Lade Inhalt...

SOS - Schwestern für alle Fälle - Band 5: Prinzen, Popstars, Wohnheimpartys

Roman

©2016 138 Seiten

Zusammenfassung

Staralarm im Krankenhaus! Der Jugendroman „Prinzen, Popstars, Wohnheimpartys“ von Erfolgsautorin Beatrix Mannel jetzt als eBook bei jumpbooks.

Kreisch! Lernschwester Lilly traut ihren Augen kaum: Eine ganze Horde quietschender Mädchen belagert den Krankenhausflur. Der Grund? Popstar Jimmy, der ausgerechnet auf Lillys Station liegt. Dabei kann sie mit dem Teenie-Idol und seinen schnulzigen Liedern absolut nichts anfangen. Wobei, so aus der Nähe betrachtet, ist er ja eigentlich schon ganz schnuckelig … Aber da gibt es ja auch noch Lillys Schwarm Rufus und ihren Mitbewohner Jonas, der neuerdings auffallend viel Interesse an ihr hat. Was werden die wohl zu Lillys neuem Lieblingspatienten sagen?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: „S.O.S. – Schwestern für alle Fälle. Prinzen, Popstars, Wohnheimpartys“, der fünfte Band der Jugendbuchserie für Leserinnen ab 12 Jahren von Beatrix Mannel. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Kreisch! Lernschwester Lilly traut ihren Augen kaum: Eine ganze Horde quietschender Mädchen belagert den Krankenhausflur. Der Grund? Popstar Jimmy, der ausgerechnet auf Lillys Station liegt. Dabei kann sie mit dem Teenie-Idol und seinen schnulzigen Liedern absolut nichts anfangen. Wobei, so aus der Nähe betrachtet, ist er ja eigentlich schon ganz schnuckelig … Aber da gibt es ja auch noch Lillys Schwarm Rufus und ihren Mitbewohner Jonas, der neuerdings auffallend viel Interesse an ihr hat. Was werden die wohl zu Lillys neuem Lieblingspatienten sagen?

Über die Autorin:

Beatrix Mannel studierte Theater- und Literaturwissenschaften in Erlangen, Perugia und München und arbeitete dann zehn Jahre als Redakteurin beim Fernsehen. Danach begann sie – auch unter ihrem Pseudonym Beatrix Gurian – Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu schreiben, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Für ihre aufwändigen Recherchen reist sie um die ganze Welt. Außerdem gründete sie gemeinsam mit einer Kollegin 2015 die Münchner Schreibakademie.

Zur Reihe S.O.S – Schwestern für alle Fälle gehören die folgenden Bände:

Willkommen in der Chaos-Klinik
Ein Oberarzt macht Zicken
Flunkern, Flirt und Liebesfieber
Rettender Engel hilflos verliebt
Prinzen, Popstars, Wohnheimpartys

Mehr Informationen auch auf der Website der Autorin: www.beatrix-mannel.de

www.münchner-schreibakademie.de/

***

eBook-Neuausgabe Juni 2016

Dieses Buch erschien bereits 2005 unter dem Titel Help! Die Krankenhausserie. Prinzen, Popstars, Wohnheimpartys bei Loewe Verlag GmbH, Bindlach

Copyright © der Originalausgabe 2005 Loewe Verlag GmbH, Bindlach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

Titelbildabbildung: ©Minerva Studio - Fotolia.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-136-4

***

Damit der Lesespaß sofort weitergeht, empfehlen wir dir gern weitere Bücher aus unserem Programm. Schick einfach eine eMail mit dem Stichwort S.O.S. – Schwestern für alle Fälle an: lesetipp@jumpbooks.de

Gerne informieren wir dich über unsere aktuellen Neuerscheinungen – melde dich einfach für unseren Newsletter an: www.jumpbooks.de/newsletter.html

Besuch uns im Internet:

www.jumpbooks.de

www.facebook.com/jumpbooks

twitter.com/jumpbooksverlag

www.youtube.com/jumpbooks

Beatrix Mannel

S.O.S. – Schwestern für alle Fälle
Prinzen, Popstars, Wohnheimpartys

Roman

jumpbooks

Feierlaune

Ich bohre meine Füße in den feinkörnigen Sand und schaukle in dem blau-weiß gestreiften Liegestuhl sanft hin und her. Dann schiele ich über den Rand meiner rosa Sonnenbrille zu Mascha hinüber. »Endlich frei!«, erkläre ich mit einem Seufzer, als wäre ich nach zehn Jahren Einzelhaft aus dem Gefängnis entlassen worden.

Mascha gibt auf meine theatralische Einschätzung der Lage nur ein unbestimmtes »Hmm« von sich und saugt mit ihrem Strohhalm unter schnorchelndem Geblubber den letzten Schluck Eiskaffee aus dem Glas.

Ich betrachte wieder den träge dahinfließenden Main. Wenn ich die Augen ein bisschen zusammenkneife und mich nur auf die glitzernden Sonnenreflexe auf der Wasseroberfläche konzentriere, ist es beinahe wirklich so, als würden wir am Strand einer karibischen Insel liegen. Um uns herum sind nämlich jede Menge künstliche Palmen und Berge von goldgelbem Sand.

»Daran könnte ich mich gewöhnen!«, sagt Mascha und wippt mit ihren türkisfarbig lackierten Zehen im Takt der fröhlichen Surfmusik, die hier in der Blauen Lagune zusammen mit dem sanften Meeresrauschen vom Band abgespielt wird.

Sie winkt dem schlaksigen Kellner, der wie immer, wenn Mascha ihm Zeichen gibt, sofort herangestürzt kommt, um zu fragen, was er für die bella signorina denn tun könne.

»Ein Wasser, bitte!« Kaum ist der Kellner verschwunden, dreht sich Mascha grinsend wieder zu mir um. »Ich hätte eine Ganzkörpermassage bestellen sollen. Glaubst du, dass er die auch gebracht hätte?«

»Bestimmt!«

Der Kellner findet Mascha und vor allem ihre vollen Kurven so hinreißend, dass er immer völlig verwirrt ist, wenn er in ihre Nähe kommt. Gegen meinen Bohnenstangencharme ist er dagegen immun. Ich glaube, ich werde in der Blauen Lagune, der schicksten Strandbar Frankfurts, nur deshalb bedient, weil ich mit Mascha zusammen hier bin.

Doch das ist mir reichlich egal. Schließlich gibt es jede Menge Gründe zum Feiern. Erstens liegt ein lernintensiver, langweiliger Unterrichtsblock endlich hinter uns. Wir haben vier Pflegefachgebiete durchgearbeitet, die sich mit den verschiedenen Lebensaltern beschäftigen: Neugeborene, Kinder, Erwachsene und alte Menschen. Mann, war das anstrengend, aber ich habe diesmal alle Prüfungen geschafft, eine sogar mit Note zwei minus! Zweitens erleben wir heute den bislang wärmsten Tag dieses Jahres. Es sind 25 Grad – und das mitten im April. Drittens bin ich endlich vom Dienst auf der Traumatologie befreit. Schwester Jasmin muss sich eine andere Putzsklavin suchen.

Denn morgen fangen Mascha und ich einmal wieder zusammen unseren Dienst in der Notaufnahme der Nordendklinik an.

Aber das Schönste von allem: Heute Abend werde ich Rufus wiedersehen. Jedes Mal, wenn ich mit ihm zusammen bin, dann verwandelt sich mein Herz in einen prall gefüllten Luftballon, der unaufhaltsam dem Himmel entgegenschwebt. Und nur die Tatsache, dass er verheiratet ist, kann diesem Luftballon manchmal einen kleinen Piks versetzen und mein Herz auf die Erde zurückfallen lassen. Rufus hat sich ganz schön rar gemacht in den letzten Wochen. Angeblich wollte er mich bei den Prüfungen nicht stören, aber ich glaube, er hatte Angst. Weil ich ihm die Pistole auf die Brust gesetzt habe und wissen wollte, was ich ihm bedeute. Und weil er mit seinen 22 Jahren schon verheiratet ist, war das für ihn bestimmt nicht einfach.

Doch ich habe dieses Zum-Himmel-Schweben und Abstürzen einfach nicht mehr ausgehalten.

Als er endlich am Tag nach den Prüfungen angerufen hat, um sich mit mir zu verabreden, war ich so glücklich, seine Stimme zu hören, dass er es geschafft hat, mich zu etwas zu überreden, was ich eigentlich hasse: Tango tanzen!

Dazu musste er nur ein paar wunderbar schmeichelhafte Sachen sagen, und schon bin ich dahingeschmolzen. »Lilly, ich bin mir sicher, du tanzt wunderbar, du bist so geschmeidig ... Ich und geschmeidig! Ha, da hätte er mal meine Gymnastiklehrerin fragen sollen. Wenn früher alle anderen mit den Händen auf den Boden kamen, waren meine gerade mal an den Knien. Und ich habe keine Ahnung, ob das an meiner elend langen Statur liegt, oder ob ich einfach nur stocksteif bin.

Geschmeidig ... und das von Rufus, der sich als Krankengymnast schließlich mit Körpern auskennt. Wer würde sich davon nicht um den Finger wickeln lassen? Hmm, wenn ich so darüber nachdenke, falle ich immer auf die Komplimente herein, die eigentlich überhaupt nicht zu mir passen. »Mascha, was ist das schönste Kompliment, das dir ein Junge machen kann?«

Der Kellner bringt Maschas Bestellung und parkt sie auf dem kleinen wackligen Tischchen neben dem Liegestuhl. Ich würde wetten, dass er das Wasser am liebsten auf Maschas Busen gießen würde. Die veranstalten hier nämlich auch Wet-T-Shirt-Contests. So was gehört angeblich zum Strandfeeling.

Mascha dankt dem Keller huldvoll, nimmt unter seinen sehnsüchtigen Augen einen Schluck und nickt ihm dann lässig zu.

Widerstrebend stampft er durch den Sand zurück zur Bar.

»Hmm«, überlegt Mascha, »keine Ahnung, das schönste Kompliment ... vielleicht, dass ich so kreativ bin?«

»Was, du und kreativ?«, sage ich, nur um sie zum Widerspruch zu reizen und endlich ein Gespräch in Gang zu bringen. Denn Mascha hat wirklich viele originelle Ideen. Ihr Zimmer sieht als einziges in unserem Wohnheim nicht wie eine Gefängniszelle aus, sondern wie ein Haremspalast aus Tausendundeiner Nacht. Außerdem ist Mascha eine Näh-Künstlerin.

Doch sie ist immer noch nicht in Redelaune und grinst mich friedfertig an. »Genau. Du hast es erkannt, ich bin total unkreativ.«

»Du bist langweilig!«

»Gut, also langweilig und unkreativ.«

»Mann, Mascha, mir ist langweilig!«

Mascha setzt sich auf. »Wie du willst, dann reden wir doch lieber mal von dir und Rufus und heute Abend. Was ziehst du an?«

»Einen schwarzen engen Rock mit Schlitz und das rote Bolerotop«, rattere ich runter, denn das hat sie mich schon fünfmal gefragt. Wahrscheinlich um von mir nochmal dafür gelobt zu werden, dass sie mir dieses Outfit genäht hat. Nur um sicher zu gehen, dass ich das Richtige trage. Ich wäre nämlich sonst in Jeans hingegangen. Ist das nicht lieb von ihr? Mir für das wichtigste Rendezvous meines Lebens etwas zu nähen, indem ich zumindest so aussehe, als könnte ich Tango von Walzer unterscheiden! Ich wusste nicht mal, was ein Bolerotop ist, bis Mascha es mir erklärt hat: Es handelt sich um ein kurzes Jäckchen, das gerade nur bis über den Busen geht und lange Zipfel hat, die man dann auf der Brust verknotet.

»Und wie verhältst du dich Rufus gegenüber?«, fragt sie mich ab, wie meine frühere Englischlehrerin die Vokabeln.

»Ich werfe mich in seine Arme und flüstere pikante Schweinereien in sein Ohr.« Das ist nicht die richtige Antwort. Mascha hat mir nämlich Vorträge darüber gehalten, was genau ich tun soll.

Prompt nimmt sie ihre Sonnenbrille ab und starrt mich an. »Lilly, du wirst es doch nicht wieder versauen, indem du die Initiative übernimmst?«

Ich sage nichts und schaue nur mit zusammengekniffenen Augen auf das funkelnde Wasser des Mains.

»Lilly, versprich mir, dass du dich zurückhältst. Heute Abend machst du gar nichts, du gehst auf Distanz. Wenn einer verheiratet ist, dann braucht er bestimmt nicht noch eine Klette.« Mascha lässt sich wieder zurück in den Liegestuhl fallen.

Ich werfe ihr eine Hand voll Sand auf die Zehen. Mascha kennt Rufus kaum, sonst wüsste sie, dass seine Frau Rita wirklich keine Ähnlichkeit mit einer Klette, sondern eher mit einem Zugvogel hat.

Trotzdem hält Mascha sich für die große Männerexpertin. Dabei bleibt keiner ihrer Freunde länger als zwei Monate. Mal sehen, wie lange es Toby noch aushält, der hat seine Halbwertszeit eigentlich schon vor einer Woche überschritten. Doch bevor ich das loswerden kann, dringt eine bekannte Stimme an meine Ohren.

»Na, Mädels, was geht so ab?« Unser Wohnheimmitbewohner Jonas taucht zwischen unseren Liegestühlen auf. Ich unterdrücke ein Stöhnen, neuerdings imitiert Jonas Rap-Gangster, um lässiger zu wirken. Das »Hey, Mann, ey boah ey« haben wir ihm schon wieder abgewöhnt.

»Was macht ein Typ wie du eigentlich hier?« Mascha klingt, als hätte sie Jonas gerade auf der Damentoilette erwischt.

»Eva hat mir verraten, wo ich euch finde. Nett, die Blaue Lagune!« Er schaut sich anerkennend um und schnippt an die Palmwedel der Papierpalmen, sodass sie rascheln. »Ich wollte euch fragen, was ihr heute Abend vorhabt.« Dabei fixiert er mich intensiv.

Mascha zuckt mit den Schultern, was ihre nackten Arme in dem selbst gehäkelten Lochmuster-Top hübsch zur Geltung bringt. Aber auf Jonas hat das offensichtlich nicht die gleiche Wirkung wie auf den Kellner. »Ich treffe mich mit Toby. Lilly geht tanzen, und die anderen drei ...«, setzt sie an und tippt sich leicht an die Stirn.

Jonas und ich grinsen, und dann leiern wir alle zusammen: »Die haben Karten für Jimmy Timberman, den tollsten Popstar aller Zeiten!«

Der Kellner kommt und fragt Jonas sichtlich schlecht gelaunt, was er möchte. Jonas bestellt auch einen Eiskaffee und zieht sich einen Liegestuhl heran.

»Lilly, dann komme ich mit dir mit!«, sagt er und lässt sich in den Liegestuhl fallen.

Leider hat er nicht nachgeschaut, ob die Verankerung hinten richtig fest ist, weshalb die Lehne schlagartig nach hinten klappt und Jonas mit dem Liegestuhl auf dem Sand zusammenkracht. Ja, ich weiß, das ist nicht lustig, aber trotzdem brechen Mascha und ich in Gelächter aus.

»Gelump!«, schimpft Jonas, als er sich hochrappelt, muss dann aber auch lachen. Diesmal kontrolliert er, ob alles richtig fest ist, und setzt sich vorsichtig wie ein Rheumatiker in den Stuhl. »Also, Lilly, wo soll's denn hingehen? Flughafendisco?«, fragt er.

Ich bin erstaunt, dass er überhaupt eine Disco kennt, früher war er immer als Erster im Bett, und zwar allein, nur mit einem Algentrunk und irgendwelchen Radfahrer-Magazinen bewaffnet. Sehr merkwürdig.

»Lilly geht mit Rufus Tango tanzen!«, erklärt Mascha.

»Tango? Das ist doch was für alte Knacker! Lilly, eine Frau wie du braucht Sex und Rock 'n' Roll!« Jonas springt auf und versucht einen Hüftschwung zu der Musik aus den Lautsprechern, was gar nicht schlecht aussieht. Es ist nur so ungewohnt. Jonas und Hüftschwung!

»Tango ist nicht nur für Ältere. Tango, das ist zeitlose Leidenschaft und Erotik!«, verteidige ich unsere Pläne und merke, dass ich rot werde. Der Spruch könnte aus einem Tanzschul-Prospekt stammen.

Jonas springt aus dem Liegestuhl auf, reißt einen Wedel von der Papierpalme, klemmt ihn sich zwischen die Lippen, geht in die Knie, streckt seine Arme aus und tut so, als würde er eine Frau führen. Dabei zuckt er ruckartig mit dem Kopf hin und her wie eine kaputte Schaufensterpuppe und nuschelt: »Dadadadadadaa, da, da, da.«

Mascha lacht. Der Kellner eilt herbei und findet das nicht komisch. Er verlangt, dass Jonas sofort damit aufhört. Und von den Palmen darf man nichts abreißen!

Jonas setzt sich wieder hin. »Und warum kann ich nicht mit?«

»Noch nie was von einem Rendezvous gehört?«, fragt Mascha immer noch ganz außer Atem vom Lachen.

»Ich kapier das nicht, was willst du denn von dem?« Jonas schüttelt den Kopf. Langsam fängt er an, mich zu ärgern.

»Das geht dich nichts an!«

»Dann sagt mir doch mal, was hat er, das ich nicht habe?«

Mascha und ich schauen uns an.

»Vieles!«, sagen wir gleichzeitig und sind uns ausnahmsweise mal einig.

»Und was zum Beispiel?«

Na bitte, das kann er haben. »Erstens: Er ernährt sich wie ein Mensch und nicht wie eine Amöbe! Zweitens: Er sieht gut aus!«

»Dieser mickrige Typ? Wollt ihr mich auf den Arm nehmen?«

Ich habe keine Lust, ihm zu erzählen, was in meinem Körper passiert, allein wenn ich Rufus' Stachelbeer-Augen anschaue, geschweige denn, was es auslöst, wenn Rufus mich anfasst ...

Aber Mascha ist auf den Geschmack gekommen. »Rufus kann 50 Liegestütze, das schaffst du nie!«, sagt sie und zwinkert mir zu.

»Pah, das mach ich vorm Frühstück!« Jonas springt wieder aus dem Stuhl auf und legt sich in den Sand. Mascha zählt mit, und Jonas macht Liegestütze, bis er rot und völlig außer Atem bei 50 aufhört.

»Ist das alles?«, keucht er.

Mascha schüttelt ihre Engelslocken. »Ich glaube, er kann auch auf einem Bein stehen.«

»Pah!«, Jonas stellt sich auf ein Bein. »Und?«

Ich merke, dass Mascha große Mühe hat, ernst zu bleiben. »Na ja«, sagt sie, »dann fasst er sich mit der rechten Hand ans linke Ohrläppchen und mit der linken an den Bauchnabel, oder war das umgekehrt, Lilly?«

Jonas macht das sofort und sieht mit seinem roten Kopf aus wie ein sterbender Flamingo. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Also ehrlich, Mascha, das sieht bei Jonas beinahe besser aus als bei Rufus!« Mascha setzt noch eins drauf. »Und dann singt er den aktuellen Song von Jimmy Timberman fehlerfrei: Love is water on a flashlight ...«

Sie summt ein paar Takte. Und da geht Jonas endlich ein Licht auf.

Er schnappt sich Mascha und wirft sie in den Sand. »Sag sofort, dass es dir Leid tut! Du, du ... Miststück!«

In Windeseile kommt der Kellner angerannt und schreit Jonas an, was ihm einfiele. Solche Übergriffe auf Gäste gäbe es in seiner Bar nicht. Jonas beeilt sich, Mascha wieder freizugeben, klopft ihr den Sand ab – das hätte der Kellner auch gern übernommen – und entschuldigt sich sofort.

Jonas tut mir Leid, schließlich haben wir ihn provoziert. Deshalb versuche ich, den Kellner abzulenken, und werfe ihm einen sexy-versöhnlichen Blick zu, um ihn wieder gnädiger zu stimmen. Aber irgendetwas mache ich falsch, denn er reagiert überhaupt nicht.

Dann haucht ihm Mascha ein Küsschen durch die Luft zu und murmelt ein Danke. Das sorgt für ein strahlendes Lächeln bei ihm. Wie macht sie das nur?

Hoffentlich passiert es mir heute Abend nicht, dass ich Rufus einen – wie ich glaube – verführerischen Blick zuwerfe und er denkt, ich habe Verdauungsprobleme. Sollte ich das vor dem Spiegel üben?

Nein. Ich werde ganz ich selbst sein.

Oh Mann, ich höre mich schon wie eine Briefkastenkummertante an: So sein, wie man ist! Lachhaft! Wahrscheinlich bin ich ganz besonders ich selbst, wenn ich seine Füße malträtiere ... Geschmeidig, Lilly, denk dich einfach geschmeidig, dann klappt's bestimmt auch mit dem Tango!

Tango Mortale

Auf dem Weg zum Tango Mortale wünsche ich mir einen Zauberstab, nur um sicherzugehen, dass dieser Abend so verläuft, wie ich es gern hätte: Rufus und ich wirbeln über die Tanzfläche, sodass alle anderen bewundernd zurückweichen, um diesen atemberaubenden Anblick von Grazie und Stil besser genießen zu können. Wenn die Musik endet, klatscht das Publikum und johlt vor Begeisterung, doch wir bemerken es nicht, denn wir verschlingen uns mit den Augen und müssen sofort nach Hause, um uns endlich zu lieben ...

Das Tango Mortale entpuppt sich als ziemlich verrauchtes Kellerlokal, mit einer eher kleinen Tanzfläche, die spiegelglatt aussieht. Abgegrenzt wird die Tanzfläche durch hohe Bistrotische, an denen die Paare stehen, die gerade pausieren oder einfach nur zuschauen möchten und an ihren Getränken nippen.

Lachen scheint hier nicht erwünscht zu sein. Alle wirken so ernst, als würde eine Beerdigung anstehen. Dazu passt auch, dass die meisten ganz schwarz gekleidet sind. Die Männer tragen Anzüge und Hemden, die Frauen Röcke und Blusen oder hautenge Cache-Cœurs. Ich bin froh, dass ich die von Mascha kreierten Kleider angezogen habe. In Jeans würde ich mir wie eine Neandertalerin vorkommen, die zur Audienz bei der Queen vorgelassen werden möchte.

Nur meine Schuhe sind eindeutig zu hoch, ich überrage Rufus ein kleines bisschen, das gefällt mir nicht. Ich möchte, dass wir uns in die Augen schauen können beim Tanzen. Außerdem bin ich vom Krankenhaus die bequemen Treter gewohnt und eiere eher, als dass ich laufen würde.

Rufus, der im Anzug ernster und älter aussieht, nickt vielen Paaren knapp zu, und mir wird ständig mulmiger. Alle scheinen sich zu kennen.

Unser erster Tanz wird bestimmt eine große Blamage für Rufus werden. Denn auf der Tanzfläche bewegen sich die Paare, als ob sie zusammengeschweißt wären. Bilden eine wunderbare Einheit und gleiten über die spiegelnde Fläche dahin wie tanzende schwarze Schwäne über einen See.

Rufus hat einen Tisch für uns gefunden. Doch noch ehe ich mich setzen kann, nimmt er meine Hand und zieht mich Richtung Tanzfläche.

»Wollen wir uns nicht erst ein bisschen unterhalten?«, frage ich und hoffe auf eine Gnadenfrist. Warum habe ich mich bloß zum Tangotanzen überreden lassen? Welcher Teufel hat mich da geritten? Nur weil Rufus meine Geschmeidigkeit ins Spiel gebracht hat ...

Oh Gott, dort drüben beugt sich eine schlanke Frau so weit zurück, dass ihr Kopf beinahe den Boden berührt, schnellt elastisch wieder hoch und geht dann sofort in eine rasante und zackige Drehung.

Das ist nicht nur geschmeidig, sondern das ist geschmeidiger Wahnsinn!

Ich könnte vielleicht vorgeben, gerade eben von einer Migräne heimgesucht zu werden.

Doch Rufus schaut mich so begeistert an, so glücklich, dass ich keine Ausrede über die Lippen bringe. Am Rand der Tanzfläche bleiben wir stehen, meine Hand immer noch in der von Rufus – oder liegt das nur daran, dass ich mich wie eine Ertrinkende an ihm festklammere?

Zum Glück hört gerade die Musik auf, und alle klatschen, dabei spielt hier gar keine Liveband. Obwohl ich das merkwürdig finde, klatschen Rufus und ich auch mit.

Dann setzt die Musik wieder ein, und Rufus geht mit mir auf die Tanzfläche. Das Paar mit der wirklich geschmeidigen Frau bleibt auch dort, sie nestelt an ihrem blonden Haarknoten und sieht nicht mal ein bisschen erhitzt aus.

Wieso ist mir eigentlich nicht schon früher aufgefallen, wie klagend diese Musik klingt? Sie beklagt mein Bohnenstangenelend ...

Was würde ich dafür geben, mit Rufus alleine zu sein, ich könnte ihm den Anzug ausziehen und dann ... na gut, vielleicht würde ich nicht gleich den Anzug ausziehen, aber ich könnte mit dem Jackett anfangen ...

Rufus presst mich fest an sich, und macht Anstalten loszulegen.

Aber was drückt sich da Steinhartes an meine Hüftknochen? Das, was ich zuerst vermutet habe, kann es ja wohl nicht sein. Offensichtlich habe ich Rufus derart irritiert angestarrt, dass er merkt, was los ist.

Er schaut mich grinsend an, dann zuckt er genervt mit den Schultern. »Das ist bloß mein Piepser! Wir haben heute Mittag einen Bundesligaspieler der Eintracht auf die Orthopädie gekriegt, und Dr. Wiener hat versprochen, dass der beste Physiotherapeut der Nordendklinik jederzeit zur Verfügung steht. Ich werde ihn hinten am Hosenbund feststecken.«

»Wieso denn das? Seit wann braucht ein Krankengymnast einen Piepser? Du bist doch kein Arzt!«, flüstere ich in sein Ohr.

»Das ist die neue Strategie von Dr. Wiener.« Rufus hat den Piepser hinten befestigt und nimmt mich wieder in den Arm. »Er will für ein positiveres Image der Nordendklinik in der Presse sorgen. Nachdem wir beide seiner Meinung nach mit unserer Elena-Rettungsaktion nicht gerade dazu beigetragen haben, hat er mich ein bisschen auf dem Kieker. Aber was soll schon sein?« Rufus steuert mich über die Tanzfläche. Um mich herum schwankt alles, ich konzentriere mich darauf, das Gleichgewicht zu behalten und nicht umzuknicken.

Verzweifelt suche ich in meinem Gedächtnis wenigstens irgendeine klitzekleine Erinnerung an das, was mir mein Mitbewohner Torsten in den Privattanzstunden im Wohnheim beigebracht hat. Aber da ist nichts! Mein Gehirn ist so leer wie das einer Barbiepuppe. Hohl! Deshalb versuche ich, ruhig zu atmen und mich von Rufus führen zu lassen.

Aber das ist unglaublich schwer. Kaum habe ich das Gewicht auf den einen Fuß verlagert, soll ich genau den auch schon bewegen, und dann dreht Rufus sich dabei noch. Mir ist schwindelig.

»Nein, Lilly, lass locker. Du hältst die Luft an, lass einfach locker!« Rufus presst mich enger an sich. Ein wunderbares Gefühl! Aber wie soll ich das genießen, wenn ich weitertanzen muss. Weiter, immer weiter!

Wenn wir doch irgendwo anders wären, dann könnte ich diese Umarmung richtig auskosten.

Ich versuche, an nichts zu denken. Nur noch der Musik zuzuhören und mit Rufus eins zu werden.

Vergeblich, meine Füße weigern sich und führen ein Eigenleben.

Trotzdem gibt Rufus nicht auf, jetzt geht er in eine Art Seitschritt, dabei dreht er mich so ein, dass ich ganz von ihm umwickelt bin, und danach dreht er mich mit viel Schwung wieder aus dieser merkwürdigen Schneckenposition heraus, und – oh nein, er lässt meine Hand los!

Oder hab ich losgelassen? Oh Gott, ich schlittere weiter, immer weiter, meine Schuhe gleiten dahin. Ich bemühe mich verzweifelt, das Gleichgewicht zu halten.

Um mich herum drehen sich erstaunte Gesichter wie in einem riesigen Kaleidoskop, dann pralle ich gegen etwas Hartes, es klirrt hässlich und laut, und ich liege über einem der Bistrotische, den ich umgeworfen habe.

Niemand lacht.

Rufus beugt sich über mich. »Alles okay?«, fragt er und damit bringt er mich zum Lächeln.

»Ja klar, es könnte nicht besser sein!«, stöhne ich und richte mich auf. In den Rippen sticht es etwas, das gibt bestimmt einen blauen Fleck. Aber dieser Schmerz ist nicht so schlimm. Viel schlimmer ist die Verwüstung, die ich angerichtet habe. Überall liegen Glasscherben und dazwischen schimmern rote Pfützen, die mich vorwurfsvoll anzustarren scheinen, so als hätte ich Blut vergossen und nicht bloß Wein.

Der Kellner bringt einen Eimer und hilft Rufus und mir beim Aufräumen. Diesmal bilde ich mir nicht nur ein, dass alle uns anstarren. Man beobachtet uns und wundert sich. Bestimmt fragen sich alle, wo Rufus denn diese unmögliche Person aufgegabelt hat.

Ich schwöre mir, niemals mehr Dinge zu tun, die ich nicht tun will. Ganz egal mit welchen Komplimenten ich gelockt werde, und selbst wenn es Mr Superman persönlich sein sollte. So ein elendes Versagergefühl brauche ich nie wieder. Am liebsten würde ich wegrennen, aber leider bin ich nicht mehr drei, sondern schon 17, da muss man so etwas durchstehen.

»Lilly, nimm's nicht so schwer, das kann doch jedem mal passieren«, versucht Rufus, mich zu trösten.

Mir fällt nichts ein, was ich darauf erwidern könnte. Außer vielleicht ein pampiges Nein, so was passiert immer nur mir. Aber das verkneife ich mir lieber.

Rufus rückt näher an mich heran und lächelt verschwörerisch. »Weißt du was, Lilly, wie wäre es, wenn ich dir zu Hause erst noch ein paar Privatstunden geben würde!«

»Privatstunden gern, aber in einem anderen Fach«, schlage ich vor.

Rufus braucht einen Moment, bis er verstanden hat, was ich meine, und setzt an, etwas zu sagen, als sein Piepser losgeht.

Wieder drehen sich alle Köpfe zu uns, gefolgt von missbilligendem Raunen. Ich glaube, Rufus wird es schwer haben, hier nochmal reinzukommen.

Hektisch fummelt er an seinem Hosenbund herum, es dauert ewig, bis er den Piepser hat und endlich zum Schweigen bringen kann. »Ist das zu fassen?«, murrt er. »Ich muss doch tatsächlich nach diesem Fußballspieler sehen!« Er schaut mich entschuldigend an.

Ich könnte schreien vor Wut. Dr. Wiener hat mir bislang nur mein Leben im Krankenhaus zur Hölle gemacht, jetzt mischt er sich auch noch in unser Privatleben!

Ich bin sicher, Rufus wird völlig umsonst in die Nordendklinik fahren. Was sollte denn mit dem Fußballer sein? Ein Knöchel ist doch kein Herz, das stillstehen kann, oder? Und ganz sicher wird Dr. Wiener nicht da sein, sondern sich zu Hause mit seinem Pudel einen entspannten Abend gönnen.

Wir verlassen das Lokal. Als wir die Treppen nach oben hochsteigen, merke ich, dass mir die Rippen doch ziemlich wehtun. Na gut, dann gehe ich eben nach Hause, stelle mich unter die heiße Dusche und creme mich mit Voltarensalbe ein.

Rufus fährt mich zum Wohnheim, das auf dem Weg zur Klinik liegt. Unsere Verabschiedung fällt angesichts der Tatsache, dass dieses Ding schon wieder piepst, allerdings nur sehr kurz aus. »Schade, Lilly, wir sehen uns Morgen! Schlaf gut!« Er haucht mir ein Küsschen auf die Beifahrerseite und fährt dann schnell weiter.

Für einen echten Kuss hätte die Zeit meiner Meinung nach schon noch gereicht!

Ich ziehe meine Schuhe aus, weil ich keinen Schritt mehr in diesen hochhackigen Dingern laufen kann, und gehe an den Beeten vorbei auf unser Wohnheim, eine Bausünde aus den 70er-Jahren, zu. Es ist immer noch unglaublich warm, und die Luft riecht schon nach Sommer. Aber nach dem katastrophalen Verlauf dieses Abends ist in mein Herz momentan der Winter zurückgekehrt.

Absturz

Der Aufzug kommt im dritten Stock mit einem hässlichen Ruck zum Stehen, der mir meine lädierten Rippen wieder ins Gedächtnis ruft, und bereitet mich auf einen einsamen, trostlosen Abend vor.

Aber als die Türen ratternd auseinander gehen und den Blick auf unseren würstchenbeigen Flur freigeben, dringt lautes Stimmengewirr aus der Küche bis hin zu mir. Feiert Jonas etwa eine Party? Neugierig gehe ich zum Aquarium – so nennen wir unsere blau gestrichene Küche.

»Was macht ihr denn schon hier?«, frage ich höchst erstaunt angesichts der Tatsache, dass Eva, Rügül und Torsten am Küchentisch sitzen.

Eva hat verweinte Augen.

»Was ist denn passiert?«

Torsten, der sonst immer einen Witz parat hat, erklärt mit Grabesstimme, dass Jimmy einen Unfall erlitten hat.

Ich muss erst kurz überlegen, dann fällt mir ein, dass er Jimmy Timberman meint. »Dann hat das Konzert heute Abend gar nicht stattgefunden?«, frage ich und wundere mich, wieso Eva verweinte Augen hat. Haben sie vielleicht ihr Geld nicht zurückbekommen?

Die drei schütteln ihre Köpfe. Dann erklärt Eva mit zitternder Stimme, was passiert ist. »Stell dir vor, Lilly, irgendein idiotischer Fan hat einen riesigen Teddy auf Jimmy geworfen, er hat das Gleichgewicht verloren und ist von der Bühne gestürzt.«

»Da hat er anscheinend das gleiche Horoskop wie ich – Unfallgefahr für Zwillinge!«, versuche ich einen Scherz und hoffe, dass mich einer fragt, was ich damit meine.

»Lilly, immer musst du dich lustig machen. Was hat denn ein Popstar wie Jimmy Timberman mit Lilly Podeschwa, der Krankenschwester in spe, zu tun?« Rügül hat flammend rote Flecken im Gesicht. Sie kann offensichtlich nicht still sitzen bleiben, holt sich eine Packung Eis aus dem Gefrierfach und fängt an, es hektisch zu löffeln.

»Entschuldigt, aber ich dachte, ihr macht einen Witz!«, verteidige ich mich.

Die drei schütteln den Kopf.

»Tut mir Leid. Also, jetzt erklärt es mir nochmal«, bitte ich.

»Eine idiotische Fan-Tussi hat Jimmy mit einem Riesenteddy ausgeknockt!«, meint Torsten lapidar.

Rügül springt wieder auf. »Blödsinn, der Bär war gar nicht sooo groß. Es war ein ungeschickter Wurf! Hätte Jimmy nicht so nah am Bühnenrand gestanden, wäre bestimmt nichts passiert!«

Ich bin zwar kein Fan von Jimmy Timberman, aber so langsam fängt die Geschichte an, mich zu interessieren. »Hat man denjenigen denn erwischt?«, frage ich neugierig. »Konntet ihr etwas sehen?«

Eva schüttelt den Kopf. »Nein, nicht mal Rügül, obwohl sie bessere Karten hatte als wir und ganz vorne war. Torsten und ich haben nur mitbekommen; wie Jimmy gestürzt ist. Es war wie in einem Albtraum. Du siehst etwas Grauenhaftes in Zeitlupe und kannst es nicht stoppen!« Eva wischt kurz über ihre Augen. »Vielleicht war das eine bezahlte Aktion. Viele Stars haben Feinde!«

»Blödsinn!« Rügül hat schon fast die ganze Familienpackung Schokokirschtrüffel ausgelöffelt. Unglaublich, wie sehr sie das mitnimmt. Rügül isst nämlich niemals, und zwar wirklich nie nach 20 Uhr.

»Jedenfalls wurde das Konzert abgebrochen, weil Jimmy mit Blaulicht abtransportiert werden musste.« Torsten holt sich ein Stück Käse aus dem Kühlschrank und fängt auch an zu knabbern.

»Ja, und kriegt ihr jetzt euer Geld zurück?«, frage ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll.

Eva schaut mich an, wie Bambi, als dessen Mutter gestorben ist. »Wie kannst du in so einer Situation nur an Geld denken!«

»Lilly, manchmal bist du einfach unerträglich!«, stimmt Rügül zu und kratzt den letzten Rest Eis aus der Packung.

Hey, Moment mal. Ich bin unerträglich? Ich habe mir die Rippen geprellt, und mein Abend war eine Katastrophe, aber das zählt ja nicht, das interessiert die drei nicht die Bohne. Und warum? Wegen eines Menschen, den sie nicht mal kennen. Der ihnen total fremd ist! Jimmy irgendwer, der schöne Lieder trällern kann ...

»Dann lasse ich euch mal in eurer Trauer allein!« Ich gehe zur Tür, am liebsten würde ich sie zuwerfen, aber das würde sicher dem Ernst der Lage nicht gerecht werden.

»Deine Ironie kannst du dir sparen! Zum Glück ist Jimmy nicht schwer verletzt!«, brüllt Rügül hinter mir her.

Na, dann verstehe ich das Ganze noch weniger. Die drei haben doch echt eine Meise! Und dass ausgerechnet Rügül deshalb so ausrastet, hätte ich nie für möglich gehalten. Rügül ist sonst immer so erwachsen und verliert nie die Beherrschung.

Oder stimmt vielleicht mit mir etwas nicht? Ich habe noch nie für einen Star so geschwärmt, dass ich mir alle seine CDs gekauft oder Poster aufgehängt habe. Ich finde Stars zum Anfassen besser. Mein Superstar ist Rufus. Den kann ich wenigstens manchmal anfassen und küssen.

Während ich in unser Gemeinschaftsbad gehe, frage ich mich, wie die Privatstunde mit Rufus verlaufen wäre, wenn nicht der Piepser dazwischen gekommen wäre. Es sieht so aus, als wüsste Rufus jetzt, was er will, oder interpretiere ich schon wieder etwas falsch? Allerdings verstehe ich nicht, warum er sich so kühl verabschiedet hat. Oder machen das alle Männer so, wenn sie gestresst sind? Ich weiß gar nicht mehr, wie das bei meinem letzten Freund war. Ich sollte vielleicht Halldór mal danach fragen. Zum Glück scheine ich allein im Bad zu sein. Außer dem ständigen Tröpfeln der verkalkten Wasserhähne ist nichts zu hören. Dieses Bad könnte eigentlich Schauplatz der interessantesten Ereignisse sein, denn wir benutzen es gemeinsam – Jungs und Mädchen. Dennoch passiert hier herzlich wenig. Vielleicht liegt es daran, dass das stumpfe Grau der 60er-Jahre-Fliesen nicht gerade zum Verweilen einlädt. Im Gegenteil: Man beeilt sich, so schnell wie möglich hier wieder rauszukommen. Tja, wenn hier ein beleuchteter eisblauer Whirlpool wäre und schummriges Licht statt der alten knackenden Neonröhren, wer weiß, vielleicht würden wir unsere Partys dann hier feiern, im Bikini!

Das warme Wasser tut meinen völlig verspannten Muskeln gut. Als ich im Bademantel aus der Duschkabine komme, steht Jonas mit feuchten Haaren und einem Handtuch um die Hüften am Waschbecken. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er auch geduscht hat.

Er grinst mich an. »Na, hast du den dreien in der Küche auch dein Beileid ausgesprochen?«

»Klar. Gute Nacht, ich hatte einen anstrengenden Abend.«

Jonas reicht mir eine Flasche mit goldgelber Flüssigkeit. »Würdest du so nett sein und mir die Schultern mit Arnikaöl einreiben? Die sind völlig verspannt. Nachdem ja keiner von euch Zeit hatte, bin ich ein bisschen im Taunus herumgeradelt ...«

Ein bisschen herumgeradelt bedeutet bei Jonas, dass er wie ein Wahnsinniger die Berge hochgerast ist. Ich lege mein Handtuch und den Kulturbeutel ab und öffne die Flasche. »Hm. Riecht gut.« Am liebsten würde ich mir das Zeug auch auf meine Rippen schmieren.

Vorsichtig tröpfele ich Öl auf Jonas' Schultern. Wirklich prächtige Schultern, die kriegt man bestimmt nicht vom Radfahren. Jonas macht auch Krafttraining. Seine Haut liegt straff über Muskelbündeln und fühlt sich schön glatt an. Sanft streiche ich mit meinen Ölfingern über seinen Rücken und werde durch Jonas' aufmunterndes Stöhnen dazu verleitet, mir besonders viel Mühe zu geben.

»Gut machst du das, Lilly!«, schnurrt er. »Ja, mehr ...«

Ich wünschte, er würde den Mund halten, dann könnte ich mir vorstellen, das wären die Schultern von Rufus. Oder doch nicht. So viele Muskeln hat Rufus nicht – braucht er ja auch nicht.

»Hilft Arnikaöl auch bei Prellungen?«, frage ich, weil plötzlich so eine merkwürdige Stille entstanden ist.

Jonas dreht sich um und steht jetzt mit nacktem Oberkörper direkt vor mir. Seine Schultern glänzen vom Öl. Das Wasser, das aus seinen blonden Haaren tropft, perlt ab und läuft glitzernd über seine Haut, bis es im Handtuch versickert.

Ich gehe einen Schritt zurück, keine Ahnung warum. Jonas lächelt. »Klar, Arnika hilft immer. Wo hast du dir denn eine Prellung geholt?«

Endlich fragt mich mal jemand, wie es mir geht! Spontan deute ich auf die Stelle, wo es wehtut – rechts unter meiner Brust.

Jonas' Lächeln wird zum Grinsen. »Soll ich dich auch einreiben?«, fragt er, und ich merke, dass ich rot werde. Daran hätte ich auch vorher denken können! Als Krankenschwester sollte ich wissen, wo sich die Rippen befinden.

»Mach ich gern.« Jonas steht mit der Flasche da und wartet auf eine Ansage.

Wenn Jonas Rufus wäre ...

Vielleicht könnte ich die Augen schließen und mir einbilden, dass er Rufus ist. Doch das wäre nicht fair. Außerdem hat Jonas bestimmt nicht so sanfte Hände wie Rufus.

»Nein, das ist lieb von dir, aber das mache ich selbst.«

»Schade!«, Jonas reicht mir die Flasche. »Dann gute Nacht, falls du es dir noch anders überlegst, ich bin in meinem Zimmer, okay?«

Damit verlässt Jonas das Badezimmer und ich merke, dass ich unangemessen lang auf seinen Hintern starre, der nur mit diesem winzigen Handtuch bedeckt ist.

Sächsische Überraschung

Am nächsten Morgen müssen Mascha und ich sehr schnell gehen, damit wir nicht völlig durchnässt in der Nordendklinik ankommen. »Das Wetter passt perfekt zu meiner Laune!«, meckere ich. Und zu meinen Rippen, die immer noch wehtun, füge ich in Gedanken hinzu.

»Zu meiner nicht!«, hält Mascha dagegen. »Toby und ich hatten gestern Abend so viel Spaß!«

»Freut mich für dich!« Ich versuche, das Prasseln der Tropfen zu übertönen, aber es ist fast unmöglich. Wolkenbruchartig strömt das Wasser vom Himmel. Wir fangen an zu rennen. Dabei spüre ich meine Rippen wieder deutlicher.

Im Eingang der Nordendklinik schüttelt Mascha ihre Engelshaare wie ein nasser Hund und zieht ihre Regenjacke aus. »Glück gehabt! Wenn wir noch drei Minuten später losgegangen wären, müssten wir heute mit nasser Unterwäsche arbeiten!« Maschas strahlendes Lächeln geht mir auf die Nerven. Vielleicht ist es doch nicht so angenehm, mit ihr zusammenzuarbeiten. Alle Patienten lieben Mascha, eben weil sie immer so gute Laune verströmt und jedem Missgeschick noch etwas Gutes abgewinnen kann.

Mann, Lilly, bist du heute kleinlich! Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich kaum geschlafen habe.

Unsere Mentorin, Karin, kommt zwischen anderen weiß bekittelten Menschen und jeder Menge künstlicher Palmen auf uns zu. Sie wird uns zur Notaufnahme bringen. Ich bin schon sehr gespannt auf die neue Station.

»Guten Morgen, Mädels«, begrüßt sie uns schwungvoll. »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht, welche wollt ihr zuerst hören?«

Mascha und ich antworten gleichzeitig. »Die gute!«, ruft sie, »die schlechte«, sage ich.

Karin schmunzelt. »Aha. Da die schlechte Nachricht Lilly betrifft, fangen wir mal damit an.«

Mir wird ganz mulmig. Habe ich irgendwas angestellt oder vergessen? Nein, das kann nicht sein, wir hatten ja Schule.

»Lilly, du wirst nochmal vier Wochen auf der Traumatologie bleiben müssen, weil wir dort solchen Personalmangel haben und Jasmin dich unbedingt wieder haben wollte.«

Oh nein! Am liebsten würde ich wie Rumpelstilzchen aufstampfen und schreien: »Nein, nein, das will ich aber nicht!«

Allerdings ließe sich das nicht wirklich mit meinem Image als sanfte und freundliche Lernschwester vereinbaren. Also zähle ich bis drei und frage dann mit möglichst ruhiger Stimme nach, warum es ausgerechnet mich und nicht mal Mascha trifft? Und ich verkneife es mir, anklagend meine Hände zu heben und Karin zu erklären, dass es drei Wochen gedauert hat, den Meister-Proper-Geruch von ihnen zu bannen.

Karin zuckt die Schultern. »Tut mir Leid, Lilly, aber das lässt sich nicht ändern. Mascha, du wartest hier, bis ich zurück bin? Ich bringe Lilly schnell nach oben.«

Mascha nickt und zwinkert mir aufmunternd zu. Mascha weiß genau, wie sehr ich mich darauf gefreut habe, von Jasmin wegzukommen. »Und was ist die gute Nachricht?«, fragt Mascha, als Karin mit mir losmarschieren will.

»Ihr kommt trotzdem zusammen in die Notaufnahme, allerdings später. Und Mascha ist jetzt erst mal zu den Frühchen auf die Neugeborenenstation abkommandiert.«

Mascha stößt einen Freudenschrei aus, der mich mitten ins Herz trifft. So eine Ungerechtigkeit! Während ich Jasmins Putzorgien aushalten muss, darf Mascha diese winzigen, so unglaublich niedlich verhutzelten Babys umsorgen.

Karin zieht mich zum Aufzug. Mascha winkt uns fröhlich nach.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960531364
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Juni)
Schlagworte
eBooks ab 12 Jahren fuer Maedchen Krankenschwestern Humor Liebe Frech Freundschaft
Zurück

Titel: SOS - Schwestern für alle Fälle - Band 5: Prinzen, Popstars, Wohnheimpartys
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
138 Seiten