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Zusammenfassung

Eine Fahrt, die zur Legende wurde: Die Odyssee nach „Ithaka“ neu erzählt von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler jetzt als eBook bei jumpbooks.

Einst hat der kluge Odysseus mit einer List den Ausgang des Trojanischen Krieges besiegelt und so Ruhm und Ehre erlangt.
Doch jetzt scheint ihm und seinen Getreuen das Glück nicht mehr hold: Schon lange ist der Krieg vorbei, aber immer noch irren die Gefährten über das Meer. Vergeblich versuchen sie, endlich das heimatliche Ithaka zu erreichen – höhere Mächte mischen unerbittlich ihre Hand ins Spiel und steuern das Schiff in immer gefährlichere Gewässer: Haben die Götter sie verflucht? Die Suche nach einer Antwort führt Odysseus bis in das Reich der Toten …

Das uralte Epos der Odyssee ganz neu erzählt von Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein: Hochspannung garantiert!

Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Ithaka“ von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler für Leser ab 12 Jahren. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Einst hat der kluge Odysseus mit einer List den Ausgang des Trojanischen Krieges besiegelt und so Ruhm und Ehre erlangt.

Doch jetzt scheint ihm und seinen Getreuen das Glück nicht mehr hold: Schon lange ist der Krieg vorbei, aber immer noch irren die Gefährten über das Meer. Vergeblich versuchen sie, endlich das heimatliche Ithaka zu erreichen – höhere Mächte mischen unerbittlich ihre Hand ins Spiel und steuern das Schiff in immer gefährlichere Gewässer: Haben die Götter sie verflucht? Die Suche nach einer Antwort führt Odysseus bis in das Reich der Toten …

Das uralte Epos der Odyssee ganz neu erzählt von Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein: Hochspannung garantiert!

Über die Autoren:

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch Märchenmond. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern verfasst. 2012 erhielt er den internationalen Literaturpreis NUX. Zeitgleich startete der in Neuss lebende Autor ein innovatives Hohlbein-TV-Projekt.

Bis 1996 war Dieter Winkler Chefredakteur der erfolgreichen Computerzeitschrift CHIP. Seitdem widmet er sich ausschließlich dem Schreiben. Winkler unterhält mit spannungsgeladenen Kurzgeschichten und Romanen, deren Themenspektrum sich zwischen Fantasy und Internet erstreckt.

Der Autor im Internet: www.hohlbein.de

Bei jumpbooks erscheint von Wolfgang Hohlbein:
Der weiße Ritter – Erster Roman: Wolfsnebel
Der weiße Ritter – Zweiter Roman: Schattentanz
Nach dem großen Feuer
Ithaka
Drachentöter

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eBook-Neuausgabe August 2016

Dieses Buch erschien bereits 1987 unter dem Titel Der lange Weg nach Ithaka bei Loewe Verlag, Bindlach.

Copyright © der Originalausgabe 1987 by Loewes Verlag,

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs unter Verwendung der Motive: Helm © David.C.Azor (fotolia.com), Säulen © Sondem (fotolia.com)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-167-8

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Wolfgang Hohlbein
Dieter Winkler

Ithaka

Roman

jumpbooks

Die Irrfahrt beginnt

Seit sechs Tagen war das Meer so glatt wie ein Spiegel und der Himmel darüber so leer, wie er nur leer sein konnte: wie eine azurblaue, umgestülpte Riesenschüssel hing er über dem Ozean, und nicht die allerkleinste Wolke war zu sehen. So, wie sich auch seit sechs Tagen nicht der mindeste Windhauch regte.

Die Flotte lag still.

Die Segel der gut einhalb Dutzend Schiffe hingen schlaff an den Masten. Dann und wann knarrte Holz oder spannte sich ein Tau, und manchmal, wenn eine einsame Welle herangerollt kam, hob und senkte sich die ganze Flotte wie ein Schwarm hölzerner, schreiend bunter Riesenfische, die ein vergeßliches Götterkind auf der hohen See zurückgelassen hatte.

Über den in lockerer Unordnung nebeneinander dümpelnden Schiffen lag eine tiefe Stille. »Als wären wir eine Flotte von Toten, die den Styx überquert und sich dabei gründlich verirrt hat, und nicht die sieben gewaltigen Kriegsschiffe Ithakas«, überlegte Odysseus düster. Natürlich war die endlose Wasserwüste vor ihnen nicht der Styx, aber das war auch so ungefähr das einzige, was er mit Bestimmtheit wußte. Und daß dieser Ozean gut und gerne zu ihrer aller Grab werden konnte, wenn die Götter nicht bald ein Wunder geschehen ließen, das wußte er auch.

Verärgert wandte er sich um, spie in hohem Bogen ins Wasser und stieg steifbeinig von seinem Aussichtsplatz im Bug des Schiffes herunter auf das Deck. Er hatte Durst, und seine Augen brannten vom langen, angestrengten Starren. Was er auf dem Weg zu dem kleinen hölzernen Aufbau im Heck des Schiffes sah, hob seine Laune auch nicht gerade. Kaum einer der Männer an Bord hatte noch genügend Energie, sich auf den Beinen zu halten, geschweige denn die zentnerschweren Riemen zu heben und das Schiff damit von der Stelle zu rudern. Die meisten hatten versucht, irgendwo ein Stückchen Schatten zu ergattern oder sich irgendeinen Stofffetzen über das Gesicht zu ziehen, um wenigstens der ärgsten Sonnenhitze zu entgehen. Die wenigen, die noch aufrecht saßen, hockten teilnahmslos da und hatten kaum die Kraft, seinen Gruß zu erwidern. Und auf den anderen sechs Schiffen sah es kaum besser aus, wie Odysseus wußte. Ganz im Gegenteil. Am Morgen hatte es den ersten Toten gegeben, einen Mann, der einfach eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht war. Er würde nicht der letzte bleiben, wenn nicht das Wunder geschah, um das er die Götter gebeten hatte: Regen und Wind.

Nein, dachte Odysseus, während er – sehr vorsichtig, um nicht auf einen der schlafend daliegenden Männer zu treten – das Schiff durchquerte. Wenn dieser Haufen zerlumpter, zu Tode erschöpfter Männer der Stolz Ithakas sein sollte, dann mußte er sich überlegen, ob er nicht das falsche Königreich sein eigen nannte.

Natürlich war er sich darüber im klaren, daß solcherlei Gedanken ungerecht waren, denn die Männer hatten wirklich alles gegeben, wozu sie imstande waren, und noch ein gehöriges bißchen mehr – aber zum Hades, er war selbst müde und erschöpft und enttäuscht und hatte Durst und eine ohnmächtige Wut. Und all dies zusammen gab ihm wohl das Recht, ungerecht zu sein – zumal er keinen dieser Gedanken laut ausgesprochen hätte, und wenn sein Leben davon abhinge.

Aufgebracht wie er war, stieß er sich kräftig den Kopf an der niedrigen Tür zu seiner Kajüte, aber er unterdrückte den Fluch, der ihm auf den Lippen lag. Nach dem grellen Sonnenlicht draußen war er im ersten Moment fast blind und fiel mehr auf sein Lager, als daß er sich setzte.

Daß er nicht allein in der Kabine war, merkte er erst, als er sich seufzend auf seinem Lager ausstreckte und ein halblautes Lachen zur Antwort bekam. Halb erschrocken, halb verärgert setzte er sich kerzengerade hin, riß die Augen auf und sah, wie sich ein Schatten neben der Tür bewegte. Metall klirrte leise, und ein verirrter Sonnenstrahl spiegelte sich auf einer Oberarmspange.

»Bist du das, Eurylochos?« fragte Odysseus.

»Ich bin es«, antwortete Eurylochos. »Wer sonst würde es wagen, unangemeldet und ungefragt in Euer Gemach zu kommen, o edler Odysseus, König von Ithaka und größter aller Helden?«

Odysseus legte den Kopf auf die Seite und starrte den Schatten neben der Tür an. »Höre ich da Spott in deiner Stimme, lieber Freund?« fragte er.

»Aber nein, nein, nicht doch.« Eurylochos lachte, ein Laut, der in der schattigen Wärme der Kabine sonderbar düster klang; fast wie eine Drohung. »Nie würde ich es wagen, dem großen Odysseus, Bezwinger Trojas und Sieger über den gewaltigen Zyklopen, Herrscher über Ithaka und – «

»Und der Mann, der dich gleich an einen Strick binden und die nächsten fünf Tage hinter dem Schiff herschwimmen lassen wird«, unterbrach ihn Odysseus drohend. »Was willst du, Eurylochos? Wenn du gekommen bist, um herauszufinden, wie groß meine Geduld ist, hast du dir einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht.«

»Vielleicht den letzten überhaupt«, sagte Eurylochos, und plötzlich war in seiner Stimme ein Ton, der Odysseus aufhorchen ließ. »Es wird allmählich Zeit, daß du eines deiner Wunder tust, Odysseus. Die Männer beginnen zu sterben.«

»Einer von siebenhundert«, antwortete Odysseus. »Das ist nicht mehr, als zu erwarten war, bei einer Fahrt wie der unseren.«

»Du weißt genau, daß es nicht so ist«, widersprach Eurylochos scharf. »Morgen früh werden es zehn sein, und am Tag danach hundert. Die Hitze und der Hunger bringen die Männer um. In vier Tagen ist dies eine Flotte von Totenschiffen.« Für einen Moment riefen Eurylochos’ Worte einen hilflosen Zorn in Odysseus wach. Er ballte die Faust, starrte den neben der Tür zusammengekauerten Hauptmann an und überlegte sich eine scharfe Antwort. Aber dann senkte er den Blick. »Ich weiß«, sagte er. »Aber was können wir schon tun? Solange die Flaute anhält, liegen wir fest. Wir können nur zu den Göttern beten, uns Wind zu schicken.«

»Die Götter?« Eurylochos lachte. »Seit wir von Ilions Küste fortgesegelt sind, scheinen sie ein wenig schwerhörig zu sein, was unsere Gebete angeht, findest du nicht?«

»Sprich nicht so«, sagte Odysseus streng. »Möglicherweise hören sie besser, als du glaubst.«

Eurylochos gab einen Laut von sich, der schwer zu fassen war. Es konnte ein Lachen sein, aber auch etwas gänzlich anderes. »Seit wann glaubst du an die Götter des Olymp, Odysseus?« fragte er. »Wir sind allein. Laß uns wie vernünftige Männer miteinander reden.«

Odysseus lächelte, obgleich der andere es in der Dunkelheit nicht sehen konnte. »Ich habe nicht gesagt, daß es sie gibt«, sagte er sanft. »Aber ich habe keinen Beweis, daß es sie nicht gibt. Man muß vorsichtig sein.«

Eurylochos schnaubte. »So oder so, wir müssen etwas tun, Odysseus. Wir müssen von hier weg.«

»Aber sicher«, sagte Odysseus wütend …Glaubst du nicht, ich hätte mir seit sieben Tagen nicht selbst den Kopf zerbrochen, wie von hier fortzukommen ist, Eurylochos?« fauchte er. »Solange kein Wind kommt, sind wir dazu verdammt hierzubleiben. Vielleicht, bis wir sterben.«

»Und vielleicht ist es so bestimmt«, fügte er in Gedanken hinzu. Vielleicht war das, was ihnen nun geschah, nichts als die Strafe der Götter dafür, daß sie Troja verbrannt hatten.

Vielleicht hätten sie auf all die Warnungen hören sollen, die sie bekommen hatten. Vielleicht hätten sie diesen Krieg niemals beginnen sollen, nur um einer Frau willen!

Hilflos ballte er die Fäuste, ließ sich wieder auf sein Lager aus Decken und Fellen zurücksinken und starrte die hölzerne Decke über seinem Kopf an. Seine Stimmung schlug in Verzweiflung um, dann in Niedergeschlagenheit. Eine Niedergeschlagenheit, wie sie nur ein Mann wie er verspüren konnte. Er war vom höchsten Gipfel des Triumphes in die tiefsten Abgründe der Hoffnungslosigkeit gestoßen worden. »Es ist einfach nicht gerecht«, dachte er. Keiner der fast siebenhundert Männer in seiner Begleitung hatte die Heimat gesehen in den letzten zehn Jahren, sondern nur den sonnendurchglühten Sand des Hellespont und die gewaltigen Mauern Trojas. Zehn Jahre lang hatten sie sie vergebens berannt, und wahrscheinlich würden sie es noch heute tun, wäre er nicht auf die Idee mit dem Pferd verfallen.

Der Einfall war möglicherweise nicht sonderlich ehrenhaft, aber sehr wirkungsvoll gewesen. Sie hatten gesiegt. Und wie sie gesiegt hatten! Nach zehn Jahren Schmach und Niederlage hatten sie die Stadt geschleift und hatten sich für jede Stunde gerächt, die Trojas Verteidiger sie verspottet und verhöhnt hatten. Sie hatten den Schweiß und die Tränen eines Jahrzehntes mit Strömen von Blut abgewaschen.

Und jetzt waren sie hier – in einem Teil des Meeres, von dem sie nicht wußten, wo er war, unter einem Himmel, an dem des Nachts Sternbilder standen, die keiner von ihnen je gesehen hatte, die nächste Küste vielleicht eine Pfeilschußweite, vielleicht eine Ewigkeit entfernt.

Dabei hatte alles so gut begonnen – sie waren als Sieger losgesegelt, den Rauch von Trojas brennenden Ruinen wie einen schrecklichen Wegweiser im Rücken. Sie hatten – sozusagen im Vorbeisegeln – die Zikonenstadt Imaros geschleift, deren widerspenstige Bewohner (und wohlgefüllte Schatzkammern) allen Griechen schon immer ein Dorn im Auge gewesen war. Und nicht einmal der Orkan, der die gewaltige Flotte der Bezwinger Trojas in alle Winde verstreut hatte, hatte seinen, Odysseus Schiffen, wirklichen Schaden zugefügt: ein paar gebrochene Masten und Beine, ein paar ausgeschlagene Planken und Zähne – welcher Preis war das für einen Sieg wie den ihren? Und selbst danach war ihnen das Glück hold geblieben. Sie hatten die Insel des Zyklopen erreicht und diesem ein schreckliches Ende bereitet. Als wären sie dadurch zu Lieblingen der Götter geworden, waren sie weitergesegelt und von König Äolos, der allerorten als eigenbrötlerischer alter Starrkopf galt, über die Maßen freundlich aufgenommen und beköstigt worden.

Vor nunmehr elf Tagen, mit dem ersten Licht des neuen Morgens, war die vertraute Küstenlinie Ithakas vor ihnen am Horizont erschienen, und dann hatte sie ein Sturmwind, der jäh aus dem Nichts über sie hereinbrach, mit der Geschwindigkeit eines durchgehenden Pferdes ins Meer zurückgeschleudert.

Als der Sturm sich nach vier Tagen legte, waren sie hier gewesen – wo immer sie hier auch sein mochten. Von ihren anfänglich zwölf Schiffen waren noch sechs dagewesen, das siebente war am nächsten Morgen zu der reichlich zerrupften kleinen Flotte gestoßen. Die übrigen fünf waren offensichtlich gesunken oder vom Sturm so weit fortgetrieben worden, daß sie sie aufgeben mußten.

»Was haben wir falsch gemacht?« dachte Odysseus. Waren sie hochmütig gewesen? Hatten sie den Zorn der Götter herausgefordert? Er war zwar ganz und gar nicht davon überzeugt, daß es die Götter gab, aber wenn es sie gab – vielleicht hatten sie dann eine Stadt zuviel geschleift, dem Schicksal einmal zu oft ins Gesicht gelacht? Oder hatten sie einfach nur Pech gehabt?

Odysseus wußte es nicht, obgleich er während der letzten sieben Tage über beinahe nichts anderes als diese eine Frage nachgedacht hatte.

Müde setzte er sich auf, griff nach dem Wasserschlauch und trank einen einzigen Schluck. Das Wasser war warm und schal und schmeckte nicht, aber es war alles, was sie noch hatten. Der Wein, den sie in Imaros mitgenommen hatten, hatte schon vor drei Tagen in den Fässern zu gären begonnen. Sie hatten ihn ins Meer geschüttet, um wenigstens dem Geruch zu entgehen.

Odysseus dachte mit Zorn an die Laderäume seiner Schiffe, die mit Trojas’ und Imaros’ Gold gefüllt waren, das die Schiffe schwer werden ließ. Sie hätten besser daran getan, sie mit Brot und Dörrfleisch zu füllen statt mit Schätzen.

»Worüber denkst du nach?« fragte Eurylochos plötzlich. »Über eine Möglichkeit, hier wegzukommen – oder tust du dir einfach nur leid?«

Odysseus ignorierte den Ärger, den Eurylochos’ respektlose Worte in ihm wachrief. Von all den Helden und Königen, den großen Kriegern und Halbgöttern, die mit und neben ihm gegen Trojas Mauern angerannt waren, war der schwarzhaarige Hauptmann vielleicht sein einziger Freund. Vielleicht war er der einzige Mensch auf der Welt überhaupt, der so mit ihm sprechen durfte, seine Frau Penelope und seinen Sohn Telemach einmal ausgenommen. Aber die waren so weit weg. So unendlich weit weg. Und vielleicht würde er sie niemals mehr Wiedersehen.

»Wenn es gar nicht mehr anders geht, müssen wir rudern«, riß ihn Eurylochos unsanft in die Wirklichkeit zurück.

Odysseus machte sich nicht einmal die Mühe, zu ihm aufzusehen. »Die Männer haben kaum mehr die Kraft, auf eigenen Beinen zu stehen«, sagte er müde. »Wie, glaubst du, sollen sie die Schiffe rudern?«

»Wenn wir die Hälfte der Schiffe zurücklassen, können sich immer zwei Männer in ein Ruder teilen«, entgegnete Eurylochos. »Es muß gehen. Sie werden es schaffen, weil sie wissen, daß sie sonst sterben!«

Einen Moment lang dachte Odysseus ernsthaft über Eurylochos’ Vorschlag nach. Aber nur einen Moment. Dann schüttelte er resignierend den Kopf. Auf jedem ihrer sieben Boote befanden sich schon jetzt gut doppelt so viele Männer, als eigentlich normal gewesen wäre. Die Enge war nach dem Durst und der Hitze das nächstgrößte Problem. »Zweihundert Männer auf einem Schiff, das nur für fünfzig gut ist?« Er seufzte. »Das ist unmöglich, mein Freund. Nach zwei Tagen würden sie anfangen, sich gegenseitig umzubringen.« »Was willst du dann?« fragte Eurylochos zornig. »Willst du aufgeben? All die Männer, die dir ihr Leben anvertraut haben, einfach ihrem Schicksal überlassen? Das ist nicht der Odysseus, den ich kenne, der so etwas sagt.«

»Vielleicht gibt es diesen Odysseus auch nicht mehr, mein Freund«, dachte Odysseus. »Möglicherweise ist er einfach nur müde geworden in all den Jahren. Möglicherweise hat es ihn auch niemals gegeben.« Aber das sprach er nicht aus.

Was hätte er auch schon sagen sollen? Daß er des Kämpfens müde war? Daß er sich manchmal – und in den letzten Tagen immer öfter – dabei ertappte, wie er sich zum Schlafen niederlegte und sich insgeheim wünschte, nie wieder aufwachen zu müssen.

Er sah Eurylochos an und fragte sich, was dieser wohl sagen würde, wüßte er, wie es jetzt in ihm wirklich aussah.

Für Eurylochos – und jeden einzelnen Mann an Bord – war er ein Vorbild, nicht nur ein Führer, nicht nur ein Mann, dem sie zu gehorchen hatten, sondern Freund, Vertrauter und – vielleicht ein bißchen so etwas wie ein Vater. Und er spürte die drückende Last dieser Verantwortung wie ein Zentnergewicht, das schwerer wurde. Schwerer mit jedem Tag, jeder Stunde, die sie nicht nach Hause kamen.

Ob auch nur einer dieser Männer wirklich wußte, was es bedeutete, so viel Verantwortung zu tragen? Wie oft er sich insgeheim gewünscht hatte, mit ihnen tauschen zu können?

Für sehr lange Zeit – sicher einer Stunde oder mehr – herrschte Schweigen in der kleinen, stickigen Kabine am Heck des Schiffes, nur dann und wann unterbrochen vom Klatschen einer Welle, die sich am Bootsrumpf brach, dem gelegentlichen Ächzen von Holz oder dem leisen, gedämpften Stöhnen eines Mannes. Schließlich stand Odysseus auf, stieg umständlich über Eurylochos’ Beine hinweg, der eingeschlafen war und nun, da seine Züge sich entspannten, noch müder und erschöpfter aussah als ohnehin, und trat wieder auf das Deck hinaus.

Die Sonne stach wie mit kleinen, heißen Nadeln in seine Augen, und er merkte erst jetzt, wie kühl und schattig es im Vergleich drinnen in der Kabine gewesen war. Einen Moment lang überlegte er ernsthaft zurückzugehen, aber dann schob er statt dessen die Tür mit einer entschlossenen Bewegung hinter sich zu und ging wieder zu seinem einsamen Aussichtsplatz unter dem schlaff vom Mast hängenden Bugsegel des Schiffes.

Lange Zeit stand er so da und blickte aufs Meer hinaus, ohne es indes wirklich zu sehen. Wo die kaum erkennbare Horizontlinie war, da glaubte er den vertrauten Schatten Ithakas zu sehen. Wo Himmel und Meer in fast nicht zu unterscheidendem Blau miteinander verschmolzen, waren da nicht die Türme seiner Burg, die er vor zehn Jahren verlassen hatte und in deren Mauern Penelope und sein Sohn – der mittlerweile ein Mann sein mußte – auf ihn warteten. Und dort, wo die Möwe kreiste, konnte das der zerklüftete Gipfel des Neriton sein, auf dem die – »Möwe?!«

Odysseus fuhr so abrupt hoch, daß einige der Männer auf dem Deck hinter ihm erschrocken die Augen aufrissen oder sich aufsetzten. »Eine Möwe!« flüsterte er. »So seht doch – da ist eine Möwe!«

Und als hätte das Tier seine Worte verstanden und käme näher, um sich begutachten zu lassen, glitt es ein Stück in die Tiefe und mit weit ausgebreiteten Schwingen auf die reglos daliegende griechische Flotte zu.

Odysseus’ Ruf war gehört worden, und mit einem Male drängelten sich mehr und mehr Männer im Bug des mächtigen Schiffes, erst wenige, dann Dutzende von Armen und Händen hoben sich und deuteten zu der einsamen Möwe empor, die jetzt den Hauptmast umkreiste und wohl nichts anderes im Sinn hatte, als einen Leckerbissen zu ergattern. Bald wurde man auch auf den anderen Schiffen auf das Tier aufmerksam, und schon kurze Zeit darauf hallte das Meer, das die kleine Flotte bisher wie ein gewaltiges, schweigendes Leichenhaus umgeben hatte, unter dem Geschrei von fast siebenhundert Männern wider. Denn jeder an Bord der sieben Schiffe wußte, was die Möwe zu bedeuten hatte: nichts anderes als Land, das wohl noch hinter dem Horizont, aber nicht mehr sehr weit entfernt liegen konnte. Möglicherweise war es nur eine Insel – aber welche Rolle spielte das schon? Wo diese Möwe herkam, da mußte Land sein, und Möwen fliegen nicht sehr weit.

Dem Vogel wurde der Lärm bald zuviel. Mit einem schrillen Schimpfen, das im Lärm der Mannschaft allerdings hoffnungslos unterging, schwang er sich hoch empor in den Himmel und flog davon, bis er zu einem kleinen weißen Punkt zusammenschrumpfte und bald ganz verschwunden war.

Auf den Schiffen indes hielt das Schreien und Lachen noch lange Zeit an, und viele Männer begannen auf der Stelle zu beten und die Götter zu preisen, die ihnen im Augenblick der höchsten Not diesen Boten geschickt hatten. Selbst Odysseus, der dafür bekannt war, wie rasch ihm in solchen Situationen das Wort Zufall von den Lippen kam, wurde für eine Weile sehr schweigsam und blickte nicht nur in den Himmel hinauf, um das Wetter zu prüfen.

Sie erreichten das Land an diesem Tag nicht mehr, denn die Männer, denen der Anblick der Möwe noch einmal neuen Mut gemacht hatte, ruderten zwar weiter, aber sieben Tage Entbehrungen und Furcht hatten ihren Preis gefordert. Selbst die Euphorie, in die so mancher bei dem Gedanken an die nahe Rettung verfiel, gab ihnen nicht genug Kraft, die Schiffe auf nennenswerte Geschwindigkeit zu bringen; sie bewegten sich kaum schneller voran als ein Mann, der gemächlich seines Weges schlenderte, und auch als die Sonne sank, war das Land noch nicht sichtbar geworden.

Aber in der Nacht sahen sie Lichter, wie kleine gelbe Katzenaugen, die über den Horizont lugten, und dieser Anblick gab ihnen noch einmal neue Kraft. Für einige war die Anstrengung zu groß, und sie starben, bevor die Sonne aufging und ihre Kameraden die schroffe Küste eines fremden Landes vor sich liegen sahen. Odysseus befahl, die Toten mit aller gebührenden Ehrfurcht aufzubahren, um sie später an Land bestatten zu können, wie es Helden zukam.

Vorerst aber sahen sie sich einem ganz anderen Problem gegenüber: der Küste selbst. Die Gnade der Götter, die ihnen zuteil geworden war, war knapp bemessen, denn das rettende Land entpuppte sich als eine gut hundert Manneslängen hohe, lotrecht aus dem Meer aufsteigende Steilküste, deren Fuß mit spitzen Riffen und Klippen gesäumt war, so daß sich die Wellen schon weit vor der eigentlichen Küste schaumig brachen und Odysseus es nicht wagte, auch nur eines seiner Schiffe bis an die Steilwand heranfahren zu lassen.

Den Morgen hindurch, bis zur Mittagsstunde, und auch bis weit in den Nachmittag hinein ruderten die Männer an der Küste entlang. Ihr Mut, kaum wieder ein wenig gestärkt, sank erneut, und selbst Odysseus begann sich zu fragen, ob sie nicht den Tod im offenen Meer mit dem Tod unter dieser nicht enden wollenden Steilküste eingetauscht hatten. Nach und nach schickten die Kapitäne zu ihm, jeder mit anderen Fragen und anderen Vorschlägen, wie der scheinbar unüberwindlichen Barriere aus Granit beizukommen sei. Eurylochos selbst schlug schließlich vor, sich an ein langes Seil binden zu lassen und zu versuchen, die tödliche Barriere aus Riffen schwimmend zu durchqueren. Er war ein guter Kletterer, und die Wand war zwar steil, aber so zerklüftet, daß er eine gute Chance hatte, sie zu ersteigen.

Odysseus dachte eine Weile über diesen Vorschlag nach. Die Lichter, die sie in der Nacht gesehen hatten, bewiesen, daß es hinter dieser Küste Menschen gab, so daß sie allerschlimmstenfalls vielleicht die Schiffe zurücklassen und versuchen konnten, auf dem von Eurylochos vorgeschlagenen Wege wenigstens das nackte Leben zu retten. Aber selbst dieser Ausweg blieb nur den allerwenigsten. Kaum einer der Männer hatte noch die Kraft, die Brandung zu durchschwimmen, geschweige denn die Felsen zu ersteigen. Und auch, wenn es ums nackte Leben ging – die Vorstellung, die Schiffe zurückzulassen, widerstrebte ihm zutiefst. Sie waren die Besieger Trojas. Sie hatten den Verlockungen der Lotophagen widerstanden und den Zyklopen besiegt – er würde sich nicht von einer Felswand schlagen lassen!

Trotzdem begann die Situation während des Nachmittags kritisch zu werden. Die Flotte, ohnehin nicht besonders schnell, wurde immer langsamer, und einmal konnte im letzten Moment ein Unglück verhindert werden, als eines der Schiffe den Riffen zu nahe kam und seine Backbordruder an den Felsen zersplitterten, die unter der Wasseroberfläche lauerten. Es gab Verwundete und Tote, und nicht wenige der Männer waren abergläubisch genug, dieses Mißgeschick als böses Omen zu werten.

Dann – der Tag neigte sich schon seinem Ende zu – gewahrte der Mann, den Odysseus in den Mastkorb hinaufgeschickt hatte, einen Einschnitt im Felsen. Eine halbe Stunde später lag eine gewaltige Schlucht vor ihnen, ein granitener

Schlauch, hundert Mannslängen hoch und so schmal, daß die Schiffe nur hintereinander hindurchfahren konnten. Er war nicht besonders lang, und an seinem jenseitigen Ende war das Wasser eines gewaltigen, still daliegenden Sees zu erblicken. Trotzdem zögerte Odysseus lange, den Befehl zum Einlaufen in diesen natürlichen Hafen zu geben.

»Warum warten wir, Odysseus?« fragte Eurylochos, dem das Zögern nicht entgangen war. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Felsenschlucht. »Ich sehe das Grün von Gras und Büschen hinter den Felsen, und sicher gibt es reichlich Wild dort drüben. Und Schatten.«

»Sicher«, bestätigte Odysseus halblaut. »Ich frage mich nur, was noch.«

Eurylochos runzelte die Stirn. Sie standen zwar allein im Bug, aber doch nicht so weit von den anderen entfernt, daß niemand ihre Worte hören konnte. Instinktiv senkte er die Stimme, als er weitersprach. »Du befürchtest einen Hinterhalt?«

»Dieses Land – wenn es ein Land und keine Insel ist – ist bewohnt«, sagte Odysseus anstelle einer direkten Antwort. »Hast du die Lichter vergessen, die wir gesehen haben, Eurylochos? Wir wissen nicht, ob die Menschen, die hier wohnen, uns freundlich gesonnen sind.« Er seufzte, beschattete die Augen mit der Hand und deutete auf den schmalen Streifen freien Himmel, der sich wie ein stahlblaues Seidenband über der Schlucht spannte. »Möglicherweise bin ich zu mißtrauisch, nach allem, was uns zugestoßen ist, mein Freund. Aber diese Schlucht ist wie eine Falle: Eine Handvoll Krieger, die uns von dort oben mit Steinen bewerfen, können unsere ganze Flotte zerstören, sind wir erst einmal darin.«

Odysseus sah es Eurylochos an, daß er heftig widersprechen wollte. Aber dann seufzte er nur, schüttelte den Kopf und blickte wieder nach vorne, zu dem lockenden Grün am Ende der Schlucht. »Du siehst zu schwarz, Odysseus«, behauptete er. »Wenn dieses Land bewohnt ist und wenn sie uns gesehen haben, dann werden sie in ihren Hütten liegen und vor Angst zittern.«

»Vielleicht ist es gerade das, was ich fürchte«, antwortete Odysseus. »Wie würdest du reagieren, Eurylochos, wenn eine Flotte von Kriegsschiffen vor dem Hafen Ithakas erschiene, bemannt mit Aberhunderten von Kriegern?«

Er zögerte einen Moment, und ehe er weitersprach, drehte er sich einmal um seine Achse und blickte jedes der sechs Schiffe, die sie begleiteten, einen Moment lang an.

»Das beste wäre, wir würden hier ankern und nur wenige Männer auf einem Boot dort hineinschicken, um das Land zu erkunden.«

»Das kannst du nicht!« widersprach Eurylochos impulsiv. »Die Männer würden dir den Gehorsam verweigern, Odysseus, wenn du diesen Befehl geben würdest!«

»Ich fürchte, du hast recht«, sagte Odysseus kopfschüttelnd. »Und ich könnte es ihnen nicht einmal verdenken. Auch ich sehne mich nach nichts mehr, als wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und den Geruch von frischem Gras in der Nase. Aber ich kann etwas anderes tun«, fügte er mit veränderter Stimme hinzu. »Gib Befehl, die Schiffe einzeln und in großen Abständen in die Schlucht einfahren zu lassen, so daß immer nur eines zwischen den Felswänden ist. Aber unser Schiff soll hier sicher verankert werden und die Männer auf die anderen verteilt. Dieses Schiff bleibt hier.« Eurylochos nickte, in einer Art, als hätte er nichts anderes erwartet. Er wandte sich um und ging, um Odysseus’ Befehl an die Mannschaft weiterzuleiten.

Wie Odysseus es befohlen hatte, glitt eine Stunde später das erste Schiff in den steinernen Kanal hinein. Odysseus, Eurylochos und einhundert ausgesuchte Krieger standen mit bereitgehaltenen Waffen hinter der schildbesetzten Reling, fünfzig weitere Männer, die Bögen im Anschlag, standen hinter ihnen und behielten die Ränder der Schlucht über ihnen im Auge.

Sie fuhren sehr vorsichtig, denn auch hier gab es Felsen und Riffe, die wie steinerne Speerspitzen unter der Wasseroberfläche lagen. Trotz aller Vorsicht brach eines der Ruder ab und verletzte den Mann, der es bedient hatte, schwer.

Davon abgesehen jedoch verlief die Durchfahrt ruhig, und als die Felsen endlich vor ihnen zur Seite wichen, offenbarte sich ihnen ein Bild, das sie für alle überstandene Unbill entschädigte.

Was vom Meer her wie ein See ausgesehen hatte, entpuppte sich als Teil eines gewaltigen, an drei Seiten von himmelhohen Felswänden umschlossenen natürlichen Hafens, groß genug, nicht nur sechs, sondern sechshundert Schiffe auf einmal aufzunehmen. Genau vor dem Bug ihres Schiffes erstreckte sich ein flacher, schneeweißer Sandstrand, der schon nach wenigen Schritten in grasbewachsenes Land und kurz darauf in einen dichten, schattigen Wald überging. Ein breiter, kristallklarer Fluß ergoß sich murmelnd in den See, und die gewaltigen Felswände, die den granitenen Kessel einfaßten, spendeten wohltuenden Schatten.

Der Mann im Mastkorb schwenkte einen Wimpel – das Zeichen für das nächste Schiff, in den Kanal einzufahren – während die Ruder ein letztes Mal klatschend ins Wasser tauchten und das Schiff so rasch auf den Strand zutrugen, daß der Kiel scharrend über den Sand fuhr und das gewaltige Schiff mit einem sehr harten Ruck zum Halten kam. Die Männer begannen, vor Freude zu rufen und zu schreien; mehr als ein Dutzend sprang kurzerhand über Bord und lief jauchzend über den Strand, ohne irgendeinen Befehl abzuwarten. Odysseus versuchte erst gar nicht, Ordnung in das Chaos zu bringen, das sich unter der Mannschaft ausbreitete. Auch in ihm flüsterte eine Stimme immer stärker, es den Männern gleichzutun und endlich an Land zu gehen, wo Schatten und klares, kaltes Wasser und vielleicht auch Wild lockten, das eine gute Mahlzeit abgeben mochte. Und nach einem weiteren Augenblick des Zögerns gab er nach; mit einem Satz sprang auch er über Bord, watete die letzten Schritte den Strand hinauf und ließ sich mit einem erleichterten Aufschrei im Schatten der ersten Bäume niedersinken.

Für die nächsten Minuten tat er nichts anderes, als einfach dazuliegen und das Gefühl zu genießen, festen, sicheren Boden unter sich zu fühlen, keine schwankenden Schiffsplanken, die zu lange ihrer aller Heimat gewesen waren. Er atmete die kühle, nach Wald und Schatten riechende Luft in tiefen Zügen ein. Er spürte weiches Moos unter den Fingern, nicht das Metall von Waffen oder Holz, das von Salzwasser zerfressen und hart und spröde geworden war. »Vielleicht«, dachte er, »gibt es die Götter des Olymp doch.« Und vielleicht hatten sie im allerletzten Moment ein Einsehen mit ihm und seinen Männern gehabt.

Und doch …

Mit jedem Augenblick, der verging, wurde das bohrende Gefühl in Odysseus stärker, in eine Falle zu tappen.

Die Lästrygonen

Erst als die Sonne sank, hatte auch das letzte Schiff den natürlichen Hafen erreicht. Alle Männer waren von Bord gegangen, und längs des sanft geschwungenen Sandstrandes begannen Dutzende von Feuern aufzulodern, kaum daß sich das erste Grau der Dämmerung am Himmel zeigte. Die Männer waren in ausgelassener Stimmung, von einer Fröhlichkeit, die schon fast an Hysterie grenzte und die nicht einmal durch die schreckliche Bilanz getrübt werden konnte, die Odysseus und seine Hauptleute an diesem Abend zogen: nämlich, daß Hitze und Entbehrungen allein an diesem einen Tag das Leben von fast dreißig Männern gefordert hatten. Dazu kamen noch einmal zehn, die so schwach oder schwer verwundet waren, daß sie den nächsten Morgen kaum erleben würden. Doch der Strand hallte wider von Gesang und Gelächter, und als die Sonne vollends sank, strahlte der Himmel über dem See im roten Widerschein zahlloser, viel zu hoch prasselnder Feuer. In den Geruch von Salzwasser und Wald mengte sich das köstliche Aroma von gebratenem Fleisch: Sie hatten einige Rehe und ein paar Dutzend Hasen und Rebhühner schießen können, ehe der Lärm der Truppen auch das letzte Tier aus der Nähe der Küste vertrieben hatte. Die Beute war viel zu gering gewesen, um siebenhundert hungrige Mäuler zu stopfen, aber allein das Wissen, daß es hier Wild und eßbare Früchte in Hülle und Fülle gab, schien die Männer ihren Hunger und ihre Erschöpfung vergessen zu lassen. Kaum einer beschwerte sich darüber, daß sein Anteil allenfalls reichte, seinen Hunger richtig anzufachen, statt ihn zu stillen. Sie hatten frisches Wasser und einen Schlafplatz im Schatten, und für diesen ersten Abend schien das genug.

Odysseus hatte all seine Macht einsetzen müssen, überhaupt genügend Männer zu finden, um eine Nachtwache rings um das Lager aufzustellen. Und vielleicht war er an diesem Abend der einzige, der nicht ausgelassener Stimmung und frohen Mutes war.

Das schlimme war, daß er nicht einmal wußte, woher seine Bedrückung kam. Bei all seiner Besorgnis und Vorsicht schien es doch wahrscheinlich, daß Eurylochos recht hatte und allein ihr Anblick und der ihrer Schiffe ausreichte, die Bewohner dieser Küste in heller Furcht davonlaufen zu lassen. Sie mochten vielleicht ein Haufen zu Tode erschöpfter Männer sein, aber auf einen Außenstehenden machten sie noch immer den Eindruck eines gewaltigen, ehrfurchtgebietenden Heeres.

Trotzdem wuchs seine Unruhe eher noch, und Eurylochos, der ihn am Strand vermißte und ihn suchen kam, fand ihn allein auf einem moosbewachsenen Felsbuckel sitzend, ein Stück abseits des Lagers an einer Stelle, an der er den Strand und den größten Teil des Hafenbeckens übersehen konnte. Der Hauptmann schien zu spüren, daß etwas in Odysseus vorging, denn er sagte kein Wort. Stumm ließ er sich mit untergeschlagenen Beinen neben Odysseus nieder und reichte ihm ein Stück Fleisch, das so heiß war, daß er es in ein Tuch hatte einschlagen müssen, um sich nicht die Finger zu verbrennen.

Odysseus griff dankbar danach, biß vorsichtig hinein und begann sehr langsam zu kauen. Er war hungrig wie jeder der siebenhundert Männer; trotzdem regte sich sein Gewissen, während er den Fleischgeschmack auf der Zunge spürte, denn diese zweite Portion, die Eurylochos für ihn besorgt hatte, ging jetzt einem der anderen ab. Vielleicht war es sogar Eurylochos’ Ration selbst, die er für ihn aufgespart hatte. Aber dann siegte sein Hunger über alle Skrupel, und er biß ein zweites Mal und kräftiger in das Fleisch und vertilgte es bis auf die letzte Faser.

»Was hast du, Odysseus?« fragte Eurylochos, als er fertig war. »Noch immer Angst, daß sich diese Küste als Hinterhalt erweisen könnte?«

Odysseus antwortete nicht gleich. Sein Blick glitt über die still daliegende Wasserfläche und die Durchfahrt, durch die sie gekommen waren, und verweilte einen Moment auf den Schiffen. Mit ihren aufgerollten Segeln und den halb ins Wasser gesenkten Rudern sahen sie in der Dunkelheit, die ihre Farben verschlang und ihre Konturen verwischte, wie bizarre, riesige Insekten aus, fand er. Wie Käfer, die sich im unsichtbaren Netz einer ebenfalls unsichtbaren, aber sehr giftigen Spinne verfangen hatten.

Er verscheuchte das Bild. »Ja«, gestand er, ohne Eurylochos dabei anzusehen. »Aber das ist es nicht allein, was mir Sorge bereitet, mein Freund. Wir sind genug, uns jeden Angreifers zu erwehren, und wer immer über diesen Teil der Welt herrscht, wird sich sehr gründlich überlegen, ob es nicht besser wäre, uns zum Freund zu haben statt zum Feind.« Er seufzte. »Ich wäre froh, wäre ein feindliches Heer unsere einzige Sorge.«

Eurylochos nickte. »Du sorgst dich darum, wie wir von hier fortkommen.« »Und nach Hause«, bestätigte Odysseus. »Ich bin des Hemmirrens müde, mein Freund. Ich will zurück nach Ithaka, in meinen Palast und zu meiner Frau. Zu meinem Sohn, Eurylochos.« Er sah den Hauptmann ernst an. »Ich habe ihn zehn Jahre nicht gesehen. Er muß ein Mann geworden sein in dieser Zeit. Ich will endlich nach Hause!«

»Das will jeder dieser Männer«, antwortete Eurylochos und deutete auf das Lager hinab. »Du bist nicht der einzige, der Frau und Kinder zurückgelassen hat. Aber warum zerbrichst du dir schon wieder den Kopf über morgen, Odysseus? Noch vor Tagesfrist sah es so aus, als würde keiner von uns den heutigen Abend erleben, und nun sind wir an Land und haben Wasser und Nahrung. Du solltest dich freuen, am Leben zu sein. Statt dessen suchst du verzweifelt nach dem nächsten Problem, mit dem du dich herumplagen kannst.« Er seufzte. »Wirst du es denn nie lernen, einfach einmal den Augenblick zu genießen, Odysseus?«

»Nein«, antwortete Odysseus ernst. »Nicht, solange ich König bin. Ich bin für jeden einzelnen dieser Männer verantwortlich, Eurylochos. Sie sind mir gefolgt, als ich sie zu den Waffen rief. Das war vor zehn Jahren. Jetzt bin ich es ihnen schuldig, sie wieder nach Hause zu bringen.«

Eurylochos wollte antworten, doch in diesem Moment knackte im Wald hinter ihnen ein Ast, ein Laut, wie ihn ein menschlicher Fuß verursachen mochte, der auf trockenes Gras trat. Odysseus sprang auf und zog sein Schwert. Eurylochos meinte für einen Moment einen huschenden Schatten zu sehen, war sich aber nicht gänzlich sicher. Trotzdem zog er wie Odysseus seine Waffe aus dem Gürtel. Mit einer knappen Geste befahl er die am nächsten stehende Wache heran, und im Schein der Fackeln, die die beiden Männer mitgebracht hatten, drangen sie in den Wald ein.

Das Unterholz war dicht und starrte von dornigen Zweigen, so daß sie sich mit ihren Klingen einen Weg hindurchbahnen mußten und trotzdem nur sehr langsam vorankamen. Aber sie sahen schon nach kurzer Zeit, daß sie nicht die ersten waren, die hier entlanggingen: Im hellen, wenn auch nicht sehr weit reichenden Licht der Fackeln waren deutlich die Spuren eines Menschen zu erkennen, der vor nicht langer Zeit durch den Wald gebrochen sein mußte.

»Ein ungewöhnlich kräftiger Mann«, dachte Odysseus besorgt, »den Ästen und Zweigen nach zu schließen, die er geknickt hat.«

Nach einer Strecke von vielleicht hundert Schritten lichtete sich der Wald, und sie kamen besser voran. Trotzdem gab Odysseus nach weiteren wenigen Augenblicken den Befehl stehenzubleiben.

»Warum halten wir?« fragte Eurylochos. »Der Weg wird besser, und – «

»Für den anderen auch«, unterbrach ihn Odysseus. Einen Moment lang starrte er aus nachdenklich zusammengepreßten Augen in die Dunkelheit hinaus, dann schüttelte er den Kopf, rammte sein Schwert in den Gürtel zurück und drehte sich langsam um. »Zurück zum Lager!« befahl er. »Es ist sinnlos, die Verfolgung bei Nacht fortzusetzen.«

Die beiden Krieger in ihrer Begleitung gehorchten wortlos, aber Eurylochos sah ihnen die Erleichterung an, mit der sie Odysseus’ Worte erfüllte. Alles war viel zu schnell gegangen, als daß er Zeit zum Nachdenken gefunden hätte. Aber im Nachhinein mußte auch er zugeben, daß ihm der Gedanke, bei Nacht und in diesem Wald einem Unbekannten zu folgen, alles andere als gefallen hätte.

Im Lager am Strand herrschte helle Aufregung, als sie zurückkamen. An die hundert Männer waren aufgesprungen und hatten zu ihren Waffen gegriffen. Odysseus mußte ein paarmal mit vollem Stimmaufwand rufen, um sich über dem Chor wild durcheinanderschreiender Stimmen überhaupt Gehör zu verschaffen. Die Kapitäne der sechs Schiffe und ein gutes Dutzend seiner Hauptleute bedrängten ihn, und einige rieten gar, vorsichtshalber zurück an Bord der Schiffe zu gehen, um vor einem überraschenden Überfall sicher zu sein.

»Es besteht überhaupt kein Grund zur Sorge«, sagte Odysseus eindringlich, nachdem er sich endlich Gehör verschafft hatte. »Vielleicht war es nur ein Bauer, der neugierig war, oder ein Kind.« Er wies mit einer weit ausholenden Geste hinunter zum Strand. »Ihr alle habt die Lichter gesehen in der vergangenen Nacht. Diese Küste ist bewohnt, und natürlich werden die Menschen hier nachsehen, wer da so unversehens aus dem Meer gekommen ist. Was habt ihr erwartet?« Er lachte halblaut. »Wir sind siebenhundert. Selbst wenn uns die Menschen hier feindselig gesonnen sind, werden sie es sich gründlich überlegen, uns anzugreifen. Nun geht wieder zu euren Lagern zurück und schlaft. Morgen bei Sonnenaufgang werden Eurylochos und ich nach dem Rechten sehen.« Tatsächlich legte sich die Unruhe unter den Griechen nach diesen bestimmten Worten allmählich.

Trotzdem dauerte es noch lange, bis Eurylochos und Odysseus endlich wieder allein waren, und das Lachen und Reden, das wie das Geräusch einer fernen Brandung vom Strand zu ihnen heraufdrang, klang merklich gedrückter.

»Weißt du eigentlich, daß du genau das Gegenteil dessen gesagt hast, was du mir selbst noch vor weniger als einer Stunde anvertraut hast?« fragte Eurylochos, nachdem auch der letzte Mann aus ihrer Hörweite verschwunden war.

Odysseus nickte. »Natürlich, mein Freund. Ich verstehe ihre Furcht nur zu gut. Sie fürchten nichts anderes als ich auch.« Er drehte sich um und sah Eurylochos ernst an. »Aber es ist zu spät, sich Gedanken darüber zu machen, was wir hätten tun sollen. Morgen früh werden du und ich die zehn tapfersten Krieger auswählen und zusammen mit ihnen nach den Bewohnern dieser Küste suchen. Dann wird sich erweisen, wer von uns recht hatte.«

Das Mädchen stand an der Quelle, ein wenig nach vorne gebeugt und mit nur einer Hand den Krug haltend, mit dem sie Wasser schöpfte. Den anderen Arm hatte sie nach hinten gestreckt, um so das Gleichgewicht zu halten, und selbst über die große Entfernung, die noch gute dreißig oder auch vierzig Schritte betragen mochte, war deutlich zu erkennen, wie groß sie war. Wenn Odysseus gerade jemals eine Riesin gesehen hatte, dann sie.

Trotzdem zögerte er nur wenige Augenblicke, bevor er aus der Deckung des Busches hervortrat, hinter dem er mit Eurylochos und den anderen gewartet hatte. Er näherte sich dem Mädchen und gab sich keine Mühe, leise zu sein oder gar zu schleichen. Aber die schwarzhaarige Fremde schien so in ihr Tun vertieft, daß sie seine Annäherung nicht einmal bemerkte. Selbst als er so dicht hinter ihr stand, daß sein Schatten den ihren berührte und sie ihn einfach sehen mußte, äußerte sie kein Anzeichen von Überraschung oder gar Schrecken, sondern schöpfte in aller Ruhe den Krug voll, ehe sie ihn absetzte und sich fast gemächlich zu ihm umwandte. Einen Moment lang blickte sie aus ihren sehr großen, dunklen Augen auf ihn herab, dann runzelte sie die Stirn, lächelte gleichzeitig und fragte: »Wer bist du, kleiner Mann?«

Odysseus schluckte überrascht. Wer ihn zum ersten Male sah und dann seinen Namen hörte, war manchmal überrascht, denn er war alles andere als ein Hüne, sondern ein normal großer, wenn auch sehr kräftig gewachsener Mann, in dem man nicht unbedingt den berühmten Odysseus vermutete – aber mit »kleiner Mann« hatte ihn denn doch noch niemand angesprochen.

Allerdings war er auch noch nie einem Mädchen von Statur und Wuchs eines fünfzehnjährigen Kindes begegnet, das gut drei Köpfe größer war als er …

»Sprichst du unsere Sprache nicht?« erkundigte sich die Riesin freundlich, als er nicht gleich antwortete, sondern sie nur weiter verwirrt anstarrte.

»Doch, doch, natürlich«, beeilte sich Odysseus zu versichern, der sich nun seinerseits wunderte, wieso die Fremde seine Sprache sprach. »Ich war nur so überrascht, Euch …« Er lächelte freundlich, schüttelte den Kopf und setzte von neuem an: »Verzeiht meine Unhöflichkeit. Ich bin Odysseus, der Sohn des Laertes und König von Ithaka.«

»Und mich nennt man Mandria«, erwiderte das Mädchen. »Tochter des Aminus, des Königs aller Lästrygonen. Ihr gehört sicher zu den Zwergen, deren Boote das Meer gestern angespült hat.«

Odysseus atmete hörbar ein, dann setzte er zu einer scharfen Antwort an. Doch plötzlich begriff er: Wenn alle Bewohner dieses sonderbaren Landes so groß waren wie dieses Mädchen, dann waren sie wahrlich Zwerge. Er lächelte erneut, blieb aber auf der Hut.

»Die Lästrygonen?« fragte er. »Nennt man Euer Volk so?«

Mandria nickte zur Antwort. Sie hob den Tonkrug auf, der fast so groß wie ein normaler, ausgewachsener Mann war und mit Wasser gefüllt seine drei Zentner wiegen mußte – und lud ihn sich auf die Schulter. »Der Palast meines Vaters liegt gleich hinter jenen Hügeln dort. Wenn Ihr wollt, bringe ich Euch zu ihm, Odysseus. Und Eure Kameraden, die sich dort drüben in den Büschen verbergen, auch«, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.

Odysseus war entsetzt: Woher wußte dieses Mädchen Bescheid?

Einen Moment lang wurde das Gefühl, in eine Falle zu tappen, wieder übermächtig. Aber dann sah er in die freundlichen Augen des Mädchens. »Und selbst wenn es ein Hinterhalt ist«, dachte er, »ist es besser, seine Feinde zu kennen.«

Er drehte sich herum und gab Eurylochos das vereinbarte Zeichen, aus seinem Versteck hervorzutreten. Der Hauptmann gehorchte, und kurz nach ihm traten auch die zehn Krieger hervor, die zu ihrem Schutz mitgekommen waren, aber keiner von ihnen näherte sich der Riesin auf mehr als fünf Schritte. Obgleich die Männer alles taten, äußerlich beherrscht zu erscheinen, gelang es ihnen nicht ganz, die Furcht zu verbergen, die Mandrias Anblick in ihnen wachrief.

Dem riesenhaften Mädchen entgingen die Blicke nicht, mit denen die waffenstarrenden Krieger sie musterten. Aber was immer sie dabei empfinden mochte, sie ließ sich nichts anmerken, sondern lud sich nur den zweiten Tonkrug auf die andere Schulter, deutete mit einer Kopfbewegung auf die Hügel, die sie Odysseus schon vorher bezeichnet hatte, und ging ohne ein weiteres Wort los.

»Du willst ihr doch nicht wirklich folgen?« fragte Eurylochos erschrocken, als Mandria außer Hörweite war.

»Warum nicht?« entgegnete Odysseus. »Ihre Einladung war sehr freundlich, oder?«

»Aber das sind Riesen!« keuchte Eurylochos. »Und sicherlich Menschenfresser …!«

»Unsinn!« fiel ihm Odysseus zornig ins Wort. »Nur weil sie groß sind, müssen sie nicht schlecht sein, oder? Wären sie es, hätten sie uns gestern abend mit Leichtigkeit überfallen können.

Nein, Eurylochos, du siehst Gespenster. Und selbst wenn du recht hättest – sollen wir hier warten, bis sie uns angreifen? Besser, wir sehen mit eigenen Augen, was uns bedroht.« Trotzdem winkte er einen der Männer zu sich. »Du«, sagte er. »Gehe zurück zum Lager und berichte, was du gesehen hast. Sage den Männern, daß dieses Land von Riesen bewohnt wird und sie nicht erschrecken sollen, sollten sie sie zu Gesicht bekommen. Und«, fügte er nach einem kurzen Zögern hinzu, »gib Befehl, die Schiffe für einen schnellen Aufbruch bereit zu halten.«

Mittlerweile hatte Mandria schon fast den gegenüberliegenden Rand der Lichtung erreicht, so daß sie sich beeilen mußten, sie noch einzuholen. Mandria ging zwar nicht sehr schnell, aber ihre Schritte waren so gewaltig, daß Odysseus und seine Begleiter ohnehin alle Mühe hatten, ihr zu folgen.

Mandria führte sie ein Stück weit durch den Wald, durch den kein Pfad ging. Sie brach einfach durch das Unterholz, wobei sie es nicht einmal zu bemerken schien, wenn sie Geäst knickte, und mehr als einmal konnte Odysseus gerade noch zurückspringen oder den Kopf einziehen, um nicht von einem zurückschnellenden Ast zu Boden geschleudert zu werden. Er atmete auf, als sie nach einer Weile den Wald verließen und die nur mit Gras und niedrigen Büschen bewachsenen Hügel emporgingen.

Als sie die Hügelkuppe erreichten, sah er das, was Mandria als den Palast ihres Vaters bezeichnet hatte.

Es war eine Stadt.

Eine sehr große Stadt.

Verblüfft blieb er stehen und blickte auf die zyklopischen Mauern herab, hinter denen sich ein Gewirr von Türmen und Zinnen und erkergeschmückten Dächern erhob. Selbst für die Vorstellungen eines Volkes von Riesen mußte die Stadt groß sein. Sein eigener Palast in Ithaka kam ihm unbedeutend vor gegen die kolossale, kilometerlange Wehrmauer, deren Zinnen mit spitzen, nach außen gebogenen, eisernen Dornen versehen waren. Eine große Zahl Bewaffneter patrouillierte hinter ihnen. Hatten Odysseus und seine Männer bisher außer Mandria keinen Bewohner dieses Landes zu Gesicht bekommen, so sahen sie jetzt hinter den offenstehenden Toren eine gewaltige Menschenmenge, die die Straßen der Stadt füllte.

»Ist das …der Palast Eures Vaters?« fragte Odysseus stockend.

Mandria lächelte. »Sein Palast und unsere Hauptstadt«, bestätigte sie. »Telepylos. Habt Ihr erwartet, daß wir in Höhlen wohnen, kleiner Mann?«

Odysseus schluckte die wütende Entgegnung auf die neuerliche Beleidigung herunter, die ihm auf der Zunge lag, murmelte statt dessen seinerseits eine Entschuldigung und gab Eurylochos und den anderen ein Zeichen, dichter aufzurücken, während sie sich der Stadt der Riesen näherten.

Ihr Kommen mußte bemerkt worden sein, denn allein auf dem Teil der Mauern, den Odysseus einsehen konnte, hielten sich mehr als fünfzig Wachen auf, aber niemand kam ihnen entgegen oder hinderte sie gar, durch das Tor zu treten. Und auch von den Männern und Frauen, die in den Straßen von Telepylos ihren Geschäften nachgingen, schenkte kaum einer den Fremden mehr als einen flüchtigen Blick. »Es ist, als seien bewaffnete Fremde, die in Begleitung der Tochter des Königs in die Stadt kommen, hier das Alltäglichste der Welt«, wunderte sich Odysseus. »Oder als wüßten sie alle, daß wir kommen.«

Er verschwendete an diesen Umstand allerdings kaum mehr als diesen einen einzigen – und auch nur sehr flüchtigen – Gedanken. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, zu staunen.

Er sah jetzt, warum ihn Mandria unentwegt »kleiner Mann« genannt hatte – er war klein, ein Zwerg im Vergleich mit den Einwohnern dieser unglaublichen Stadt, von denen ihn mehr als nur einer glattweg um das Doppelte überragte. Mandria konnte, an ihrer Größe gemessen, kaum älter als elf oder zwölf Jahre alt sein, und Odysseus sah ein paar Knaben, die allerhöchstem neun Sommer gesehen hatten, schon jetzt aber so groß waren wie er.

Und entsprechend den Einwohnern war alles in Telepylos. Die Häuser schienen ihm so gigantisch, daß man ein kleines Schiff durch ihre Türen hätte schieben können, und die Brunnen, von denen es überreichlich viele gab, glichen kleinen Seen. Als Mandria ihn und seine Begleiter schließlich die Treppe zum Palast ihres Vaters emporführte, waren die Stufen so hoch, daß er Mühe hatte, sie zu erklimmen und dabei noch einigermaßen würdig auszusehen.

»Wartet hier«, sagte Mandria, als sie die Vorhalle betreten hatten. »Ich gehe und sage meinem Vater Bescheid, daß Gäste gekommen sind.« Sie setzte ihre Krüge achtlos zu Boden und wollte sich umwenden, aber Eurylochos rief sie zurück.

»Warte, Mandria«, sagte er. »Beantworte mir eine Frage.«

Das Mädchen legte den Kopf auf die Seite und lächelte gutmütig auf Eurylochos herab. »Ja?«

Der Hauptmann deutete auf die beiden Wasserkrüge. »Warum warst du unten an der Quelle?« fragte er mißtrauisch. »Es gibt mehr Wasser in eurer Stadt, als ihr braucht.«

»Weil das Wasser der Quelle unten im Wald besser schmeckt«, antwortete Mandria. »Es kommt frisch aus dem Boden, während das unsere hier warm und schal ist, wenn es aus den Brunnen kommt.«

»Und weil ich es für besser hielt, ein Kind zu eurer Begrüßung zu schicken statt eines Kriegers«, fügte eine andere Stimme hinzu.

Odysseus, Eurylochos und die anderen Griechen fuhren gleichzeitig herum, und Odysseus unterdrückte im letzten Moment einen erschrockenen Schrei, als er den Mann sah, der da gesprochen hatte.

Er war ein Gigant. Selbst in einem Volke von Riesen fiel er noch durch seine Größe auf. Mehr als doppelt so groß wie Odysseus und so breitschultrig, daß er schon fast mißgestaltet wirkte, blickte er wie ein zum Leben erwachter Berg auf die elf kleinen Menschen vor sich herab.

»Wir wollten euch nicht unnötig erschrecken, edle Herren.« Er lächelte, trat mit einem mächtigen Schritt auf Mandria zu, die neben ihm nun wirklich wie ein Kind wirkte, und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Du kannst gehen, meine Kleine«, sagte er. »Du hast deine Sache gut gemacht.«

Mandria entfernte sich rasch, während sich ihr Vater wieder zu Odysseus und den anderen umwandte. »Ich bin Aminus, König von Telepylos und Herrscher dieses Landes«, sagte er. »Und wer seid Ihr, edle Herren?«

»Mein Name ist Odysseus«, antwortete Odysseus – wobei er sich bemühte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben, und trat dem Riesen einen halben Schritt entgegen. »Der Sohn des Laertes und König von Ithaka.«

»Ein König also.« Aminus lächelte, als wäre er mit dem, was er hörte, aufs äußerste zufrieden. »Dann geziemt es sich um so mehr, daß ich Euch in meinem Hause willkommen heiße. Ihr seid der Befehlshaber der Flotte, die in unserem Hafen Zuflucht suchte?«

Odysseus nickte. »Wir sind im Sturm vom rechten Kurs abgekommen und – «

»Und unsere Küste war die letzte Zuflucht, nachdem ihr schon glaubtet, auf dem Meer sterben zu müssen«, unterbrach ihn Aminus mit einem Seufzen. »Ich weiß, Odysseus.«

»Ihr … wißt?« wiederholte Odysseus verwirrt.

Aminus lächelte, und wahrscheinlich sollte es gutmütig aussehen, aber bei seinem gewaltigen Gesicht wirkte es eher wie eine abschreckende Grimasse. »Ihr seid nicht der erste, den das Schicksal an die Küste unseres Landes wirft«, erklärte er. »Ganz und gar nicht. Das Meer vor unserer Steilküste ist tückisch, und es ist sehr groß. Es vergeht kein Jahr, in dem nicht ein oder zwei Schiffe hierherkommen, und zahllose andere verschlingt der Ozean, ehe sie unsere Küste finden. Allerdings kommt es nicht jeden Tag vor, daß eine ganze Flotte von Kriegern bei uns landet. Ihr kommt doch in Frieden, hoffe ich?« fügte er hinzu, wenn auch in einem Tonfall, der eher neugierig denn besorgt klang.

Odysseus nickte. »Wir sind die letzten des Heeres, das gegen Troja zog«, sagte er »Doch mit Euch und Euren Untertanen haben wir keinen Streit. Ganz im Gegenteil, König Aminus. Wir … hoffen auf Eure Hilfe.«

»Hilfe?« Aminus runzelte die Stirn. »Wie können wir Euch helfen?«

»Unser Weg war weit«, antwortete Odysseus zögernd. »Und wir sind viele.«

»Ich verstehe. Eure Vorratskammern sind leer, und ihr seid hungrig.« Er lachte. »Wir haben hier nicht mehr, als wir selbst brauchen, König Odysseus. Doch unsere Wälder sind voller Wild. Ich kann Euren Männern die Erlaubnis geben, so viel zu jagen, wie sie mögen.«

»Wir … sind sehr viele, Aminus«, sagte Odysseus zögernd. »Wir werden viel Wild brauchen, unsere Schiffe für die Heimreise auszurüsten.«

»Jagt von dem Wild, soviel ihr wollt«, sagte Aminus noch einmal. »Wir brauchen es nicht. Aber was stehen wir hier herum und reden«, fuhr er in verändertem Ton fort. »Ihr müßt müde und hungrig sein, und ich frage Euch aus wie dahergelaufene Bettler, die an meiner Tür kratzen. Verzeiht meine Unhöflichkeit, Odysseus.« Er klatschte in die Hände, und unmittelbar darauf erschien ein halbes Dutzend prachtvoll gekleideter Diener in der Halle, die sich ehrfurchtsvoll vor ihm verneigten.

»Zeigt unseren Gästen ihr Quartier«, befahl Aminus. »Bringt Wein und sauberes Wasser und laßt ihnen an nichts fehlen. Später«, fuhr er, wieder an Odysseus gewandt, fort, »werden wir zusammen speisen. So lange könnt ihr euch mit allen Wünschen vertrauensvoll an meine Diener wenden. Sie werden sie erfüllen, als wären es meine eigenen.«

Und damit wandte er sich um und ließ Odysseus und seine Begleiter einfach stehen.

Eurylochos blickte ihm verwirrt nach und setzte dazu an, etwas zu sagen, aber Odysseus gebot ihm mit einer raschen Geste, still zu sein. Ohne ein weiteres Wort folgten sie den Dienern.

Aminus’ Männer führten sie in einen weitläufigen, aber allem Anschein nach vollkommen leerstehenden Teil des Palastes. Die Kammern, die jeweils zweien von ihnen zugewiesen wurden, waren behaglich eingerichtet, wenn auch für die Bedürfnisse von Riesen, so daß Odysseus das Vorhaben, sich auf einen Stuhl zu setzen, rasch wieder aufgab. Aber es gab breite, mit Fellen bedeckte Betten, auf denen sich bequem sitzen ließ. Die Diener schleppten fürsorglich gewaltige Krüge mit Wein und noch gewaltigere Schalen mit klarem Wasser heran, dazu saubere Tücher, die nach kostbaren Ölen rochen. Den Wein ließen sowohl Odysseus als auch Eurylochos zunächst stehen, denn sie wollten beide einen klaren Kopf behalten. Aber sie tranken von dem Wasser und wuschen sich anschließend ausgiebig. Auch wenn sie danach wieder in ihre schmutzstarrenden Kleider schlüpften, fühlten sie sich doch weitaus sauberer als zuvor.

Eurylochos war sehr schweigsam, während die Diener stumm dabeistanden und ihm und Odysseus frische Tücher reichten, und auch Odysseus sprach kaum ein Wort, bis sie endlich allein waren. Und selbst dann huschte Odysseus zur Tür, schob den innen in Kopfhöhe angebrachten Riegel zur Seite und lugte vorsichtig durch die offene Tür auf den Gang hinaus, ehe er sich wieder zu Eurylochos umwandte.

»Das alles hier gefällt mir nicht«, sagte er langsam. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war sehr ernst. »Wir hätten uns zumindest nicht von den Kriegern trennen sollen.«

»Sie sind doch sehr freundlich«, sagte Eurylochos, um ihn zu beruhigen, wenn auch ohne rechte Überzeugung. »Dieser Aminus scheint ein Mann zu sein, der weiß, was sich gehört.« »Wenn er wirklich so ist, wie er uns glauben machen will, ist er ein kompletter Narr«, sagte Odysseus zornig. »Ich an seiner Stelle würde nicht so gelassen reagieren, wenn ein ausgewachsenes Heer vor meiner Haustür erscheint. Selbst wenn es ein Heer von Zwergen ist«, fügte er finster hinzu, als Eurylochos widersprechen wollte. »Auch ein kleines Schwert kann töten.«

»Du fürchtest noch immer einen Hinterhalt?«

»Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll«, gestand Odysseus nach kurzem Überlegen.

In diesem Moment erscholl auf dem Gang ein lautstarkes Poltern, und noch bevor Odysseus sich ganz umgewandt hatte, wurde die Tür mit einem heftigen Ruck zugezogen, und ein dumpfes, nur zu vertrautes Scharren drang an sein Ohr: Der Laut, mit dem ein Riegel vorgeschoben wurde.

Odysseus starrte die Tür einen Herzschlag lang an, dann schrie er auf, griff mit beiden Händen an den Riegel und rüttelte mit aller Kraft daran.

Das einzige Ergebnis seiner wütenden Bemühungen waren vier oder fünf abgebrochene Fingernägel.

Draußen erscholl ein meckerndes Lachen, dann öffnete sich eine Klappe in der Tür, die den beiden Gefährten bisher verborgen geblieben war, und Aminus’ breitflächiges Gesicht starrte zu ihnen herein, von einem höhnischen, durch und durch bösen Lachen verzerrt.

»Nun, die Herren?« fragte er hämisch. »Ich hoffe, ihr seid mit dem Quartier zufrieden, das ich euch zu weisen ließ.« »Was bedeutet das, Aminus?« fragte Odysseus zornig. »Öffnet sofort die Tür!«

»Fällt mir nicht ein«, antwortete Aminus grinsend. »Macht mich nicht für eure eigene Unvernunft verantwortlich. Ihr hättet den Wein trinken sollen, den ich euch kredenzen ließ, das hätte euch viel Ungemach erspart.« Er kicherte. »Eure Begleiter waren da klüger.«

Es dauerte einen Moment, bis Odysseus begriff. »Gift?« murmelte er. »Es war … Gift in dem Wein?«

»Aber nicht doch, Odysseus«, sagte Aminus tadelnd. »Wofür haltet Ihr mich? Nur ein kleines Schlafmittel – wenngleich auch nicht alle Eure Begleiter aus diesem Schlaf wieder aufwachen werden.«

»Du Hund!« brüllte Odysseus und zog sein Schwert. »Wenn du Mut hast, komm herein und kämpfe mit mir!« »Kämpfen?« Aminus starrte ihn an, als zweifle er ernsthaft an Odysseus’ Verstand. »Aber warum sollte ich so etwas Närrisches tun, mein lieber Odysseus?«

»Dafür werdet Ihr bezahlen!« schrie Odysseus. »Meine Krieger werden Eure Stadt dem Erdboden gleichmachen! Wir werden Telepylos schleifen, daß der Brand von Troja Euch dagegen wie ein Spaß vorkommt!«

»Macht Euch nicht lächerlich, Odysseus«, sagte Aminus ruhig. »Was Eure Krieger angeht, mit denen werdet Ihr rascher wieder vereint sein, als Ihr glaubt. Noch vor dem nächsten Sonnenaufgang, um genau zu sein. Aber anders, als Euch vielleicht lieb ist«, fügte er hämisch hinzu.

Odysseus hieb wütend mit dem Schwert gegen die Tür, aber das Holz war hart wie Eisen, und die Waffe wurde ihm aus der Hand geprellt, ohne auch nur eine sichtbare Scharte darin zu hinterlassen. Aminus lachte dröhnend, während Odysseus seine schmerzende Hand massierte.

»Was bedeutet das, Aminus?« fragte er, mühsam beherrscht. »Warum bekämpft Ihr uns? Wir sind nicht Eure Feinde. Alles, was wir wollten, war ein wenig Nahrung und wenige Tage Ruhe, um unsere Schiffe instand zu setzen. Ich gebe Euch mein Ehrenwort, daß wir absegeln, ohne Eurer Stadt auch nur nahe zu kommen.«

»Jetzt verlegt er sich aufs Bitten, der kleine Mann«, sagte Aminus kopfschüttelnd. »Aber es nutzt ihm nichts. Habt Ihr schon vergessen, was ich Euch vorhin erzählte? Das Meer spült oft Schiffe an unsere Küste … und noch keines von ihnen ist jemals wieder abgefahren.«

»Dann tötet ihr sie alle?« murmelte Eurylochos erschrocken.

Aminus nickte. »Von irgend etwas müssen wir schließlich leben«, antwortete er betrübt. »Aber keine Sorge – bis es soweit ist, wird es euch an nichts fehlen.« Und damit begann er schallend zu lachen, warf die Klappe zu und polterte lautstark davon.

»Was hat er damit gemeint – bis es soweit ist?« fragte Eurylochos erschrocken.

Odysseus antwortete nicht, sondern starrte die geschlossene Tür einen Moment lang betroffen an. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. »Kannst du dir das nicht denken?« fragte er schließlich, sehr leise und mit fast tonloser Stimme. »Erinnere dich an deine eigenen Worte, Eurylochos.«

»Du … du meinst, sie …stotterte Eurylochos.

»Aminus hat uns zum Essen eingeladen, oder?« erinnerte Odysseus. »Er hat nur vergessen, zu sagen, daß wir das Abendessen sein werden.«

Den ganzen Tag sannen sie über eine Möglichkeit nach, aus ihrem Gefängnis zu fliehen. Aber ihre Lage schien aussichtslos: Das einzige Fenster ihres Quartiers war mit daumendicken Eisenstangen vergittert und lag zudem so hoch über dem Boden, daß ein Sprung hinaus der pure Selbstmord gewesen wäre, und die Tür schien massiv genug, dem Ansturm eines wütenden Bullen standzuhalten. So verlegten sie sich darauf, einen Hinterhalt zu ersinnen, in den sie ihre Bewacher locken konnten, wenn sie hereinkamen, um ihnen Essen und Trinken zu bringen. Eine oder zwei dieser Ideen waren auch wahrhaft genial genug, um Odysseus’ Beinamen – der »Listenreiche« – alle Ehre zu machen, aber sie alle hatten einen kleinen, entscheidenden Fehler: Ihre Bewacher betraten die Zelle nicht.

Am frühen Nachmittag wurde ihnen Essen gebracht: Obst, Brot und Käse prasselten durch die Klappe. »Sie wollen uns mästen«, entfuhr es Odysseus entsetzt. Eurylochos sprang mit einem Wutschrei zur Klappe und stach mit seinem Schwert hindurch. Die Waffe wurde ihm aus der Hand geprellt und – in zwei Teile zerbrochen – wieder hereingeworfen.

Als sich Odysseus später lauthals schreiend auf dem Boden krümmte und Krämpfe vortäuschte, machten sich ihre Bewacher nicht einmal die Mühe, nach ihm zu sehen – geschweige denn, die Tür zu öffnen.

Odysseus war mutlos wie selten zuvor in seinem Leben, als sich der Tag dem Ende zuneigte und die Sonne vor dem vergitterten Fenster zu sinken begann; zusätzlich zu seiner eigenen ausweglosen Lage, kam die Sorge um das Heer: Aminus’ Worte, daß er schon am nächsten Morgen wieder mit all seinen Kriegern vereint sein sollte, konnten nichts anderes bedeuten, als daß die Riesen noch für diesen Abend einen Überfall auf das Lager unten am Stand planten. Es gehörte nicht sehr viel Phantasie dazu, sich den Kampf auszumalen: Odysseus’ Krieger waren erschöpft bis zum äußersten. Einen Angriff normaler, menschlicher Gegner hätten sie vielleicht noch abwehren können – gegen ein Heer kampfeslustiger Riesen waren sie machtlos.

So kam es, daß Odysseus das Scharren an der Tür im ersten Moment gar nicht hörte, sondern erst aufmerksam wurde, als Eurylochos plötzlich aufstand und sein abgebrochenes Schwert zur Hand nahm – eine erbärmliche Waffe, aber immer noch besser als gar keine.

»Was ist los?« fragte er.

Eurylochos schüttelte hastig den Kopf, legte den Finger an die Lippen und deutete zur Tür. Und jetzt hörte es Odysseus auch: ein leises, aber beständiges Scharren und Schaben – fast, als zöge jemand draußen den Riegel zurück und bemühe sich dabei, so wenig Lärm wie nur möglich zu machen.

Odysseus deutete mit einer Kopfbewegung auf den toten Winkel neben der Tür und baute sich breitbeinig und mit vor der Brust verschränkten Armen vor dem Eingang auf, während Eurylochos zu der bezeichneten Stelle huschte, seine eigene Waffe zog und sich eng gegen die Wand preßte.

Das Scharren hielt an, dann ertönte ein leises Poltern, und einen Herzschlag später wurde die Tür nach innen geschoben. Ein rotes, entsetzlich verzerrtes Gesicht lugte zu ihnen herein; tödliches Metall blitzte.

Odysseus sprang so schnell vor, daß Eurylochos der Bewegung kaum folgen konnte. Noch ehe der andere auch richtig begriff, wie ihm geschah, hatte Odysseus die Tür zur Gänze aufgerissen, den Burschen mit der Linken bei der Gurgel gepackt und mit der anderen Hand sein Schwert in die Höhe gerissen.

Aber er führte den begonnenen Hieb nicht zu Ende, sondern erstarrte mit einem überraschten Laut mitten in der Bewegung, blickte den Mann ungläubig an – und ließ ihn fast erschrocken los.

Es war kein Lästrygone. Der Mann war im Gegenteil eher klein gewachsen, selbst für einen Griechen, und trug den schwarzen Lederpanzer von Odysseus’ Kriegern, mit den Insignien eines Hauptmanns auf der Schulter. Sein Gesicht war blutüberströmt und der Ausdruck darauf eine Grimasse des Schmerzes.

»Andres!« rief Odysseus erschrocken. »Wo bei Zeus kommst du her?«

Der Grieche wollte antworten, aber als er den Mund öffnete, kam nur ein erschöpftes Stöhnen über seine Lippen, und mit einem Male begann er zu wanken und wäre gestürzt, hätte Odysseus ihn nicht gedankenschnell aufgefangen.

Behutsam ließ er den Verletzten zu Boden gleiten, Eurylochos holte ein Kissen und bettete seinen Kopf darauf, während Odysseus zur Tür huschte und einen sichernden Blick auf den Gang hinauswarf, ehe er zurückkam und neben Andres niederkniete.

»Flieh, Odysseus«, stöhnte der Hauptmann. »Ihr seid … in Gefahr. Alle. Die Lästrygonen … «

»Sie wollen uns töten, ich weiß«, sagte Odysseus ernst, als der Hauptmann nicht weitersprach. »Aber was ist mit dir? Wie konntest du fliehen, und wo sind die anderen?«

»Tot«, murmelte Andres. »Sie haben sie … erschlagen. Alle erschlagen … Auch ich sollte … getötet werden, aber ich … konnte fliehen.«

»Alle tot?« entfuhr es Eurylochos. Seine Augen weiteten sich vor Schrecken. »Sie haben sie alle erschlagen? So rede doch!« Er begann an Andros’ Schulter zu rütteln, als der Hauptmann nicht gleich antwortete, aber Odysseus schlug seine Hand unsanft beiseite.

»Hör auf!« sagte er scharf. »Du siehst doch, daß er verwundet ist.«

Aber in diesem Moment hob Andros die Hand und sah Odysseus an, und sein Blick war plötzlich klar. »Laß ihn, Odysseus«, sagte er. »Er hat ja recht. Ich … kam, um euch zu warnen. Ich werde sterben, aber ihr müßt fliehen. Ihr müßt zurück zu den anderen und sie warnen. Die Riesen planen, das Heer bei Sonnenaufgang zu überfallen.«

»Bei Sonnenaufgang? Bist du sicher?«

Andros nickte. Die Bewegung war so schwach, daß Odysseus sie kaum mehr sah. Er spürte, wie die Kraft des Hauptmanns mit jedem Moment mehr nachließ.

»Ich habe Aminus belauscht«, fuhr Andros fort. »Als sie uns auf den Hof hinausschleiften. Sie … sie hielten mich für bewußtlos, aber ich habe alles gehört. Als die anderen von dem Wein tranken, war ich mißtrauisch und tat nur so, als würde ich meinen Becher leeren. Und als sie dann einschliefen, stellte auch ich mich schlafend.«

»Das war sehr klug«, sagte Odysseus anerkennend. Andros lächelte, und für einen Moment verschwand sogar der Ausdruck von Schmerz in seinen Zügen.

»Was geschah dann?« fragte Odysseus, als Andros nicht von selbst weitersprach.

Das Gesicht des Hauptmannes verdüsterte sich, als bereite ihm allein die Erinnerung neue Qual. »Sie brachten uns in einen Hof hinunter, wo sie uns hinwarfen«, erklärte er. »Eine Weile ließen sie uns einfach so liegen, dann kamen zwei Burschen und …« Seine Stimme stockte. »Sie … sie sind Menschenfresser, Odysseus. Sie wollen uns alle töten. Das ganze Heer!«

»Das werde ich verhindern«, versprach Odysseus. »Keine Sorge, Andros. Was geschah weiter?«

Andros atmete hörbar. Sein Gesicht glänzte jetzt vor Schweiß. Seine Hand umklammerte Odysseus’ Rechte so fest, daß es schmerzte.

»Als ich an der Reihe war, entrang ich einem von ihnen sein Messer«, berichtete er. »Sie waren so überrascht, daß sie sich nicht einmal gewehrt haben. Ich habe sie erschlagen, alle zwei, und bin geflohen. Hier oben traf ich auf die Wache und erschlug auch sie, aber er … er hat auch mich erwischt. Bei Zeus, ich … ich hätte gesiegt, hätte er fair gekämpft. Aber er war so … so stark.«

»Du hast gegen Lästrygonen gekämpft und sie getötet?« fragte Eurylochos ungläubig.

»Die zwei unten im Hof und die Wache hier im Gang«, bestätigte Andres. »Sie sind groß, aber sie sind keine Krieger. Sie sind feige. Sie scheuen den Kampf. Aber sie sind so stark. So unendlich … stark.«

Und damit starb er. Es ging ganz schnell, so rasch, daß Odysseus es im ersten Augenblick nicht einmal merkte. Andres schloß die Augen, hörte auf zu atmen und war tot, von einem Moment auf den anderen.

Mit einer beinahe behutsamen Bewegung faltete Odysseus seine Hände auf der Brust. Dann richtete er sich auf und ballte in hilflosem Zorn die Faust. »Dafür werden sie bezahlen«, murmelte er. »Ich schwöre es dir, Andres. Jeder Tropfen Blut von dir wird hundertfach vergolten werden.«

»Bevor wir an Racheschwüre denken, sollten wir versuchen, hier herauszukommen«, sagte Eurylochos vorsichtig. »Seine Flucht kann nicht lange unentdeckt bleiben.«

Einen Moment lang sah Odysseus seinen Hauptmann zornig an, aber dann nickte er, wandte sich um und öffnete vorsichtig die Tür. Der Gang war leer, und auch aus den anderen Teilen des Palastes drang nicht der mindeste Laut. Geduckt huschten sie aus der Zelle. Sie erreichten eine Abzweigung und sahen Tageslicht am Ende einer Treppe schimmern. Auf ihren untersten Stufen lag der Wachmann, den Andres erschlagen hatte. Eurylochos bückte sich nach seinem Messer und zog es aus dem Gürtel; es war groß genug, ein passables Schwert für einen normal großen Mann abzugeben.

Odysseus’ Gesicht verdüsterte sich abermals vor Zorn, als er vorsichtig über den reglosen Giganten hinwegstieg. Für einen kurzen Augenblick war er nahe daran, auf der Stelle umzudrehen und nach Aminus zu suchen, um ihn für seinen Verrat zur Rechenschaft zu ziehen. Aber dann siegte doch seine Vernunft. Eurylochos hatte recht – sie hatten andere Sorgen als Rache. Den siebenhundert Männern unten am Strand nutzte es wenig, wenn er den Lästrygonenkönig erschlug; im Gegenteil – die Rache der Riesen würde nur um so schrecklicher sein.

Mit äußerster Vorsicht schlichen sie weiter. Und das Glück schien ihnen weiterhin hold zu sein: Sie erreichten den Ausgang und fanden sich unversehens auf einem weitläufigen, an allen Seiten von hohen Mauern umschlossenen Hof, der allerdings vollkommen leer war. Von der anderen Seite der Mauer drang der Lärm der Stadt zu ihnen, und auch aus der Festung wehten jetzt verschiedene undeutliche Laute zu ihnen. Von den Riesen jedoch war weiterhin keine Spur zu gewahren. Odysseus sah sich mit klopfendem Herzen um und deutete schließlich auf eine Anzahl übermannshoher, dichter Dornenbüsche, die auf der anderen Seite vor der Mauer wuchsen.

»Und jetzt?« fragte Eurylochos, nachdem sie den Hof überquert und im dichten Blattwerk Schutz gefunden hatten.

Odysseus sah zum Himmel hinauf. »Jetzt warten wir«, sagte er, »bis es ganz dunkel ist. Dann steigen wir über die Mauer und versuchen, aus der Stadt zu kommen. Wenn wir früh genug am Strand sind, ist vielleicht noch nicht alles verloren.«

Im Palast war erst Unruhe, dann ein regelrechter Tumult losgebrochen, als ihre Flucht entdeckt worden war. Es grenzte fast schon an ein Wunder, daß sie unbehelligt aus Aminus’ Königsburg herauskamen. Aber das Glück blieb ihnen treu. Während Telepylos auch nach dem Dunkelwerden nicht zur Ruhe kam und Dutzende von Feuern und Hunderte von Fackeln die Straßen fast taghell erleuchteten, schafften sie es, die Stadt zu durchqueren, ohne aufgehalten oder gleich auf der Stelle erschlagen zu werden. Es war wohl die Kombination aus Mut und Dreistigkeit, die sie die Stadtmauer erreichen und an einer schwer einsehbaren Stelle überklettern ließ, obwohl der Abend vom Klirren der Waffen und den Stimmen der Krieger widerhallte, die sich auf den bevorstehenden Angriff vorbereiteten.

Doch auch der Wald, der die Hügel von Telepylos von der Küste trennte, war nicht mehr so sicher wie am Morgen. Hunderte von Kriegern waren bereits aufmarschiert, und aus den geöffneten Stadttoren drängte ein Strom von bewaffneten Riesen, die sich dem bereitstehenden Heer anschlossen. Trotzdem legten sie auch den größten Teil dieser Strecke noch unbehelligt zurück. Sie krochen auf dem Bauch und robbten von Busch zu Busch, um nicht von einem der zahllosen Lästrygonenkrieger entdeckt zu werden. Erst als die gewaltige Granitbarriere der Küste vor ihnen aus der Nacht auftauchte und der Feuerschein des griechischen Lagers den Himmel zu röten begann, schöpfte Odysseus wieder ein wenig Mut. Mit einem erleichterten Seufzer stand er auf, fuhr sich mit der linken Hand über das Gesicht und trat aus seiner Deckung hervor.

Beinahe wäre es sein letzter Schritt gewesen.

Wie aus dem Boden gewachsen, standen plötzlich vier gewaltige, mit Schwertern und langen Speeren bewaffnete Lästrygonen vor ihm.

Eurylochos, der ein Stück weit zurückgeblieben war, schrie entsetzt auf und riß seine Waffe hoch, und auch Odysseus prallte mit einer erschrockenen Bewegung zurück und griff nach seinem Schwert. Der einzige Umstand, der ihn rettete, war wohl der, daß die Lästrygonen mindestens ebenso überrascht waren, ihn zu sehen.

Aber ihre Verblüffung hielt nur einen Moment an. Dann rissen die Riesen ihre Waffen in die Höhe und stürzten sich wie ein Mann auf Odysseus und seinen Begleiter.

Schon der erste Schwerthieb, den Odysseus mit seiner eigenen Klinge parierte, ließ ihn aufschreien. Sein Arm war fast gelähmt vor Schmerz, und der zweite, sofort nachgesetzte Hieb prellte ihm um ein Haar das Schwert aus der Hand. Er taumelte zurück, tauchte unter einer Lanzenspitze hindurch und versuchte gleichzeitig die Waffe zu packen und aus der Hand ihres Besitzers zu reißen; ein Trick, mit dem er so manchem trojanischen Krieger das Fürchten gelehrt hatte. Aber der Lästrygone zerrte bloß ein wenig an seinem Spieß, und um ein Haar wäre es Odysseus gewesen, der das Gleichgewicht verloren und zu Boden gegangen wäre.

Es war ein Kampf ohne die geringste Aussicht auf Erfolg. Odysseus spürte gleich, was Andros gemeint hatte, als er sagte, die Lästrygonen wären keine Kämpfer: Die vier Riesen droschen mit ihren gewaltigen Schwertern auf Eurylochos und ihn ein, daß die Klingen in der Luft sangen, und ihre doppelt mannslangen Spieße stocherten derart nach ihnen, daß sie gezwungen waren, einen grotesken Tanz aufzuführen. Trotzdem waren ihre Bewegungen plump und langsam und stellten von ihrer Kampftechnik her keine ernstzunehmende Gefahr für zwei so geübte Krieger wie Odysseus und Eurylochos dar.

Aber sie hatten unglaubliche Kräfte und wußten sie zu gebrauchen. Die beiden Griechen wurden Schritt für Schritt zurückgedrängt, bis sie Rücken an Rücken am Waldrand standen und es nichts mehr gab, wohin sie sich zurückziehen konnten, und obgleich Odysseus und Eurylochos mit verbissener Wut kämpften, steigerte sich die Angriffslust der Lästrygonen eher noch; der Augenblick, in dem eine Schwertklinge oder ein Speer die Deckung der beiden Kampfgefährten durchdringen mußte, war abzusehen.

Da kam von der anderen Seite der Lichtung ein scharfer, peitschender Knall, und eine Sekunde später ließ einer der Lästrygonen seinen Speer fallen und kippte nach vorn. Zwischen seinen Schulterblättern sah der zitternde Schaft eines Pfeiles hervor. Erneut ertönte das helle Peitschen der Bogensehnen, ein zweites, drittes, viertes und fünftes Mal, und auch die übrigen Lästrygonen brachen getroffen zusammen, ohne die Gefahr auch nur richtig erkannt zu haben.

Odysseus ließ erschöpft sein Schwert sinken, machte einen Schritt und brach hilflos in die Knie. Was ihm die Anspannung des Tages und ihrer verzweifelten Flucht an Kraft gelassen hatte, das hatte der Kampf gegen die Riesen jetzt aufgezehrt. Für einen Moment begannen sich der Wald und der Himmel um ihn zu drehen. Wie von weit her hörte er die Stimmen seiner Männer, die so plötzlich aus der Nacht aufgetaucht waren, ihre hastigen Schritte und die erschrockenen Rufe, als sie die reglos daliegenden Riesengestalten aus der Nähe sahen.

Mit aller Macht drängte er die Schwäche zurück, zwang sich, auf die Füße zu kommen, und wehrte die hilfreichen Hände ab, die plötzlich von allen Seiten nach ihm griffen. Mehr als ein Dutzend Krieger war um ihn herum, und noch einmal die gleiche Anzahl schwärmte von der Lichtung aus, die gespannten Bögen im Anschlag.

Themistonos, der Kapitän eines der Schiffe und Anführer des Trupps, winkte die Männer beiseite und trat auf Odysseus zu. »Bist du verletzt?« fragte er besorgt.

Odysseus schüttelte den Kopf, versuchte zu lächeln und schob mit zitternden Händen sein Schwert in den Gürtel. Sein rechter Arm war noch immer taub und wollte ihm nicht richtig gehorchen. »Nein«, sagte er. »Aber ihr hättet nicht später kommen dürfen. Ich danke dir.«

Themistonos musterte ihn kurz, dann blickte er auf die vier erschlagenen Riesen herab. »Bei Zeus!« murmelte er. »Was sind das für Ungeheuer?«

»Lästrygonen«, erklärte Eurylochos an Odysseus’ Stelle. »Es sind die Beherrscher dieser Insel. Sie – « Er stockte, sah Themistonos verwirrt an und deutete mit einer Kopfbewegung zur Küste. »Aber wir haben euch doch einen Boten geschickt, heute morgen, als wir mit dem Mädchen gingen.«

»Was für ein Mädchen?« fragte Themistonos. »Zu uns ist kein Bote gekommen. Ihr wart verschwunden. Als ihr bis zur Mittagsstunde nicht zurückgekehrt seid, haben wir angefangen, nach euch zu suchen. Was ist mit den anderen?«

»Tot«, erklärte Odysseus knapp. »Wir wurden gefangengenommen, und hätte Andros nicht sein Leben für uns geopfert, wäre auch uns die Flucht nicht gelungen.« Er drehte sich um, sah in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren, und versuchte vergeblich, die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. »Diese vier sind nicht durch Zufall hier«, sagte er schließlich. »Sie suchen uns, Eurylochos.«

»Und zweifellos werden sie ihren Angriff vorverlegen, wenn sie begreifen, daß wir ihnen entwischt sind«, fügte Eurylochos grimmig hinzu.

»Angriff?« Themistonos wurde blaß. »Du … du meinst, es steht ein Angriff bevor?«

»Ja«, antwortete Odysseus. »Sie planen, unser Lager zu überfallen. Und ich fürchte, Eurylochos hat recht. Aminus wird wissen, daß wir euch warnen, und den Angriff unverzüglich befehlen. Wir müssen zurück – schnell.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960531678
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Juli)
Schlagworte
eBooks Abenteuer Hohlbein Spannung Odysee Odysseus griechische Mythologie Sagen Krieger Helden
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Titel: Ithaka
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