Die letzten Meter bis zu ihrem Haus rannte Lale. Gerade kamen zwei Männer aus ihrer Haustür. Zwischen sich trugen sie eine Trage, auf der man Kranke transportiert. Und darauf lag ihre Jula!

Schnell war Lale zu ihrer Großmutter gelaufen.

»Jula! Was ist denn?«

Jula versuchte, ihr beruhigend zuzulächeln. Aber ganz gelang es ihr nicht. Das Lächeln fiel ein bisschen schief und müde aus. Und weil Jula ihre Brille nicht aufgesetzt hatte, sah sie ganz fremd aus.

»Mach dir keine Sorgen, mein Kind«, sagte Jula. »Ich muss für ein paar Tage ins Krankenhaus. Mit meinem Herz stimmt irgendwas nicht. Aber bald bin ich wieder da. Frau Pauli kommt und kümmert sich um dich.«

Erschöpft sank Jula auf die Trage zurück. Sie war ganz außer Atem.

Natürlich bekam Lale einen ordentlichen Schreck. Gern hätte sie Jula ins Krankenhaus begleitet, aber davon wollte diese nichts wissen.

»Du musst hier warten, bis Frau Pauli kommt. Sie hat ja keinen Schlüssel. Und morgen besucht ihr mich. Bis dahin hab ich mich bestimmt schon ein bisschen erholt.«

Lale nickte beklommen. Insgeheim überlegte sie, dass sie sich abends heimlich zu Jula ins Krankenhaus schleichen wollte. Sie würde schon einen Weg finden. Erst einmal gab sie ihrer Großmutter einen Kuss auf die Backe. Dann ging sie ins Haus.

An diesem Nachmittag wusste Lale gar nichts mit sich anzufangen. Sie mochte sich mit niemandem verabreden. Aber sie hatte auch sonst zu nichts Lust. Immerzu musste sie an Jula denken. Wie es ihr wohl ging? Als am späten Nachmittag Frau Pauli ihren Kopf in Lales Zimmer steckte und sie bat, Jula eine Tasche ins Krankenhaus zu bringen, sprang Lale erleichtert auf. Endlich würde sie Jula Wiedersehen!

Frau Pauli hatte die große Einkaufstasche für Jula gepackt. Zum Glück war sie nicht halb so schwer, wie sie aussah. Was Frau Pauli wohl hineingelegt hatte? Lale guckte sich vorsichtshalber um, obwohl das natürlich überflüssig war. Niemand beobachtete sie. Sie setzte die Tasche kurz ab und zog den Reißverschluss zur Hälfte auf. Und dann spähte sie in die Tasche hinein.

Aber das war eigentlich gar nicht nötig. Aus dem dunklen Inneren der Tasche leuchtete es ihr golden entgegen. In der Tasche lag Julas Strickzeug. Nichts anderes. Das goldene Gespinst füllte die Tasche ganz aus. Es war federleicht, wie Lale nun wusste. Was sie aber nicht wusste, war, was Jula damit im Krankenhaus anfangen würde. Sie wollte doch nicht im Krankenbett weiter stricken?

Aber Jula war zu schwach, um irgendetwas anderes zu machen, als im Bett zu liegen und vor sich hin zu dösen. Das sah Lale, als sie zu Jula ins Zimmer trat. Die Großmutter hob nur leicht die Hand und winkte ihr zu. Dann sank ihr Arm müde auf die Bettdecke zurück.

Lale stellte die Tasche ab und griff nach Julas Hand.

»Gut, dass du da bist«, sagte Jula leise. »Ich muss dringend mit dir sprechen. Komm näher zu mir.«

Sie richtete sich ein wenig auf und zog Lales Kopf zu sich heran. Offenbar wollte sie nicht, dass ihre Zimmernachbarin sie hörte. Und dann flüsterte sie Lale etwas ins Ohr. Auch Lale hatte Mühe zu verstehen, was Jula sagte. Das konnte doch nicht wahr sein? Hörte sie recht? Wollte Jula wirklich, dass Lale hinter Frau Paulis Rücken Proviant aus der Speisekammer mopste? Wie bitte? Was? Sogar die getrockneten Apfelringe und Julas Lieblingsdauerwurst? Und die Kekse aus der Dose und alles, was Lale nur tragen konnte? Und sie wollte wirklich, dass Lale die Lebensmittel morgen heimlich zu Jula ins Krankenhaus schmuggelte? Wozu sollte das gut sein?

Wie bitte? Lale sollte fortgehen? Ganz weit fort? Womöglich sehr lange? Und das mitten im Winter? Und einen Brief sollte sie überbringen? Aber wohin denn? Und warum? Was für einen komischen Brief überhaupt?

»Der Brief müsste noch auf dem Boden meines Strickkorbes liegen«, flüsterte Jula. »Unter den Anleitungen und Strickmustern. Ein goldener Briefumschlag mit einer silbernen Schrift. Ich wollte nicht, dass Frau Pauli ihn sieht, deshalb habe ich ihr nichts davon gesagt. Wenn du zu Hause bist, schau unten im Strickkorb nach. Und morgen bringst du den Brief mit den anderen Sachen hierhin. Ich will ihn noch einmal sehen. Du brauchst auch etwas Kleidung zum Wechseln. Pack alles ordentlich in deinen Rucksack ein.«

Damit sank Jula erschöpft auf ihr Kissen und drückte Lales Hand. Das Zeichen dafür, dass Lale gehen sollte. Gern hätte Lale Jula noch gefragt, wie es ihr überhaupt ginge. Aber das traute sie sich nun nicht mehr. Widerstrebend erhob sie sich und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.

Auf dem Nachhauseweg war Lale so aufgeregt, dass sie ihr Herz bis zum Hals schlagen spürte. Konnte es wahr sein, dass ihre eigene Großmutter ihr auftrug, von zu Hause auszureißen? Denn sie hatte ja versprechen müssen, Frau Pauli nichts von ihrem Vorhaben zu sagen. Also war ausreißen genau das richtige Wort. Angeblich wollte Jula Frau Pauli alles erklären, später, wenn Lale schon fortgegangen war. Also hatte Jula ein schlechtes Gewissen. Vielleicht fürchtete sie, dass Frau Pauli ihren Plan verhindern würde, wenn sie vorher etwas davon erfuhr?

Morgen früh sollte Lale Weggehen. Weit weg. Womöglich für längere Zeit. Lale konnte es einfach nicht fassen.

Zu Hause wartete Frau Pauli schon mit dem Abendessen. Sie hatte einen Riesenstapel goldgelbe Pfannkuchen gebacken. Lale war nicht besonders hungrig. Aber sie machte sich trotzdem tapfer darüber her. Und als sie satt war, aß sie noch weiter, auf Vorrat gewissermaßen. Wer weiß, wann sie auf ihrer Reise wieder so etwas Leckeres bekam?

»Ich muss noch ein paar Sachen für die Schule zusammensuchen«, murmelte sie, als sie endlich vom Tisch aufstand.

Aber was Lale in Wirklichkeit suchte, war der goldene Brief. Er lag genau da, wo Jula gesagt hatte, auf dem Boden des Strickkorbes, unter allerlei anderen Papieren vergraben. Mit silberner Tinte stand eine Adresse darauf.

Lale kannte die Schrift nicht. Julas Handschrift war es nicht.

Und auch der Name des Empfängers sagte ihr gar nichts. Rumi Armut.

Lale drehte den Brief in der Hand. Ein Absender stand nicht darauf. Nun, sie würde schon noch erfahren, was es mit dem Brief auf sich hatte. Jetzt wollte sie nur noch ins Bett. Sie war todmüde. Dieser Tag war zu merkwürdig gewesen. Sie konnte sich gerade noch aufraffen, Kalles Vogelbauer mit seiner gelb geblümten Schlafdecke zuzudecken.

»Gute Nacht, Kalle«, murmelte sie zärtlich. »Entschuldige, dass ich dich so lang habe warten lassen.«

Kalle antwortete nicht. Er war schon längst auch ohne Decke auf seiner Stange eingeschlafen.

4. Kapitel

in dem Lale sich auf den Weg macht

Als Lale am nächsten Morgen zu Jula radelte, dachte sie, dass Jula über Nacht bestimmt alles vergessen hätte. Sicher wäre von ihrem Plan nicht mehr die Rede. Sie konnte einfach nicht glauben, dass Jula sie wegschicken würde. Zwar hatte Lale, wie versprochen, statt ihrer Schulbücher reichlich Proviant in ihren Rucksack gepackt. Aber sie wollte die Apfelringe und die Dauerwurst im Krankenhaus deponieren. Damit Jula noch etwas anderes zum Knabbern hatte als die fade Krankenhauskost. Auch den goldenen Brief hatte Lale eingesteckt. Den wollte sie auch bei Jula lassen. Wenn er ihr doch so wichtig war!

Lale wollte ihrer Großmutter nur schnell einen guten Morgen wünschen und dann in die Schule fahren. Aber sie hatte nicht mit Jula gerechnet. Denn die Großmutter nahm ihren Plan so bitterernst wie am Abend zuvor.

»Es ist wichtig, Lale«, sagte Jula in beschwörendem Ton. »Auch für dich. Lebenswichtig. Du mußt Rumi erreichen. Er ist – nun – du wirst schon noch erfahren, warum es so wichtig ist. Leider stimmt die Adresse nicht mehr. Aber du wirst ihn schon finden.«

Wie bitte? Was? Lale sollte einen Mann finden, von dem die Großmutter seit vielen Jahren nichts mehr gehört hatte? Seit zehn Jahren nicht mehr? Dessen Adresse sie gar nicht kannte? Und warum das so wichtig war, verriet sie ihr nicht? Eine entschieden merkwürdige Sache.

Nachdem Jula ein Weilchen auf sie eingeredet hatte, merkte Lale, dass sie zuletzt gar nicht mehr richtig zugehört hatte. Aber plötzlich war sie wieder hellwach.

»… dann lässt du dich also mit der Strickleiter am Berg des Abschieds hinab. Und danach kommst du schon bald zu Tula. Die kann dir weiterhelfen, mein Kind.«

Jula war eingeschlafen.

Schweren Herzens verließ Lale das Zimmer. Auf dem Rücken trug sie ihren Rucksack, in dem sie den Proviant verstaut hatte: Butterbrote, Wurst, Pfannkuchen, Kekse und Waffeln, Teekuchen, Apfelringe, Backpflaumen, Rosinen und Bananen. Und die Kleidung zum Wechseln dazu. Julas große Einkaufstasche mit dem goldenen Strickzeug hängte sie an die Lenkstange. Eine Strickleiter sollte das also sein. Um sich an einem besonderen Berg hinablassen zu können. Der Berg des Abschieds. Lale wusste nicht, was sie davon halten sollte.

Natürlich wäre sie lieber geblieben. Am liebsten hätte sie den ganzen Tag an Julas Bett gesessen und ihr Gesellschaft geleistet. Aber schließlich hatte Jula sie gebeten, Rumi Armut zu suchen. Ja mehr noch, sie hatte ihr den Auftrag erteilt. Und natürlich wollte Lale ihre Großmutter nicht enttäuschen. Julas Leben hing angeblich davon ab, dass Lale diesen Rumi fand. Und Lales Leben sogar auch, obwohl Lale sich das gar nicht vorstellen konnte. Was hatte ihr Leben mit dem Leben dieses fremden Mannes zu tun?

Rumi Armut.

Wer war das denn überhaupt?

Während sie den Fahrradhelm über ihre Mütze stülpte und den Riemen festzog, fiel Lale ein, wer unbedingt noch mitkommen musste. Kalle natürlich. Mit ihm wäre sie wenigstens nicht allein.

Als sie in ihre Straße einbog, hatte Lale Glück. Sie sah Frau Pauli gerade aus dem Haus kommen. Am Arm trug sie einen Einkaufskorb. Ob sie schon entdeckt hatte, was alles in der Speisekammer fehlte? Lale versteckte sich hinter einem Zaun und wartete ab, bis Frau Pauli die Haustür abgeschlossen hatte und fortgegangen war. Dann lief sie zum Eingang hinüber.

Schnell hatte sie aufgeschlossen, und ebenso schnell war sie ins Wohnzimmer zu Kalle hinübergehuscht. Der kleine Wellensittich staunte nicht schlecht, als Lale ihn aus seinem Vogelbauer holte. Er zwitscherte etwas, was wie »Krolle-rolle-roll-pulle-pull« klang. Damit brachte er Lale auf eine Idee. Julas Pulswärmer!

Mit Kalle auf der Hand huschte sie in Julas Schlafzimmer und riss die Schubladen ihrer Kommode auf, bis sie das Richtige fand. Ein Paar flauschige Pulswärmer zog sie sich selbst an. Und einen Pulswärmer streifte sie Kalle über. So, jetzt war er gerüstet für die Winterreise. Den anderen Pulswärmer stopfte sie zur goldenen Strickleiter in die große Tasche.

Draußen klemmte Lale Julas Tasche auf den Gepäckträger, den Rucksack behielt sie auf. Kalle setzte sie auf der Lenkstange ab. Und jetzt? Worauf wartete sie noch?

Ganz kurz schoss es Lale durch den Kopf, dass sie alles abblasen könnte. Sie könnte Kalle wieder ins Haus und in seinen Käfig bringen. Sie könnte die gemopsten Pfannkuchen in den Kühlschrank zurücklegen, ihre Schulsachen in den Rucksack packen und in die Schule gehen, als wäre nichts gewesen. Aber so schnell, wie der Gedanke gekommen war, war er auch schon wieder verflogen. Jula setzte ihre ganze Hoffnung auf sie. Sie vertraute darauf, dass Lale es schaffte. Also musste Lale fahren. Sie stieg aufs Fahrrad und radelte los.

5. Kapitel

in dem Lale tüchtig radelt und mit Kalle ein Picknick macht

Lale radelte den ganzen Vormittag, immer der Nase nach, so wie ihre Großmutter es ihr geraten hatte. Zunächst ging es durch ihr bekannte Straßen und Häuserschluchten. Durch die Siedlung, in der die frechen großen Jungen wohnten, an ihrer Schule und am Haus ihrer Freundin Kati vorbei. Zum Glück sah sie dort keiner. Schneller als gedacht hatte sie den Stadtrand erreicht und bald schon die Stadt hinter sich gelassen. Jula hatte gesagt, sie solle sich zunächst Richtung Großer See halten. Nachdem sie zur Hälfte um den See herumgeradelt war, zweigte eine Landstraße ab. Die sollte sie nehmen.

Lale radelte und radelte. Die Abenteuerlust hatte sie gepackt. Solange sie in Bewegung war, kam sie nicht zum Nachdenken. Ihr war warm, sie spürte weder Hunger noch Kälte. Sie fühlte sich so stark und beschwingt, sie hätte geradewegs immer so weiterradeln können, bis sie bei Rumi Armut angelangt war. Und wenn sie den ganzen Tag und die ganze Nacht hätte strampeln müssen.

Am liebsten hätte Lale laut gesungen. Aber dazu war es denn doch entschieden zu kalt. Wenn sie ausatmete, sah sie ein weißes Wölkchen vor sich aufsteigen.

Auch Kalle war stumm. Er saß mit dem Rücken zum Fahrtwind und mit dem Schnabel zu ihr gewandt und guckte sie aus seinen listigen Äuglein neugierig an. Vermutlich wunderte er sich. Lale hatte ihm erzählt, dass sie einen Brief an einen Mann überbringen müsste, dessen Name ihr fremd war und dessen Adresse sie auch nicht kannte. Da hatte Kalle kurz etwas gezwitschert, das wie »Bille-bille-boll« klang. Es hatte ganz munter geklungen.

Seitdem hatte Kalle keinen Pieps mehr von sich gegeben. Vermutlich war es ihm einfach zu kalt. Gut, dass sie an den Pulswärmer für ihn gedacht hatte. Sonst hätte sich Kalle auf der eisigen Lenkstange doch zu leicht einen Schnupfen geholt.

Ihr Weg führte Lale durch eine verschneite Winterlandschaft. Alles um sie herum sah wie verzaubert aus. Auf der Straße war der Schnee geräumt worden, und auf dem Asphalt lag nur ein bisschen zarter Reif, wie darüber gestreuter Puderzucker. Aber an den Straßenrändern war der Schnee zu kleinen Hügeln geschichtet, und die Felder und Wiesen am Straßenrand waren tief verschneit. Alle Geräusche waren gedämpft, die Welt war in eine unwirkliche Stille getaucht. Man konnte das Gefühl bekommen, als sei man ganz allein auf der Welt.

Niemand außer Lale schien unterwegs zu sein. Auch die Tiere, die hier am See, im Wald und auf den Feldern wohnten, hatten sich zum Winterschlaf in ihre Höhlen und Bauten zurückgezogen.

Lale hatte keine Angst. Im Gegenteil, sie fühlte sich herrlich.

Wenn sie nur gewusst hätte, wo sie am Abend übernachten sollte. Allmählich setzte sich der Gedanke in ihr fest. Erst war es nur ein kleiner Gedanke, ein kleines graues Pünktchen in ihrem Hirn. Irgendwann würde es dunkel werden. Bald sogar schon. Zwar nicht mehr so früh wie im Dezember. Aber die Dunkelheit käme früh genug. Die Mittagszeit war ja wohl schon ein Weilchen vorbei.

Bald konnte Lale an nichts anderes mehr denken. Der dunkle Punkt in ihrem Kopf wuchs und wuchs. Wo sollte sie die Nacht verbringen, wenn sie das Haus dieser Tula bis dahin nicht erreicht hatte? Und als der Gedanke eine richtig große Form angenommen hatte, ein großer düsterer Kreis geworden war, da merkte Lale plötzlich auch, dass sie Hunger hatte. Es war entschieden Zeit für eine Rast.

Die Landstraße führte an einigen Häusern und Bauernhöfen vorbei. Offenbar war die Gegend hier ein bisschen bewohnter. Rauch kringelte sich aus den Schornsteinen. In die Luft mischte sich ein würziger Duft. Da brannte irgendwo ein Kaminfeuer. Aus der Ferne tönten ein paar dumpfe Schläge herüber. Jemand hackte vielleicht Feuerholz.

Lale spürte einen Kloß im Hals. Ach, sah das gemütlich aus dort drüben! Wie nett wäre es, wenn man dort jemanden kennen würde und sich ein wenig ausruhen könnte.

Tapfer radelte sie weiter. Nach zwei- oder dreihundert Metern sah sie am Straßenrand eine kleine Kirche. Eigentlich war es mehr eine Kapelle, ein gemütliches kleines Haus.

Ob die Tür verschlossen war?

Lale bremste vorsichtig ab. Sie lehnte ihr Fahrrad an die Wand neben der Eingangstür. Mit klammen Fingern löste sie die Tasche vom Gepäckträger, drehte sich um zur Tür und probierte die Klinke. Sie ließ sich ganz leicht herunterdrücken. Mit einem anheimelnden Knarren öffnete sich die Tür. Da hörte Lale hinter sich ein wütendes Schimpfen. Vor Schreck zuckte sie zusammen und ließ die Türklinke los.

»Kille-rille-rille, ich schreie, schimpf und schrille!

Dir fehlt wohl eine Brille! Lass mich nicht an der Luft!

Ich schrille, schrei und lärme, dass ich mich auch erwärme.

Mir knurrt der Bauch, bin hungrig auch,

vergiss mich nicht, du Schuft!«

Kalle! Wie konnte sie ihn nur so sträflich vergessen! Mit seinem Pulswärmer-Mantel konnte er ja nicht auf ihre Schulter fliegen. Lale trat schnell zu ihm herüber und nahm Kalle behutsam auf die noch freie Hand. Der kleine Vogel wollte noch weiter schimpfen, aber als Lale wärmend über sein Köpfchen pustete, beruhigte er sich.

Lale war bislang nur sehr selten in einer Kirche gewesen. Ob es erlaubt war, hier drinnen ein Picknick zu halten? Lale beschloss, dass der liebe Gott sicher nichts dagegen hätte, wenn sich ein Kind in seinem Haus ein bisschen stärkte und wärmte. Sie zog Kalle den Pulswärmer aus. Es tat ihm sichtlich gut, sich zu räkeln und zu recken und zu strecken. Er plusterte sich ordentlich auf und trippelte bald vergnügt auf den Altarstufen herum.

Lale breitete ihre Schätze auf einer Kirchenbank aus. Zuerst aß sie ein paar Pfannkuchen mit Zimt und Zucker. Dann ein Stück Brot mit Wurst. Und zum Nachtisch noch einen Apfel. Dazu trank sie Tee aus ihrer Trinkflasche.

Nachdem Lale sich gestärkt hatte, hätte sie sich am liebsten auf die Bank gelegt und ein bisschen geschlafen. Aber sie musste ja weiter. Es war schon Nachmittag, bald würde es wirklich dunkel werden. Und sie musste noch eine Unterkunft für die Nacht finden. Um hier zu bleiben, war es zu früh. Tapfer packte Lale ihre Sachen zusammen und rief Kalle herbei. Wohin würde ihr Weg sie wohl heute noch führen?

6. Kapitel

in dem Lale zum Acker des Bleibens gelangt und
Bekanntschaft mit den Erdmuffeln schließt

Bald radelte Lale weiter. Und bald schien über ihr schon der helle Mond. Er spendete ein geheimnisvolles Zauberlicht, das den Schnee noch heller glitzern ließ. Er bedeckte hier auch die Straße, war aber verharscht und gefroren, sodass sie ganz passabel darauf radeln konnte.

Lale kam immer noch gut voran, obwohl es allmählich zu dämmern begann. Aber völlige Dunkelheit herrschte noch nicht.

Lale hätte es nie für möglich gehalten, dass man im Mondlicht so gut sehen könnte. Eine Zeit lang glitt sie nur so dahin, wie auf silbernen Strahlen und Schwingen.

Kalle, der wieder den Pulswärmer trug, war auf der Lenkstange eingeschlafen. Lale musste schmunzeln, wenn sie ihn ansah.

Allmählich merkte Lale aber, wie es um sie herum immer düsterer wurde. Nicht dass der Mond weniger leuchtete. Aber der Schnee schien sein Licht nicht mehr mit gleicher Kraft widerzuspiegeln. Es war, als hätte das Licht dunkle Flecken. Aber die Flecken waren natürlich dunkle Stellen im Schnee.

Lag da überhaupt noch Schnee um sie herum? Nein, der Boden unter ihr war ja gar nicht mehr weiß. Im Gegenteil, er wurde, je weiter sie vorankam, desto grauer und schmutziger. Und er war ja auch gar nicht mehr so fest wie vorhin. Solange der Schnee hart gefroren gewesen war, war Lale mit dem Fahrrad gut darauf vorangekommen. Aber jetzt wurde der Boden unter ihr immer weicher. Ach du Schreck! Der Schnee schmolz. Und darunter war keine Straße, darunter war der reine Matsch. War sie etwa vom richtigen Weg abgekommen?

Entsetzt schaute Lale sich um. Rings um sie her: nur ein matschiges Feld. Der Schnee war jetzt schon völlig geschmolzen. Einerseits war das angenehm – denn es wurde merklich wärmer, und die Wärme tat gut. Aber andererseits war es gar nicht schön. Schon im nächsten Moment konnte Lale nicht mehr weiterradeln. Das Rad blieb im Matsch stecken.

Lale musste abspringen. Dabei trat sie mit dem Stiefel in ein sumpfiges Loch. Igitt, dachte Lale. Die sind hin. Als sie den Stiefel aus der Matsche zog, konnte man nicht mehr sehen, dass er einmal zinnoberrot gewesen war. Matschbraun war er jetzt. Auweia.

Lale musste schlucken. Wie gern wäre sie jetzt bei Jula daheim. Dafür hätte sie sogar deren Schimpfen über den verdorbenen Stiefel in Kauf genommen.

Wenn doch wenigstens Kalle ein kleines bisschen schimpfen würde. Durch den Ruck, als sie mit dem Rad stecken geblieben war, war er aufgewacht. Aber Kalle schimpfte nicht. Er guckte sie nur vorwurfsvoll an. Und jetzt?, schien er sie fragen zu wollen.

Lale schaute sich verzweifelt um. Es half wohl nichts, sie würde wenden und umkehren müssen. Aber das war leichter gedacht als getan. Das Rad war zwar nicht sehr tief in die Matsche gerutscht, aber es steckte schon sehr fest. So sehr sie auch zog und zerrte, es nützte nichts. Aus diesem Modder bekam sie ihr Rad so leicht nicht heraus.

Deshalb ging sie jetzt ganz planmäßig vor. Sie ruckelte immer abwechselnd einmal am Vorderrad und dann wieder am Hinterreifen. Wieder vorn. Und wieder hinten. Hau-ruck! Hau-ruck! Und plopp! Das Fahrrad war wieder frei. Geschafft! Vielleicht brauchte sie doch nicht umzukehren? Vielleicht könnte sie das Rad über dieses Matschfeld hinübertragen? Und am anderen Ende dann wieder aufsteigen und weiterfahren?

Lale setzte sich in Bewegung. Mit der linken Hand hielt sie das Rad an der Lenkstange fest, mit der rechten wollte sie es hochheben. Aber was war das? Das Rad klebte ja schon wieder fest.

Als Lale nach dem Hinterrad sehen wollte, traute sie ihren Augen nicht. Da waren drei, vier seltsame kleine Wesen und hielten das Fahrrad fest.

»He, lasst los!«, schrie Lale. »Was fällt euch denn ein?«

Aber die kleinen Kerle dachten gar nicht daran, loszulassen. Sie hielten Lales Hinterrad mit aller Kraft fest und brachten sie so zum Stillstand, so sehr sich Lale auch dagegen anzustemmen versuchte. Eine Weile kämpfte Lale tapfer, dann sah sie ein, dass es keinen Sinn hatte. Aber wenigstens wollte sie die frechen Kerle ein wenig austricksen. Ganz plötzlich gab sie ihren Widerstand auf und ließ locker. Da purzelten die vier, deren Parole ja immer noch Festhalten lautete, in den Matsch. So gelang es Lale wenigstens, sie im wahrsten Sinne des Wortes reinzulegen.

»He, was sollte das?«, fragte sie die Fremden.

Wie sie da so vor ihr in der Matsche lagen und mit den Beinen trampelten, konnte Lale sich die zwergenartigen Kerle etwas genauer ansehen. Sie waren vielleicht vierzig, allerhöchstem fünfzig Zentimeter hoch. Soweit man unter ihrer Kleidung erkennen konnte, waren sie recht behaart. Ihre fellähnliche Haut, ihre wuscheligen, lockigen Haare und ihre Backenbärte, alles hatte die Farbe von ockerfarbenem Modder. Gekleidet waren sie in grüne Hosen und Jacken, dazu trugen sie derbe braune Stiefel und Jägerhüte mit Federn und kleinen bunten Lämpchen daran.

»Willkommen auf dem Acker des Bleibens!«, sagte eines der Wesen, als es sich aufgerappelt hatte. Auch die anderen waren inzwischen wieder auf die Füße gekommen und stimmten dem Ersten bei.

»Genau, herzlich willkommen!«

»Bei uns bist du genau richtig!«

»Schön, dass du bleiben willst.«

Das hatte Lale zwar gar nicht gesagt, aber die Kerlchen schienen davon auszugehen, dass sie bei ihnen zu Gast sein wollte. Und vielleicht war das gar nicht einmal die dümmste Idee? Es war ja doch zu dunkel, um heute Abend noch weiterzuradeln. Und zu matschig dazu.

»Wo wohnt ihr denn?«, fragte Lale und sah sich suchend um.

Dabei stellte sie fest, dass vielleicht ein Dutzend dieser kleinen Kerle um sie herum wuselten. Sie hatte sie vorher gar nicht bemerkt. Nun aber sah sie überall um sich herum die bunten Lämpchen blinken.

»Da drüben«, sagte der Erste freundlich und deutete zur Mitte des Feldes hinüber.

»Genau«, sagte der Zweite.

»Komm, wir gehen«, forderte der Dritte sie auf. »Dein Fahrrad kannst du am Eingang zu unserem Erdschloss liegen lassen.«

»Das klaut hier schon keiner«, sagte der Vierte.

Die anderen drei lachten, als hätte er einen Witz gemacht. Lale schob ihr Rad in Richtung Feldmitte. Es war mühselig, aber mit Hilfe der kleinen Kerle schaffte sie es. Während sie sich vorwärts plagte, hatte sie das Gefühl, als sacke sie immer tiefer in die Matsche hinein. Was war das nur für ein komisches Feld? Wie hatte der Kleine es eben genannt? Den Acker des Bleibens?

»Wo bin ich hier eigentlich?«, fragte Lale neugierig.

»Pardon, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt«, sagte der, der auch vorhin als Erster gesprochen hatte. Er schien eine Art Anführer zu sein.

»Dies hier ist der Acker des Bleibens.«

»Genau«, sagte der Zweite.

»Wer hier hinkommt, möchte gar nie mehr weg«, schwärmte der Dritte.

»Wer hierhin kommt, bleibt ewig«, stellte der Vierte fest.

»Und wir sind die Erdmuffel«, sagte der Erste mit einer kleinen Verbeugung.

»Genau, wir wohnen hier«, verbeugte sich auch der Zweite.

»Ein gastliches Volk sind wir, du wirst sehen«, sagte der Dritte. Es schien ein weiblicher Erdmuffel zu sein, denn er – besser gesagt sie – machte dabei einen Knicks.

»Und friedlich«, fügte der Vierte hinzu.

»Und wer bist du?«, fragte der erste Erdmuffel.

»Ich bin Lale aus der Tulpenzwiebel«, antwortete Lale schlicht. »Und das ist Kanari-Kalle, mein Wellensittich, der sich manchmal für einen Kanarienvogel hält.«

Die vier nickten, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, aus einer Tulpenzwiebel zu stammen und einen Wellensittich zu haben, der gern ein Kanarienvogel wäre.

»Ewig bleiben können wir allerdings nicht«, klärte Lale ihre neuen Bekannten vorsichtshalber gleich auf. »Morgen früh müssen wir weiter. «

»Ts ts ts«, machte der erste Erdmuffel.

»Ts ts ts«, machten auch die drei anderen.

Weiter sagten sie nichts, denn sie hatten inzwischen den Eingang zu einem Tunnel erreicht, der hier ins Erdinnere zu führen schien.

»Hier kannst du dein Fahrrad abstellen«, sagte der erste Erdmuffel.

Der Zweite griff, nachdem er »Genau!« gesagt hatte, nach ihrer Tasche, aber Lale nahm sie ihm aus der Hand. Die war ja viel zu groß für diese Knirpse. Diesmal dachte sie auch an Kalle und nahm ihren kleinen Freund auf die Hand.

7. Kapitel

in dem Lale und Kalle im Schloss
der Erdmuffel übernachten

Lale duckte sich und folgte den Erdmuffeln gebückt in den Tunnel hinein. Sie passte so gerade eben durch das Eingangstor. Der Tunnel war eng und dunkel, aber an den Tunnelwänden sorgten blaue, rote, grüne und gelbe Laternen für freundliches Licht. Und auch die Lämpchen, die die Erdmuffel an ihren Hüten trugen, leuchteten ihr den Weg. Allmählich wurde der Boden unter ihren Füßen fester, und der Gang wurde größer und angenehmer, sodass sie bald aufrecht stehen und wieder normal gehen konnte.

Nachdem sie eine Weile gelaufen waren, öffnete sich der schmale Gang und führte in ein Gewölbe, von dem mehrere Höhlen und Gänge abzweigten. Kleine Türen in den Wänden wiesen auf weitere dahinter liegende Räume hin.

»Bitte schön, hier ziehen wir uns die schlammigen Stiefel aus«, sagte der erste Erdmuffel.

»Bitte recht sehr«, sagte der Zweite.

»Bitte die Füße zu säubern«, forderte die Dritte sie auf.

»Bitte Pantoffeln anziehen«, befahl der Vierte.

Auch die Erdmuffel waren schon dabei, ihre Stiefel auszuziehen. Lale streifte Kalle den Pulswärmer ab, damit er wieder herumfliegen konnte, und tat es dann den Erdmuffeln gleich. Sie war froh, aus den festen Stiefeln herauszukommen. Weniger froh war sie allerdings, als ein fünftes Erdmuffelchen, das plötzlich neben ihr stand, sich ihre Stiefel schnappte und damit durch eine winzige Tür in ein angrenzendes Zimmer verschwand. Die Tür war so niedrig, dass Lale nicht hindurchgepasst hätte. Wo wollte der Kerl mit ihren Stiefeln hin?

»Das war das Stiefelputzererdmuffelchen«, klärte der erste Muffel sie auf.

»Genau«, meinte der Zweite.

»Das putzt deine Stiefel hübsch sauber«, versprach die Erdmuffelin.

Lale seufzte. Jetzt würde sicher auch der Vierte noch etwas zur Unterhaltung beisteuern wollen. Und genau so war es.

»Genau«, sagte der vierte Erdmuffel.

»Müsst ihr immer alle der Reihe nach etwas sagen?«, fragte Lale. »Kann nicht einmal einer allein sprechen? Macht ihr auch mal was getrennt voneinander?«

»Wir halten immer zusammen«, sagte der erste Erdmuffel.

»Genau«, sagte der Zweite.

»Wir trennen uns nie«, sagte die Dritte.

»Das ist am besten so«, behauptete der Vierte.

»Schön, dass du mit deinem Vogel nun bei uns bleibst«, sagte der Erste.

»Genau«, sagte der Zweite.

Als die Dritte den Mund aufmachte, hörte Lale nicht hin. Sie war einfach weitergegangen, denn sie war neugierig, was im angrenzenden Raum auf sie wartete.

In dem großen Saal standen mehrere lange Holztische mit Bänken davor. Auf den Tischen war für sechzig, siebzig Leute zum Abendessen gedeckt. Da standen Schüsseln mit Wirsingkohl und Möhrengemüse und Schalen mit Kartoffelbrei und Zwiebelringen darauf. Neben den Tellern und Bechern aus Zinn standen Schälchen mit Schokoladenpudding. In den Karaffen war, der Farbe nach zu urteilen, trüber Apfelsaft. Es roch kräftig und deftig-

Kalle schien genauso hungrig wie Lale zu sein. Ohne auf eine Einladung zu warten, flog er zu der Schüssel mit dem Kartoffelbrei hinüber.

»Erst die Hände waschen«, hörte Lale den ersten Erdmuffel neben sich sagen.

Er war ihr nachgelaufen und zupfte sie ungeduldig am Ärmel.

»Genau«, pflichtete der Zweite ihm bei, der dem Ersten dicht auf den Fersen folgte.

Lale seufzte. Zum Glück hielt die Erdmuffelin den Mund. Hatte sie vielleicht etwas schneller als die anderen begriffen, dass Lale das ständige Wiederholen und das Alle-Reden-Der-Reihe-Nach allmählich auf die Nerven ging?

»Ich hab verstanden, Hände waschen«, sagte Lale. »Aber lasst mich los. Ihr reißt mir ja noch den Ärmel entzwei.«

Offenbar hielten sich die Erdmuffel mit großer Begeisterung an die Regeln, die irgendjemand für sie aufgestellt hatte. Oder hatten sie das etwa alles selbst so bestimmt?

Beim Abendessen wurden Lale und Kalle dem König und der Königin der Erdmuffel vorgestellt.

»Ein neuer Gast, wie schön!«, rief der König begeistert. »Willkommen in unserem bescheidenen Schloss!«

»Genau!«, rief die Königin.

Lale lief ein Schauder über den Rücken. Fiel denn nicht einmal der Königin ein eigener Satz ein, den sie sprechen konnte? Immerhin, einen kleinen Satz fügte die Königin doch noch aus freien Stücken hinzu.

»Herzlich willkommen, du hübsches Kind«, sagte sie geziert.

»Es ist sehr nett, dass ich heute Nacht hier schlafen kann«, bedankte sich Lale. »Morgen früh muss ich dann weiterfahren.«

»Papperlapapp«, sagte der Erdmuffelkönig.

»Was für eine komische Idee«, kicherte die Königin.

Auch die anderen Erdmuffel im Saal lachten, wenngleich leicht gedämpft.

Lale hatte keine Lust, ihre Pläne mit diesen kleinen Wichten zu diskutieren. Das brachte ja nichts. Morgen früh würde sie weitersehen.

»Ihr habt mir noch gar nicht gesagt, wie ihr heißt«, lenkte sie stattdessen ab.

»Wie wir heißen?«, fragte der Erdmuffelkönig erstaunt.

»Heißen?«, wiederholte die Königin.

»Ja«, sagte Lale. »Ich meine eure Namen. König Sowieso der Soundsovielte und Königin – nun?«

»Namen!«, rief der Erdmuffelkönig und klatschte amüsiert in die Hände.

»Namen brauchen wir nicht«, erklärte die Königin.

»Wofür sollten Namen wohl gut sein?«, ereiferte sich der König.

»Namen! Igitt!«, Die Erdmuffelkönigin schüttelte sich.

Im Saal war angewidertes Geraune und Gewisper zu vernehmen.

»Nun«, überlegte Lale. »Namen sind gut, um Leute auseinander zu halten. Um sich zu unterscheiden.«

»Warum sollten wir uns unterscheiden wollen?«, fragte der Erdmuffelkönig.

»Wen sollten wir denn auseinander halten?«, fragte die Königin.

»Wir wollen uns gar nicht unterscheiden«, sagte ein Erdmuffelchen.

»Nein, wir sind ja alle gleich«, lachte ein anderes.

»Haargenau!«, rief der Rest.

Lale schüttelte den Kopf. Aber sie war zu müde, um sich auf einen Streit einzulassen. »Das war ein leckeres Essen«, lobte sie.

Dann gähnte sie laut und vernehmlich.

»Es ist ungesund, unterwegs zu sein«, sagte der Erdmuffelkönig.

»Es macht zu hungrig und müde«, sagte die Königin.

»Wir bringen dich und deinen Freund zu eurem Nachtlager«, riefen zwei, drei Erdmuffelfrauen, die in der Nähe saßen.

Lale nickte. Sie hielt Kalle den Zeigefinger hin, damit er darauf klettern konnte. Erst einmal ausschlafen, dachte sie bei sich. Die Erdmuffel schienen ja durchaus freundlich gesonnen zu sein. Solange man nicht fortgehen wollte. Sie würden ihr während der Nacht sicherlich nichts Böses tun. Morgen früh müsste sie allerdings sehen, wie sie von hier fortkam. Denn dass Kalle und sie nicht für den Rest ihres Lebens im Erdmuffelschloss bleiben wollten, war ja klar.

Erst einmal folgte sie den Erdmuffelfrauen. Am Ende eines hinten aus dem Saal hinausführenden Ganges gingen ein paar Räume ab. Einer davon sollte Lales Schlafkämmerchen sein.

Die Kammer machte einen sehr gemütlichen Eindruck. Da stand ein Bett für Lale und es war sogar für ein Vogelbauer gesorgt worden. Die Bettdecke und das Tuch für den Vogelkäfig waren rotweißkariert. Auf einem Tisch stand ein Tablett mit einem Becher Kakao und einem Kuchenteller. Und ein Bücherregal gab es auch. Ein Waschbecken. Ein Haken mit einem erdfarbenen Bademantel. Und oben auf dem Bett lag ein Schlafanzug. Es war an alles gedacht.

Sobald die Erdmuffelfrauen sich verabschiedet hatten, deckte Lale ihren Freund Kalle für die Nacht zu. Dann schlüpfte sie in den bereitgelegten Schlafanzug, putzte sich die Zähne und kuschelte sich in ihr gemütliches, rotweißkariertes Bett. Und bald schon schlief Lale tief und fest, genauso wie die siebenundsechzig Erdmuffel im Schlafsaal nebenan. Bis auf den König und die Königin sowie die königliche Leibwache schliefen sie alle im selben Raum. Hätte jemand gelauscht, hätte man sie der Reihe nach schnarchen hören. Aber es lauschte niemand. Und Lale war viel zu müde dazu.

8. Kapitel

in dem die Erdmuffel Lale nicht
gehen lassen wollen

Als Lale am nächsten Morgen erwachte, hörte sie aus den anderen Zimmern und Kammern des Erdschlosses schon eifriges Geklipper und Geklapper. Zu dumm, sie hatte verschlafen! Und je später sie loskam, desto später würde sie den Berg des Abschieds erreichen.

Aber Lale hatte ihren Plan ohne die Erdmuffel gemacht. Denn die meinten es tatsächlich ernst und wollten sie nicht loslassen.

»Das hier ist der Acker des Bleibens«, sagte der Erdmuffelkönig beim Frühstück. »Das habe ich dir doch schon gestern Abend erklärt. Hier geht man nicht wieder fort.«

»Genau«, pflichtete die Erdmuffelkönigin ihm bei. »Wir bleiben ja schließlich auch hier, ohne uns zu beschweren.«

Langsam gingen diese Erdmuffel Lale auf die Nerven. Alle hatten sie die gleiche Haut- und Haarfarbe von modderigem Beige. Alle waren sie gleich gekleidet in die gleichen grünen Hosen und Jacken. Sogar König und Königin trugen das Gleiche wie alle anderen. Nun ja, wenigstens hatten sie auf ihre Jägerhütchen beide noch ein goldenes Krönchen gesetzt. Sonst hätte man sie überhaupt nicht von ihren Untertanen unterscheiden können.

Nein, dachte Lale, wenn sie ehrlich war, waren ihr die Erdmuffel entschieden unsympathisch. Vor allem König und Königin, wie sie da so behäbig und zufrieden vor ihr saßen und die Hände über den Bäuchen gefaltet hielten. Da konnten sie noch so leckeres Essen auftischen und ihr ein noch so gemütliches Schlafstübchen anbieten. Hier wollte sie nicht freiwillig bleiben. Geschweige denn gezwungenermaßen.

»Ich habe entschieden etwas anderes vor«, sagte Lale.

Sie stand vom Frühstückstisch auf und ging in ihr Zimmer, um ihre Siebensachen zusammenzupacken. Jetzt musste sie nur noch sehen, wie sie an ihre Stiefel herankam. Denn barfuß wollte sie natürlich nicht durch die Matsche laufen.

Im Eingangsgewölbe, in dem sie gestern ihre Stiefel ausgezogen hatte, herrschte lebhaftes Gewusel. Einige Erdmuffel kamen gerade von einem Spaziergang zurück. In den Händen trugen sie große, blecherne Gießkannen. Andere waren im Aufbruch begriffen. Auch sie hatten Gießkannen bei sich, aus denen heißer Dampf herausquoll.

Was die Erdmuffel damit wohl wollten? Der Boden war doch gestern Abend wirklich nass genug gewesen. Da musste man doch nicht noch extra gießen? Und überhaupt, es wuchsen zurzeit ja gar keine Blumen, die gegossen werden mussten. Und noch dazu mit heißem Wasser?

Ein schrecklicher Verdacht stieg in Lale auf. Sorgten die Erdmuffel etwa selbst für die Matsche auf ihrem Acker? Brachten sie den Schnee zum Schmelzen, indem sie heißes Wasser darauf gossen? Und wollten sie auf diese Weise harmlose Wanderer festhalten und zum Hierbleiben zwingen?

Lale klapperte an der kleinen Tür, durch die das Stiefelputzererdmuffelchen gestern Abend mit ihren schmutzigen Stiefeln verschwunden war.

»He! Hallo! Ist da jemand?«, rief sie.

Aber niemand antwortete ihr. Sie bückte sich, um besser durch die niedrige Tür blicken zu können. Der Stiefelputzraum war leer. Aber da hinten an der gegenüberliegenden Wand sah sie ihre Stiefel stehen, blitzblank geputzt. Leider waren sie zu weit von der Tür entfernt abgestellt. So sehr Lale sich auch reckte und die Arme ausstreckte, sie kam nicht daran. Mist!

»Kann mir mal jemand meine Stiefel holen?«, rief Lale.

»Das dürfen wir nicht«, sagte ein Erdmuffel in ihrer Nähe. Er war auf ihren Rucksack gesprungen und turnte darauf herum.

»Genau!«, sagte ein anderer, der sich am Tragriemen ihres Rucksacks hochhangelte.

»Der König hat es verboten«, erklärte ein Dritter.

Auch er hatte sich auf ihrem Rucksack breit gemacht.

»Genau«, sagte noch einer.

Er war gerade dabei, Lales Tasche, in der die Strickleiter lag, zu erobern.

»Denn du sollst heute überhaupt gar nicht ausgehen«, sagte der Erste, während er auf ihrem Rucksack herumhopste.

Und die anderen riefen wieder »Genau!«, und der Erste fügte noch hinzu:

»Die Stiefel kriegst du erst wieder, wenn du freiwillig bleibst.«

»Und auch dann erst nach drei Monaten«, lachten die anderen.

Lale seufzte. Sie schnappte sich ihre Tasche und schubste den Erdmuffel, der gerade hineinklettern wollte, unsanft herunter. Sie schüttelte auch die anderen frechen Erdmuffel von ihrem Rucksack ab und ging in ihr Gästezimmer zurück.

»Vielleicht ist es das Beste, erst einmal so zu tun, als würden wir bleiben«, sagte sie zu Kalle.

Sie mussten die Erdmuffel in Sicherheit wiegen. Und bei nächster Gelegenheit, wenn die dummen kleinen Kerle nicht mehr daran dachten, dann würden sie sich hier vom Acker machen. Aus dem Staub. Beziehungsweise aus der Matsche. Und in Zukunft würde Lale einen großen Bogen um diese Gegend machen.

Aber noch war ihnen die Flucht nicht gelungen.

9. Kapitel

in dem Lale Kartoffelgolf spielt und hinter das
Geheimnis des Erdmuffelkönigs kommt

Lale merkte bald, dass die Erdmuffel keine besonders misstrauischen Wesen waren. Sie fanden ihr Leben im Erdschloss so schön, dass sie ihr sofort glaubten, als sie ihnen mitteilte, sie hätte sich das mit dem Weggehen anders überlegt. Keiner schien es für möglich zu halten, dass ihr Gast ihnen etwas vorschwindelte.

»Siehst du wohl!«, rief der Erdmuffelkönig. »Wir haben es doch gleich gewusst! Bei uns ist es nun einmal am schönsten!«

»Genau«, bestätigte die Erdmuffelkönigin.

»Heute Nachmittag spielen wir Kartoffelgolf«, sagte der Erdmuffelkönig. »Sobald die Bewässerer von ihrer Arbeit zurückgekehrt sind.«

»Also gleich nach dem Mittagessen«, freute sich die Erdmuffelkönigin. »Wird das ein Spaß!«

»Genau!«, hörte Lale sich sagen.

Bis zum Mittagessen hatte sie also frei. Die Zeit nutzte sie, um sich in ihrem Stübchen mit Kalle zu beraten. Sie überlegte mit ihm, wie sie ihre Stiefel zurückbekommen konnte. Ohne Schuhe konnte sie ja nicht von hier fortgehen. Zu dumm, dass sie kein Ersatzpaar eingepackt hatte.

Lale selbst war zu groß und passte nicht durch die Tür zum Schuhkämmerchen. Aber Kalle müsste es schaffen. Seine Aufgabe für den Nachmittag sollte es deshalb sein, sich in die Schuhkammer zu schleichen. Vielleicht könnte Kalle das Stiefelputzererdmuffelchen ablenken und Lales Stiefel unbemerkt etwas mehr in die Nähe der Tür schieben? Dazu reichten seine Kräfte vielleicht aus. Leider waren die Stiefel zu schwer, als dass der kleine Wellensittich sie den ganzen Weg zu Lales Zimmer hätte schleppen können.

Wichtig war, dass Lale bei ihrer Flucht ihre Stiefel mit einem schnellen Griff würde packen können. Denn im Eingangsgewölbe war entschieden zu viel Betrieb. Dort war es gefährlich. Da dürfte sie sich auf keinen Fall länger als irgend nötig aufhalten. Es würde den Erdmuffeln sonst zu schnell auffallen, dass sie sich wieder auf den Weg machen wollte. Deshalb musste Lale auch herausfinden, welches die beste Zeit für ihre Flucht wäre. Vielleicht in der Nacht, wenn alle Erdmuffel schliefen? Ob da ein Nachtwächtermuffel vor dem Eingang Wache hielt? Oder war das Tor abgeschlossen? Das wollte sie möglichst unauffällig in Erfahrung bringen.

Zum Mittagessen gab es Linsensuppe, leider ohne Würstchen. Aber Hauptsache, es gab überhaupt irgendwas, dachte Lale. Brav aß sie ihren Teller leer, an ihr sollte es nicht liegen, wenn morgen schlechtes Wetter wäre.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960531357
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Mai)
Schlagworte
eBooks ab 10 Jahren Abenteuer Fantasy Maedchen Heldin Geheimnis Raetsel Abenteuerreise Astrid Lindgren
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Titel: Lale und der goldene Brief
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