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Saint Nick - Der Tag, an dem der Weihnachtsmann durchdrehte

von Wolfgang Hohlbein (Autor:in) Dieter Winkler (Autor:in)
©2016 291 Seiten

Zusammenfassung

Turbulente Festtagskomödie: „Saint Nick – Der Tag, an dem der Weihnachtsmann durchdrehte“ von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler jetzt als eBook bei jumpbooks.

Nick ist nicht so, wie man sich den Weihnachtsmann vorstellt. Er wohnt zwar am Nordpol und bringt Geschenke, aber statt einem gemütlichen Bauch und Rauschebart, ist der Nick meist auf Achse – und ziemlich lässig, wenn es um seinen Job geht: Zwar ist er nicht begeistert, dass sich die Kinder immer mehr Spielzeugwaffen wünschen, aber er hat sich damit abgefunden. Doch jetzt stellen ihm seine Elfen ein Ultimatum: Weihnachten fällt aus, bis Nick eine Menschenkind findet, das noch nicht vergessen hat, worauf es in dieser besonderen Zeit wirklich ankommt. Nick macht sich auf die Suche – und trifft auf die Geschwister Virginia und Stan. Gemeinsam stürzen sie sich in ein verrücktes Abenteuer, um Weihnachten zu retten …

Eine turbulente Komödie für jedes Alter von Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler – nicht nur für die schönste Zeit im Jahr!

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Weihnachtsbuch für Kinder ab 8 Jahren: „Saint Nick - Der Tag, an dem der Weihnachtsmann durchdrehte“ von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Nick ist nicht so, wie man sich den Weihnachtsmann vorstellt. Er wohnt zwar am Nordpol und bringt Geschenke, aber statt einem gemütlichen Bauch und Rauschebart, ist der Nick meist auf Achse – und ziemlich lässig, wenn es um seinen Job geht: Zwar ist er nicht begeistert, dass sich die Kinder immer mehr Spielzeugwaffen wünschen, aber er hat sich damit abgefunden. Doch jetzt stellen ihm seine Elfen ein Ultimatum: Weihnachten fällt aus, bis Nick eine Menschenkind findet, das noch nicht vergessen hat, worauf es  in dieser besonderen Zeit wirklich ankommt.  Nick macht sich auf die Suche – und trifft auf die Geschwister Virginia und Stan. Gemeinsam stürzen sie sich in ein verrücktes Abenteuer, um Weihnachten zu retten … 

Eine turbulente Komödie für jedes Alter von Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler – nicht nur für die schönste Zeit im Jahr!

Über die Autoren:

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch Märchenmond. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern verfasst. 2012 erhielt er den internationalen Literaturpreis NUX.

Bis 1996 war Dieter Winkler Chefredakteur der erfolgreichen Computerzeitschrift CHIP. Seitdem widmet er sich ausschließlich dem Schreiben. Winkler unterhält mit spannungsgeladenen Kurzgeschichten und Romanen, deren Themenspektrum sich zwischen Fantasy und Internet erstreckt.

Wolfgang Hohlbein  im Internet:  www.hohlbein.de

Bei jumpbooks erscheint von Wolfgang Hohlbein:
Der weiße Ritter – Erster Roman: Wolfsnebel
Der weiße Ritter – Zweiter Roman: Schattentanz
Nach dem großen Feuer
Ithaka
Drachentöter

Norg – Erster Roman: Im verbotenen Land

Norg – Zweiter Roman: Im Tal des Ungeheuers

Teufelchen

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eBook-Neuausgabe Oktober 2016

Copyright © der Originalausgabe 1997 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Nach einer Idee von Wolfgang Hohlbein und Ulli Lommel, unter Mitarbeit von Edward Kovach

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-200-2

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Wolfgang Hohlbein
Dieter Winkler

Saint Nick – Der Tag, an dem der Weihnachtsmann durchdrehte

Roman

jumpbooks

Kapitel 1

So weit das Auge blickte, nichts als endlose Eiswüste. Vorbei die Gegend, in der sich dürre Bäume unter ihrer schweren Schneelast bogen und verblassende Spuren vom kurzen arktischen Sommer kündeten. Ganz zu schweigen von den verlockenden Gerüchen der Menschen und ihrer Siedlungen, die sie längst hinter sich gelassen hatten.

Alcott wandte sich um und betrachtete aus müden Augen die traurige Nachhut, die sich gleich ihm und seinem Vater durch die endlose Eiswüste schleppte. Die fünf Wölfe, die die Aufgabe übernommen hatten, auf etwaige Nachzügler zu achten, gehörten mit zu den kräftigsten Tieren des Rudels. Doch jetzt sahen sie nicht besser aus als der Rest. Ihr Fell war stumpf und glitzerte nur durch die vielen hundert Eiskristalle, die sich an ihnen festkrallten, als wollten sie für alle Ewigkeit von ihnen Besitz ergreifen.

Alcott hatte Schmerzen. Sein ganzer Körper tat weh, aber am schlimmsten war die erstarrte Stelle an seinem Vorderlauf, die Stelle, die er sich nicht mehr getraute anzusehen. Zum erstenmal in seinem kurzen Leben fragte er sich, ob er die nächsten Tage überleben würde.

»Alcott, wo bleibst du denn?«

Die Frage seines Vaters riß ihn aus seinen Gedanken. Der mächtige Wolf hatte sich umgedreht und starrte ihn unter buschigen Augenbrauen an. Seine Augen glitzerten vor eiskalter Wut, und trotz seines struppigen, vereisten Fells strahlte er pure Kraft aus.

»Ich komme schon, Paps«, sagte Alcott. »Aber …«

»Aber was?« fragte Rocco scharf.

Die Wölfe waren mittlerweile alle stehengeblieben. Es sah so aus, als fürchteten sie ebenso wie Alcott die gnadenlose Wut des Rudelführers mehr als die eisige Kälte des polaren Winters.

»Ich, ich …« Alcott riß sich zusammen, als er den drohenden Blick seines Vaters bemerkte. »Was ist, wenn Santa mir nicht helfen kann?« fragte er rasch.

Er versuchte nicht an die Pfote zu denken, die ihm die Kälte abgerissen hatte und die irgendwo im Eis hinter ihnen zurückgeblieben war. Trotz aller Anstrengung traten ihm die Tränen in die Augen. Wenn ihm Santa nicht half, würde er bis in alle Ewigkeit auf drei Beinen durchs Leben humpeln müssen.

Rocco schwieg lange. In seinen rot unterlaufenen Augen fing sich das Licht der unter geh enden Sonne. Es war still; nicht die Stille der Nacht, sondern eine andere, auf unbestimmbare Weise beunruhigende Stille, in der auch das leise Raunen und Knacken des ewigen Eises gedämpfter erschienen und allenfalls der Tod seine lautlose Stimme erhob.

»Ich fürchte, dann müssen wir Rache nehmen«, sagte der Rudelführer schließlich.

»Ach, du meine Güte«, sagte Tess. »Da braut sich ja was zusammen.«

»Was denn?« fragte Monique. Sie ließ einen Stapel voller Unterlagen auf einen schreiendblauen Stuhl plumpsen, und ein paar Blätter segelten auf den rosa gestrichenen Boden. Sie bückte sich rasch, um sie wieder einzusammeln. »Kommt etwa ein Schneesturm auf?«

»Na, wirf mal einen Blick auf die Monitore«, antwortete Tess. »Dann wirst du schon merken, was für eine Art Sturm ich meine.«

Monique sah erschrocken zu Tess hoch. Die Katzenfrau lächelte nicht, und das allein war ungewöhnlich genug. Ihr kluges Gesicht wirkte besorgt und erschöpft, und Monique wurde sich bewußt, daß sie ihre Freundin bislang immer nur gut gelaunt gesehen hatte.

Mit einem raschen Satz war sie wieder auf den Beinen und lief geschmeidig zu Tess hinüber. Zuerst hatte sie Mühe, in dem bunten Dutzend Bildschirmen Einzelheiten auszumachen. Dann fiel ihr Blick auf einen Monitor, in dem sich das grimmige Gesicht eines Wolfs festgegraben hatte, der sie direkt anzusehen schien.

»Huch«, machte sie. »Wer um des Weihnachtsfests willen ist das?«

»Das ist Rocco«, sagte Tess bitter. »Und hör dir mal an, was er gerade zu sagen hatte.«

Sie drückte auf die Fernbedienung, und der Wolf erwachte zum Leben. Einen scheinbar endlosen Augenblick lang schien er Monique direkt anzusehen, dann wandte er seinen Blick nach links, und mit seinem Blick veränderte sich der Bildausschnitt.

Rocco war nicht allein. Er stand inmitten eines Rudels Wölfen, einer schäbigen Schar, abgemagert und struppig und dennoch glänzend durch feine Eiskristalle, die sich in ihrem Fell festgesetzt hatten.

»Ich, ich …«, stotterte ein kleiner Wolf, der sein linkes Vorderbein merkwürdig angewinkelt hatte. Erschrocken erkannte Monique, daß ihm eine Pfote fehlte.

»Was ist, wenn Santa mir nicht helfen kann?« fragte der kleine Wolf kläglich.

Der große Wolf schwieg. Aber als er sprach, schien seine Stimme kälter zu sein als das ewige Eis des Pols.

»Ich fürchte, dann müssen wir Rache nehmen«, sagte er drohend.

Tess drückte wieder auf die Fernbedienung, und der Wolf erstarrte mitten in der Bewegung.

»Puh«, machte Monique. »Das ist starker Tobak!«

»Das kannst du wohl laut sagen«, gab ihr Tess recht. Ihre seltsam verkrampfte Haltung sprach ihrem katzenhaften Wesen hohn, aber Monique verstand sie nur zu gut. So eine Szene hatte es bislang noch nie gegeben. Daß jemand gegen Nick eine Drohung ausstieß – unfaßbar. Und daß sie zudem so unerbittlich nachfühlbar war, das war das Schlimmste daran.

»Und es ist nicht nur Rocco, dem der Geduldsfaden langsam reißt«, fuhr Tess unerbittlich fort. »Vielen, vielen anderen geht es genauso, und nicht nur großen, gefährlichen Wölfen. Nick fehlt es einfach an Fingerspitzengefühl. Es fehlt nur ein klitzekleiner Tropfen, und das Faß läuft endgültig über …«

»Übervoll ist es ja schon lange …«

»Ja, und schau dir an, wie weit Nick Kobo schon gebracht hat.«

Sie betätigte erneut die Fernbedienung, und das Gesicht Kobos, des weisen Führers der Polarbären, erschien auf einem anderen Monitor.

»Kobo hat Rocco und seine Schar beobachtet«, erklärte Tess, während sie das Bild nachjustierte, bis es sich endgültig stabilisiert hatte. »Und das schlimme ist: Er gibt seinem alten Widersacher recht!«

Monique deutete aufgeregt mit dem Finger auf den Schirm. »Still … Kobo hat doch gerade etwas gesagt…«

Der Kopf des weisen Polarbären drehte sich zur Kamera um, und er starrte so direkt in ihre Richtung, daß die beiden Katzenfrauen unwillkürlich zusammenzuckten. Doch sein Blick glitt teilnahmslos durch sie hindurch, und dann drehte er den Kopf in Richtung seiner Artgenossen und murmelte etwas Unverständliches, das im Knacken des Eises und im Störgeräusch der Leitung unterging.

»Ich kann mir denken, was er gesagt hat«, antwortete Tess bitter. »Aber das ist noch nicht alles. Die ganze Welt scheint verrückt zu spielen.«

»Guck dir doch mal das an!« rief Monique aufgeregt. »Selbst die Pinguine scheinen auszuflippen!«

Sie hatte recht. Tess bemerkte in einem der Monitore eine Schar von Pinguinen, die aufgeregt über das ewige Eis watschelten. Carla, ihre langjährige Anführerin, wirkte merkwürdig zerzaust. Aber daran war wohl weniger der Wind Schuld, der unbarmherzig wie eine tödliche Braut über das ewige Eis fuhr, denn er konnte einem Pinguin in seinem glatten Federkleid kaum etwas anhaben. Nein, es mußte etwas passiert sein, was Carla vollkommen aus der Fassung gebracht hatte.

»Die Pelzbälle rollen auf Santas Königreich zu …«, schnatterte Carla in ihrem unverwechselbaren Akzent, einem breit gezogenen Dialekt, wie er eher für Country-Musiker als für Pinguine üblich war. »Und das mit nüchternen Mägen!«

Ein kleiner, frecher Pinguin nickte aufgeregt. »Stimmt, Carla«, zwitscherte er altklug. »Sie haben heute morgen nicht einmal versucht, einen von uns zu fressen.«

Carla drehte sich zu ihm um und nickte. »Nicht daß ich mich beschweren will, wenn die Fettklöpse uns in Ruhe lassen«, schnatterte sie. »Aber wenn selbst diese abgestumpften Tollpatsche schon merken, daß hier etwas quer hängt, dann ist die Zeit zum Handeln wohl gekommen.«

»Was hängt denn quer?« wunderte sich der kleine Pinguin.

»Die Frage ist ja wohl weniger was, als vielmehr wer«, quetschte Carla hervor. »Und das ist mittlerweile auch keine Frage mehr, das ist Gewißheit, unglaubliche, nie geahnte, bodenlose, grenzenlose Gewißheit.«

Sie drehte sich zu den übrigen Pinguinen um. »Und jetzt genug der Worte. Folgen wir den behaarten Fettmonstern. Und wer weiß: Vielleicht mischen wir sogar gemeinsam den Laden auf.«

»Den Laden aufmischen!« rief Monique erschrocken und drückte aus Versehen auf eine falsche Taste der Fernbedienung; das Bild mit den Pinguinen flackerte noch einmal auf und verschwand dann. »Was um aller Weihnachtsgeschenke willen meint Carla denn damit?«

»Dreimal darfst du raten«, antwortete Tess bitter. »Unser großer Meister hat es endgültig übertrieben. Und was das Schlimmste ist: Er selber weiß es noch nicht einmal!«

Kapitel 2

Der Mann hielt inne, als habe er Schwierigkeiten, sich auf die nächsten Schritte zu konzentrieren. Geistesabwesend griff er zum Handy, preßte es ans Ohr und verzog schließlich ärgerlich das Gesicht.

»Das könnt ihr doch nicht machen«, knurrte er ins Telefon. »Wie? Was? Das ist doch kein Grund, Weihnachten zu gefährden. Ich will lachende Kindergesichter sehen, verstehst du, lachende Gesichter!«

Mit zusammengekniffenen Lippen ließ er das Handy wieder in der Innentasche seines Jacketts verschwinden. »Tess! Monique!« schrie er ohne Ansatz. »Wo bleibt ihr denn, verdammt noch mal! Ich habe Termine, Termine, Termine, und ihr treibt euch irgendwo rum!«

»Wir kommen schon«, ertönte Tess’ Stimme, und dann sprangen die beiden Katzenfrauen auch schon mit langen, eleganten Sätzen in den Raum, der so etwas wie die Kommandozentrale von Nicks Imperium darstellte. Wie das schon klang: Nicks Imperium! Tess schauderte, aber sie eilte dennoch zu dem Schrank mit den Kostümen, riß die Tür auf und zerrte ein rotes, mit weißem Besatz verziertes Kostüm heraus.

»Ach, du ahnst es nicht«, entfuhr es ihr, als sie sich wieder Nick zuwandte. »Du bist ja schon wieder dünner geworden!«

»Wie? Was?« Nick runzelte die Stirn. Wie er so dastand, sah er aus wie irgendein Manager, Dutzendgesicht und Dutzendkörper, angespannte Gesichtszüge, freudlos zusammengekniffener Mund und ein unbarmherziges Funkeln in den Augen. Dieser Mann verstand ganz offensichtlich mehr von Börsenberichten als vom Weihnachtsfest. Und Tess wurde sich zum erstenmal bewußt, daß dieser Gedanke der Wahrheit näher kam, als es ihr und irgend jemand anderem hier lieb sein konnte.

»Wenn du weiter mit dümmlich aufgerissenem Mund da rumstehst, sollten wir Weihnachten vielleicht verschieben«, zischte Nick gehässig. »Nun mach schon, wir haben schließlich nicht ewig Zeit.«

Tess gab sich einen Ruck und eilte zu ihm herüber. Nick hob automatisch die Arme, als sie auf ihn zueilte, damit sie ihm das Kostüm überstreifen konnte. »Latisha, schalte die ISDN-Freisprecheinrichtung ein!« rief Nick. »Und mach mir eine Verbindung zum Focus!«

Latisha war die dritte im Bunde der Katzenfrauen. In den letzten Monaten war sie so etwas wie ein technischer Verbindungsoffizier für Nick geworden; zumindest kam sie sich so vor. Sie kämpfte gerade mit einem Stapel Faxe und blickte ärgerlich hoch. Früher hatte Nick um Dinge gebeten, jetzt ordnete er nur noch an. Mit einer wütenden Bewegung schmiß sie die Faxe auf einen der vielen Stapel, die vom Boden aus wie kleine Wachtürme emporragten als ständige Mahnung, daß sie mit ihrer Arbeit nicht nachkam, und tippte auf die mit Focus beschriftete Kurzwahltaste ihres PC-Telefons.

Tess hatte inzwischen damit begonnen, die dicken Polster um Nicks Bauch zu schnallen und das Weihnachtskostüm anzupassen. Sie ging dabei nicht besonders liebevoll zu Werke. Nick betrachtete sich dabei von oben bis unten im Spiegel, der zwischen den Monitoren, die die Börsennachrichten und neuesten Werbekampagnen der Spielzeugindustrie zeigten, angebracht war.

»Ich seh’ ja aus wie ein schwangeres Nilpferd!« schimpfte er. »Hast du schon die neue Schokoriegelkampagne gesehen, Tess? Da haben sie mich als regelrechten Fettsack dargestellt.«

Tess nahm das magnetische Fixiergerät in die Hand und drückte es auf die Polster. Ganz aus Versehen drückte ihr Daumen den Empfindlichkeitsregler nach oben, und ein unangenehmer Stromstoß durchfuhr Nick.

»Autsch!« entfuhr es Nick. »Paß doch auf!«

»Verbindung zum Focus steht!« rief Latisha. »Die woll’n ein Interview mit dir.«

»Klar woll’n die ein Interview mit mir«, stöhnte Nick. »Letzte Woche Schreinemakers, Harald Schmidt und David Letterman, und jetzt die europäischen Magazine.«

»Hallo?« dröhnte eine Stimme im Raum, die Nick nur zu gut von der Focus-Werbung im Fernsehen kannte. »Wie steht’s, Nick, alter Junge? Bereit für unser Interview?«

»Klar«, rief Nick betont munter in Richtung des Mikrofons der Freischalteinrichtung. »Ich habe jede Menge Fakten für euch.«

Tess hatte inzwischen das Polster mit dem Fixiergerät befestigt und zog nun das Kostüm zu. Stirnrunzelnd betrachtete sie ihr Werk. Der verkniffene Gesichtsausdruck von Nick stand im scharfen Kontrast zu seinen scheinbar gemütlichen Rundungen und dem scharlachroten Weihnachtskostüm. Sie holte mit Bedacht eine Stecknadel aus dem altmodischen Stecknadelkissen, das sie sich um ihr Handgelenk geschnallt hatte, und steckte die Schulterpolster etwas mehr zusammen. Als sie das Wort Fakten hörte, rutschte ihr die Hand aus, und eine Stecknadel landete neben dem Stoff in Nicks Schulter.

Diesmal zuckte er nur zusammen. »Mmm, eh, ich rufe Sie gleich noch mal zurück«, murmelte er und gab Latisha ein Zeichen, daß sie die Verbindung kappen sollte. »Im Moment paßt es gerade schlecht.«

Sein Blick suchte den von Tess. Die Katzenfrau wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Wenn du es nicht schaffst, aufzupassen, solltest du dir vielleicht einen anderen Job suchen«, fauchte er. »In der Spielzeugfabrik brauchen sie noch jemanden, der abends den Boden schrubbt. Den kriegst du zumindest nicht so schnell kaputt.«

Bevor Tess antworten konnte, war Latisha schon heran. Sie schwenkte einen Stapel Faxe. »Hier, das solltest du dir mal ansehen!« rief sie. »Ein paar ganz liebe Faxe …«

»Faxe können nicht lieb sein«, knurrte Nick, riß ihr aber die Blätter aus der Hand und überflog sie. »Und was soll daran lieb sein? Dieser Miesepeter Michael schickt mir jetzt schon zum vierten Mal eine Wunschliste. So was nennt man Betrug.«

Während Tess mit ängstlichen Bewegungen das Kostüm von Nick glattstrich, diktierte er: »Hallo, Mikie, in bezug auf dein Fax vom 21. Dezember … ist mir aufgefallen, daß es bereits die vierte Wunschliste ist, die du mir dieses Jahr zukommen läßt. Also, ich bedaure sehr, dich darüber aufklären zu müssen, daß derartige Praktiken mich dazu zwingen, alle deine Listen abzulehnen. Bis dann, S. Claus.«

»Ich kann mich nicht daran erinnern, daß du früher die Kinder so schroff behandelt hast«, wunderte sich Latisha.

Nick nickte unbestimmt. »Kann schon sein. Doch früher waren die Kinder auch anders. Nicht so … unverschämt. Dreist. Selbst Dreikäsehochs stellen ihre Wunschliste nach dem Werbefernsehen zusammen und schicken sie mir dann per E- Mail oder Fax rüber.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Latisha, die alten Zeiten sind vorbei. Die Kinder wollen keine Hilfe mehr von mir. Sie wollen nur noch …« Er überflog ein Fax. »Monster- Killer. Und ich kann dann sehen, wie ich all dieses verflixte Spielzeug zusammenkratzen kann.«

Er warf einen Blick in den Spiegel und fauchte Tess dann an: »Sag mal, kannst du nicht ein bißchen mehr italienischen Touch reinbringen?«

»Italienischen Touch?« stöhnte Tess. »Nick, du gehst mir langsam gehörig auf den Wecker. Vielleicht sollte ich mich doch besser um die Fußböden in der Spielzeugfabrik kümmern als darum, aus dir wieder einen Weihnachtsmann zu machen, so wie du früher einmal warst.«

»Und nicht ganz so viel Polster, wenn ich bitten darf«, fuhr Nick ungerührt fort, als habe er sie gar nicht gehört. »Ich möchte keinen so fetten Eindruck machen. So ungesund dick.«

Monique beugte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit vor. Sie atmete hart und schnell, als sie Nick einen Schnellhefter reichte.

»Schon die neue Werbekampagne für das Marzipanbrot gesehen?« fragte sie spitz. »Da siehst du aus wie ein Elefant im Weihnachtsurlaub.«

Nick warf einen Blick auf das Bild und zuckte unwillkürlich zusammen.

»Oh, Mann«, stöhnte er. »Sie stellen mich fetter dar als je zuvor.« Er drehte sich zu Tess um und verzog in gekünstelter Verzweiflung das Gesicht. »Also, wenn es denn sein muß … bring mir drei Pfund Marzipan als kleine Abendmast. Oder warte … mach doch lieber mit den Polstern weiter!«

Tess zuckte mit den Achseln. »Wie du willst«, sagte sie ohne jede Spur von Humor. »Du bist der Boß.«

»Boß?« Nick runzelte die Stirn. »Das ist hart. Ich bin nur ein Diener der Wünsche und Sehnsüchte von Millionen Kindern. Und die wollen Monster- Killer. Was ist das überhaupt für ein Name für ein Spielzeug?«

Ein Name, der inzwischen schon zur Hälfte aller Geschenke passen würde, dachte Tess, aber sie behielt den Gedanken für sich. Sie ließ ihre magische Nähnadel aufblinken und nahm in atemberaubender Geschwindigkeit die letzten Änderungen vor.

»Na, dann steht Weihnachten ja nichts mehr im Weg«, sagte Nick mit einem flüchtigen Blick auf die Wanduhr. »Jetzt müssen wir nur noch die Produktion dieser Monster-Killer ankurbeln, und schon ist das Fest gesichert.«

Latisha sah überrascht von ihrem Stapel mit den Faxen hoch. Weihnachten … sie wiederholte das Wort ein paarmal in Gedanken und versuchte, seinem Klang etwas Angenehmes abzuringen, aber es gelang ihr nicht. Nein – dieses unglaublich prunkvoll gewordene Weihnachten hatte nichts Anheimelndes, nichts Gemütliches mehr an sich. Es ähnelte eher einer überdrehten Feder, die plötzlich losgelassen in den Nachthimmel davonspringt und sich in den Weiten der Unendlichkeit verliert.

»Die anderen unverschämten Faxe beantworte im gleichen Sinne wie das an diesen Peter oder Michael oder wie er hieß«, knurrte Nick, und Latisha bemerkte, daß er in Gedanken schon wieder ganz woanders war.

Latisha seufzte. »Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist«, sagte sie leise. Als Nick darauf nicht reagierte, fuhr sie fort: »Du solltest dich vorsehen.«

»Wie? Was?« Nick grinste, aber Latisha merkte, daß er ganz und gar nicht bei der Sache war. »Ja, natürlich.«

Der schlanke Mann in dem auftragenden Weihnachtskostüm lachte leise, ein rasches, flüchtiges Lachen, das Latisha gleichermaßen faszinierte wie abstieß. Jeder Mensch hatte seine eigene Art zu lachen, ja, mehr noch, eine Art, fast alles, was in seinem Charakter und seiner Seele festgelegt ist, mit einem einzigen Lachen auszudrücken. Diese rauhe, kehlige und vollkommen humorlose Art zu lachen zeigte mehr, was in Nick vorging, als tausend Worte.

»Früher hast du für jeden Zeit gehabt«, fuhr Latisha fort. »Du hast dich um die wirklichen Probleme der Kinder gekümmert und nicht einfach ihre Wunschlisten abgearbeitet.«

»Was?« Nick warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Kann sein. Aber mittlerweile geht es um andere Dinge. Die Kinder wollen keine wirkliche Hilfe mehr von mir. Sie wollen nur noch … Monster- Killer. Und ich stehe unter einem wahnsinnigem Druck, all dieses verflixte Spielzeug zur Verfügung zu stellen.« Er zuckte mit den Achseln. »Der Weihnachtsmann zu sein ist nicht mehr das, was es vor einigen hundert Jahren einmal war.«

»Soll das heißen, daß du dich verändert hast?« mischte sich Monique ein.

»Natürlich soll es das heißen«, fauchte Nick. »Die ganze Welt hat sich verändert. Und ich muß mich diesen Veränderungen anpassen.« Er holte tief Luft und lächelte entschuldigend. »Die Welt ist härter und oberflächlicher geworden, auf eine schwer zu begreifende Art, weil auf den ersten Blick alles so klar und ordentlich zu sein scheint. Aber das täuscht. Tief unter der Oberfläche brodelt etwas, und dieses etwas verlangt dieses Jahr seinen Tribut in Form von Monster-Killern.«

»Also brodelt auch unter deiner Oberfläche etwas?« fragte Latisha, aber es klang mehr nach einer Feststellung. »Auch bei dir täuscht die Oberfläche. Wolltest du das sagen?«

»Nein, warte, das wollte ich gar nicht sagen!«

»Vielleicht nicht, aber es entspricht der Wahrheit«, übernahm jetzt Tess das Wort. »Als du noch ein richtiger Weihnachtsmann warst, hast du dich auch um meine Wunschliste gekümmert.«

»Und um meine!« pflichtete ihr Monique bei.

»Um meine auch!« gab ihr Latisha Flankenschutz.

Nick seufzte wie jemand, dem man immer wieder die gleiche Klage vorträgt. »Glaubt mir, sobald ich imstande bin, euch zu einhundert Prozent in Frauen zu verwandeln, werde ich es tun«, versicherte er. »Ich weiß nicht, was schiefgegangen ist. Ich konnte jedes Tier problemlos in einen Menschen verwandeln. Es ist nur, zuletzt waren da so furchtbar viele … Probleme.«

Er schüttelte den Kopf, als wollte er einen unangenehmen Gedanken vertreiben. »Und jetzt wieder an die Arbeit«, sagte er betont forsch und schrie sogleich in Richtung des Deckenmikrofons: »Merlin … steigere die Produktion des Monster- Killers. Sofort!«

Statt einer Antwort drang ein singendes, kreischendes Geräusch aus den Lautsprechern, und die Deckenbeleuchtung flackerte kurz auf. Irgend jemand schrie; ein furchtbarer, heller Schrei, in dem sich Entsetzen und Schmerz mischten. Die Katzenfrauen zuckten zusammen, und Nick wurde kreidebleich.

»Was ist los?« schrie er. Statt einer Antwort gab es einen dumpfen Schlag, und dann herrschte einen Herzschlag lang Totenstille. Bevor Nick seine Frage wiederholen konnte, begann eine entfernte Alarmsirene zu heulen, und dann fielen andere Sirenen in den mißtönenden Gesang mit ein, mit einem harten, schrillen Kreischen, als hätten sich alle Dämonen der Hölle zu einem Chor des Grauens zusammengefunden.

Nick preßte die Lippen so fest aufeinander, daß sich die Zähne in ihnen abmalten, aber er merkte es nicht einmal. Alles, was er spürte, war lähmendes Entsetzen und die grausame Gewißheit, daß etwas Entsetzliches geschehen war. Und er stand hier, mitten im Zentrum seiner Macht, und fühlte sich trotz aller Technik und all seiner hilfreichen Geister plötzlich wie ein Gefangener archaischer Kräfte.

Monique und Tess hatten sich instinktiv aneinandergeklammert. Die Katzenfrauen zitterten am ganzen Leib. Zu frisch war noch die Erinnerung an Rocco, den Leitwolf, der Nick Rache geschworen hatte, und an die anderen Tiere, die voller Wut und Trauer auf die Weihnachtszitadelle zumarschiert waren. Waren sie jetzt hier, hatten sie das Unvorstellbare getan und das Zentrum des Weihnachtsfests angegriffen wie eine feindliche Festung, die einen grausamen Tyrannen beherbergte?

»Merlin, was ist?!?« schrie Nick. In seiner Stimme lag die ganze Macht der Verzweiflung, die ihn insgeheim wohl schon seit längerem in den Klauen hielt.

Merlin antwortete, aber es waren nur Wortfetzen zu hören, zerrissen von metallischen Geräuschen, als würde etwas mit Gewalt auseinandergeschlagen.

»Kommt!« schrie Nick zu den Katzenfrauen. »Wir müssen in die Fabrik. Etwas Furchtbares muß geschehen sein!«

Monique und Tess warfen sich einen Blick zu, in dem sich ihre ganze Verzweiflung widerspiegelte. Sie hatten Nick die Beobachtung auf den Monitoren verschwiegen, die die Umgebung des Weihnachtslands bis in den letzten Winkel ausleuchteten als wäre es Feindesland. Und das war es strenggenommen auch. Das Unvorstellbare war geschehen: Verzweiflung und Haß hatten sich in die Herzen der Wesen gesenkt, die Nick noch vor gar nicht langer Zeit Liebe und Verehrung entgegengebracht hatten.

Und diese Beobachtung hatten sie Nick verschwiegen, im stillen Einverständnis, weil das Undenkbare kaum in Worte zu fassen war und vor allem nicht gegenüber dem Mann, der immer noch behauptete, Saint Nick, die Verkörperung des Weihnachtsmannes, zu sein. Vielleicht war es ein furchtbarer Fehler gewesen. Vielleicht hätte Nick noch in letzter Sekunde das Ruder herumreißen können, vielleicht hätte sich sein Herz noch rechtzeitig geöffnet, um die Katastrophe vermeiden zu können.

Nick hatte sich aus seiner Erstarrung gelöst und eilte jetzt die Stufen hinab zur Fabrik. Die Katzenfrauen folgten ihm. Währenddessen wimmerten die Sirenen weiter, als könnten sie nicht fassen, was geschehen war.

Nick erreichte als erster das bunt schillernde Tor mit den fröhlichen Weihnachtsmalereien, dem Eingang in die geheimnisvolle Wirkungsstätte der Elfen, die sich in den letzten Jahren zu einer ganz normalen Spielzeugfabrik gewandelt hatte. Dort, wo einst Magie geherrscht hatte und allenfalls durch Handarbeit ergänzt worden war, herrschten jetzt glänzende Maschinen, die den Elfen den Takt Vorgaben und sie zu immer größerer Leistung zwangen. Etwas war vollkommen schiefgelaufen. Es war, als sei die unsichtbare Grenze zwischen dem Weihnachtsland und der realen Welt in Auflösung begriffen, zuerst kaum merklich und dann plötzlich mit einer Macht, die alles vergessen ließ, was das Reich des Weihnachtsmannes einst ausgemacht hatte.

Nick riß das Tor auf und eilte in die dahinter liegende Halle mit ihren mächtigen Gebläsen, die die verbrauchte und schmutzige Luft nach draußen prusteten und mit den im gleichmäßigen Takt stampfenden Maschinenungeheuern, die gleich urzeitlichen Lebewesen in stumpfer Eintracht über ihre Umgebung herrschten.

Jetzt standen die Maschinen still. Nahe dem Eingang kniete eine Gruppe von Elfen, und die Katzenfrauen erkannten einen Elf, der blutend am Boden lag und sich vor Schmerz krümmte.

Ein Elf, der wie ein normaler Mensch blutete. Was geschah mit ihnen?

»Was ist hier los?« fragte Nick in donnerndem Tonfall, der mehr von seiner Unsicherheit verriet, als wenn er sich seine Erschütterung hätte anmerken lassen.

Merlin, der alte, weise Elf, erhob sich langsam. Alles an ihm strahlte Würde aus, die großen runden Augen, in denen sich die Unendlichkeit wie in einem mehrere hundert Meter tiefen Bergsee spiegelte, die vorstehenden Wangenknochen, die ihm etwas Aristokratisches verliehen, und der Mund, der normalerweise ein gütiges Lächeln trug.

Doch jetzt war der Mund fest zusammengepreßt, und in den unendlich tiefen Augen spiegelte sich alles andere als Güte.

»François wurde von einem herunterfallenden Stapel Monster-Killer getroffen«, preßte Merlin hervor. »Er ist schon der dritte in dieser Woche, der hier zu Schaden gekommen ist.«

»Der dritte, so, so«, murmelte Nick. »Es ist hoffentlich nichts Ernstes?«

»Natürlich ist es etwas Ernstes«, sagte Merlin. »Wenn sich in dieser … Fabrik Dinge ereignen, die sich früher nicht ereignet haben, dann ist es etwas Ernstes.«

»Ja, ja«, sagte Nick ungewohnt sanft. »Aber ich meine: Wie geht es Francois?«

Merlin antwortete ihm nicht, sondern sah ihn nur traurig an. Nick biß sich nervös auf die Lippen. In diesem Moment piepste sein Handy, und er riß es mit einer ungestümen Bewegung aus der Gürtelhalterung, wie ein Revolverheld seinen Colt hervorgerissen hätte, um eine drohende Gefahr abzuwenden.

»Ja!« brüllte er ins Handy. »Was? Noch mehr Monster-Killer? Dann müssen wir eben die Produktion weiter steigern.«

Als er das Handy wieder in der Halterung verschwinden ließ und sich Merlin zuwandte, hatten sich die anderen Elfen schon entfernt; zwei von ihnen stützten François, der mit unsicheren Schritten vorwärts taumelte.

»Jeder Unfall wirft uns in der Produktion zurück«, murmelte er geistesabwesend. »Und das so kurz vor Weihnachten …«

Er riß sich zusammen und wandte sich an Merlin: »Wie schaffen wir es, die Produktion von Monster-Killern zu … sagen wir: zu verdoppeln.«

»Zu was?« fragte Merlin ungläubig. »Du willst die Produktion wirklich allen Ernstes weiter steigern? Siehst du denn nicht, daß der Bogen schon längst überspannt ist? Willst du dich nicht erst um François kümmern, bevor du auch nur irgend etwas anderes in Erwägung ziehst?«

»In Ordnung«, lenkte Nick ein. »Laß ihn ins Krankenzimmer bringen. Und dann komm in mein Büro, damit wir die Details der Produktionssteigerung besprechen können.«

Er drehte sich um und ging mit raschen Schritten durch das Tor. Die Katzenfrauen wichen mit fast ängstlich wirkenden Bewegungen vor ihm zurück, so, als fürchteten sie die Veränderung, die immer mehr von ihm Besitz ergriff. Er warf ihnen stirnrunzelnd einen Blick zu und schüttelte den Kopf, als müsse er einen lästigen Gedanken loswerden. Doch dann blieb er plötzlich abrupt stehen, mit fragendem Gesichtsausdruck und sichtbarer Nervosität.

Nick drehte sich langsam um. In seinem Blick zeigte sich keine Überraschung, als er entdeckte, daß Merlin ihm nicht gefolgt war.

»Stimmt etwas nicht?« fragte er gedehnt.

Um Merlin hatte sich eine Gruppe von Elfen versammelt, und aus dem Hintergrund der Fabrik strömten Dutzende von anderen Elfen heran, die offensichtlich allesamt spontan die Arbeit niedergelegt hatten.

»Allerdings stimmt etwas nicht«, sagte Merlin mit seiner gewohnt sanften Stimme. »Warum heilst du François nicht, Santa? Wäre das nicht einfacher?«

Nick fuhr sich mit der Hand durch die Haare und lächelte unsicher. »Ääääähm …«, machte er. »Ich habe es im Moment sehr eilig. Wir haben viel zu tun, Merlin. Schick die Elfen zu ihrer Arbeit zurück.«

»Nein«, beschied ihm Merlin knapp.

Nick zuckte zusammen, als hätte man ihn geschlagen. »Was sagtest du?« fragte er fassungslos.

»Ich erinnere mich daran, daß du vor rund eintausend Jahren drei Kinder aus einem Faß voller kochendem Wasser gezogen und ihnen ihr Leben gerettet hast«, sagte Merlin leise. »Du warst ein Instrument der liebe, und die Wunden der Kinder waren sogleich geheilt. Ich weiß, daß ich die Wahrheit sage, denn ich war eines dieser Kinder.«

Nick zuckte mit den Achseln. »Die Zeiten haben sich geändert. Früher waren die Dinge einfacher. Bitte … schick die Elfen zur Arbeit zurück.«

Mittlerweile hatten sich noch mehr Elfen um Merlin versammelt, ein wogendes Meer von Körpern und Seelen, um die sich zu kümmern eigentlich seine Pflicht gewesen wäre. Aber Nick machte keine Anstalten, auf sie zuzugehen. Ganz im Gegenteil; sein Körper drückte Anspannung und Furcht aus, und es sah aus, als ob er sich mit aller Gewalt zusammenreißen müßte, um nicht herumzufahren und hinauf in den Raum zu fliehen, den er mittlerweile Büro nannte und der früher einmal sein Heim gewesen war.

»Du hast all deine Magie verloren, ist es nicht so?« fragte Merlin unbarmherzig. »Du bist dir nicht mal mehr darüber im klaren, wer du selbst bist.«

»Nein!« schrie Nick. »Das ist nicht wahr. Ich … ich habe einfach nur zu viel zu tun.«

Merlin achtete nicht auf seine Worte. Er drehte sich einfach um und verschwand in den dicht gedrängten Körpern der Elfen, als würde er von ihnen aufgesogen.

Nick schluckte trocken. »Nun. Also gut.« Er klatschte in die Hände. »Das Schauspiel ist vorbei. Geht wieder an eure Arbeit. Sofort!«

Die Elfen rückten und rührten sich nicht. Sie standen da wie eine schweigende Mauer, wie ein gigantisches Wesen, daß aus vielen Einzelwesen zusammengesetzt ist. Nichts an ihren Gesichtszügen verriet, was sie dachten. Aber so, wie sie da standen, drückten sie eine magische Macht aus, der Nick nicht mehr entgegenzusetzen hatte als seinen technischen Firlefanz.

»Los, macht euch wieder an die Arbeit!« schrie Nick. »In drei Tagen ist schon Weihnachten!«

Zuerst sah es so aus, als ob seine Worte wieder keine Wirkung hätten. Doch dann drehten sich die Elfen wie auf einen geheimen Befehl um und folgten Merlin in den Hintergrund der Halle. Nick wollte schon erleichtert aufatmen, doch dafür bestand kein Grund. Die Elfen gingen schweigend an den übermannshohen Maschinen vorbei und an den Monster-Killern, die gespenstisch echt wirkend auf den nun stillstehenden Fließbändern lagen und aussahen wie eine dahingemähte Armee skurril gekleideter Gangster. Die Elfen wurden vom Grau der Halle aufgesogen und verschwanden schließlich aus Nicks Blickfeld.

Nick starrte ihnen mit offenem Mund nach. »Was soll das?« stammelte er schließlich. »Das können sie doch nicht machen. In drei Tagen ist Weihnachten! Was soll aus den Kindern werden?«

»Das war’s dann wohl, Chef«, sagte Latisha und drängte sich an ihm vorbei. »Kommt, Mädels«, sagte sie zu den beiden anderen Katzenfrauen. »Machen wir, daß wir wegkommen.«

Sie drängte sich an Nick vorbei. Monique und Tess warfen sich einen kurzen Blick zu, dann folgten sie ihr.

»Eh, hiergeblieben!« schrie Nick außer sich. »Das könnt ihr doch nicht machen.« Zornesröte verdunkelte sein Gesicht, als die Katzenfrauen ohne auf ihn zu achten den Elfen folgten. »Halt!« schrie er. »Kommt sofort wieder! Das ist ein Befehl.«

Die Katzenfrauen würdigten ihn keines Blickes. Mit geschmeidigen Bewegungen liefen sie an den dunklen Maschinen vorbei, als befehle ihnen eine geheimnisvolle Macht, den Elfen zu folgen und Nick allein stehen zu lassen.

»Wenn ihr nicht sofort wiederkommt, seid ihr … gefeuert!« schrie Nick außer sich.

Kapitel 3

Es war sinnlos. Der Arbeitsstopp verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Fließbänder, eben noch damit beschäftigt, die Einzelteile der Monster-Killer zu transportieren oder bereits fertig montierte Killer zum Lager zu schaffen, standen still. Die großen Arbeitsleuchten, die jeden Winkel der gigantischen Halle ausleuchteten, erloschen. Nachdem die Katzenfrauen ihn verlassen hatten, herrschte eine fast unnatürlich wirkende Stille. Nur die Notbeleuchtung tauchte die Halle noch in ein schummriges Licht, und nichts erinnerte in dem gigantischen Gebäude noch an Produktivität und Leistungssteigerung.

Nick fühlte sich, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Sein ganzes Denken und Fühlen war wie immer so kurz vor Weihnachten nur darauf ausgerichtet, die ganze riesige Maschinerie am Laufen zu halten, damit er den Kindern geben konnte, wonach sie am meisten verlangten. Und wenn es Monster-Killer waren.

Doch jetzt war alles aus. Selbst die Aufzüge standen still, und auch das sanfte Summen der Klimaanlage, die störende Gase aufsog und frische Luft spendete, war verstummt. Es war eine unheimliche Atmosphäre. Nick konnte sich an keine vergleichbare Situation in seinem langen Leben erinnern. Es war einfach undenkbar, daß es in seinem friedlichen Reich so etwas wie eine Revolte geben konnte.

Und doch war das Undenkbare geschehen. Und alles, was er jetzt tun konnte, war, die Situation in den nächsten drei Tagen zu stabilisieren und nach dem Weihnachtsfest den Scherbenhaufen aufzuräumen. Sie hatten es ja nicht anders gewollt. Wenn sie gegen ihn revoltierten, mußten sie eben mit den Konsequenzen leben. Er würde ein scharfes Gericht halten müssen, und wenn Köpfe rollten. Vielleicht mußte er sogar die Katzenfrauen strafversetzen, bis sie wieder angekrochen kamen und ihn um Verzeihung anbettelten.

Der Gedanke gab ihm neue Kraft. Er straffte die Schultern und setzte sich in die Richtung in Bewegung, in der die Horde aufmüpfiger Elfen verschwunden war. Doch in seinem Kopf schienen tausend Stimmen zu wispern, wie bei einem Radio, das nicht richtig abgestimmt war. Er versuchte sie zu ignorieren, sie zurückzudrängen, aber da war etwas in ihm, was ihn einen Narren schimpfte und ihm selbst die Schuld an der Eskalation gab. Aber das war natürlich Blödsinn. Die anderen waren schuld, er, die leibhaftige Verkörperung des Weihnachtsmannes, war die Unschuld und Liebe in Person. Das war schon immer so gewesen, und daran würde sich auch nichts ändern.

Er beschleunigte seinen Schritt, als müsse er dieses Monument einer übersteigerten Spielwarenproduktion unbedingt und sofort hinter sich lassen. Die Notbeleuchtung wies ihm den Weg zum Treppenhaus, den Weg, den auch die Elfen und die Katzenfrauen genommen haben mußten. Das Treppenhaus endete an der Oberfläche des Weihnachtslandes, dort, wo vor undenklich langer Zeit in den letzten Tagen vor Weihnachten das ewige Feuer gebrannt und alle gewärmt hatte, wo Tanz und Spiel ihnen allen Kraft gegeben hatte, um sich in die Kinderseelen zu versetzen und die geheimen Wünsche aufzuspüren, die Not zu lindern und Hoffnung zu geben. Damals hatte es noch nicht so viele Kinder wie heute gegeben; die Bevölkerung der Welt war geradezu explodiert, und in den letzten Jahrzehnten war dann der Gleichmacher Fernsehen mit Riesenschritten über die Welt marschiert, hatte die Geschichten über ihn und seine Helfer bis in den letzten Winkel armseliger Hütten übertragen, in Länder, wo man zuvor noch nie etwas über ihn gehört hatte.

Und er hatte damit die Verantwortung für eine Milliarde Kinder erhalten, für Völker, von deren Existenz er zuvor nur vage gehört hatte und für die zuvor andere, aber nie er verantwortlich gewesen waren. Das alles ließ sich nur noch mit straffem Management in den Griff bekommen. Die Elfen hatten ja keine Ahnung von seinen endlosen Seelenqualen angesichts der Last der Verantwortung, die ihm durch die Globalisierung und den technischen Fortschritt aufgehalst worden war. Was wußten sie schon von seinen verzweifelten Versuchen, die Balance in einer verrückt gewordenen Welt zu bewahren?

Dann hatte er den oberen Absatz der Treppe erreicht und stieß die Tür zur Außenwelt auf.

Es war ein unwirklicher Anblick. Sie alle hatten sich hier versammelt. Nicht nur die Elfen und die Katzenfrauen, nein, einfach alle. Selbst die Tiere, seine Freunde, seine immerwährenden Verbündeten, hatten sich hier versammelt, die Eisbären und die Pinguine, die Wölfe und die Rentiere. Es war eine gigantische, gemischte Gesellschaft, seine Freunde, und doch empfand er bei ihrem Anblick nicht das gewohnte herzliche Gefühl.

Sie alle schienen auf ihn gewartet zu haben. Als die Tür der Kuppel aufschwang, in deren Glas sich das kalte Licht des polaren Winters brach, und er hinaus in die Kälte trat, verstummte sofort jedes Gespräch. Hunderte von Augenpaaren musterten ihn stumm, und, wie es ihm schien, in stummer Anklage.

»He, hier steckt ihr also!« sagte er betont forsch, aber seiner Stimme fehlte die gewohnte kraftvolle Sicherheit. »Wenn es ein Problem gibt, dann können wir drüber reden. Aber bitte nicht so kurz vor Weihnachten. Laßt uns erst das heilige Fest hinter uns bringen, und dann sehen wir weiter.«

Ein unwilliges Gemurmel erhob sich. »So nicht, Nick!« schrie jemand. Und andere fielen mit in den Chor ein: »So nicht, Nick!«

Nick hob die Hände und versuchte etwas zu sagen, aber seine Stimme ging in dem Schrei »So nicht, Nick!« unter. Es waren die Elfen, die so riefen, und einzelne Tiere schlossen sich dem Chor an. Dann fiel sein Blick auf Latisha; auch die Katzenfrau schrie im Chor mit, und das war vielleicht das Schlimmste – daß sich selbst seine engsten Vertrauten von ihm abgewandt hatten.

Mitten in der Menge stand Merlin, stumm und aufrecht, und obwohl er bei weitem nicht der Größte in der gemischten Gruppe war, schien er doch alle zu überragen. Als er die Hand hob, um Ruhe zu gebieten, gehorchte Nicks Volk; die Stimmen verebbten, und dann war es schließlich nur noch ein kleiner Pinguin, der mit piepsiger Stimme »So nicht, Nick!« skandierte. Carla, die Anführerin der Pinguine, stieß ihm in die Seite. Der kleine Pinguin machte einen Satz nach vorne, sah sich verwirrt um, und verstummte dann auch.

Nick wischte sich mit der Hand über die Stirn. Sein glattes Gesicht wirkte unnatürlich verkrampft. »Warum tut ihr mir das an?« fragte er weinerlich. »Es ist drei Tage vor Weihnachten. Es ist zum Heulen.«

»Du hast dir alles selbst zuzuschreiben«, sagte Merlin und trat auf Nick zu. Daß seine Stimme ruhig und freundlich klang, machte alles nur noch schlimmer. »Du hast die Zeichen der Zeit mißdeutet, Nick. Wenn alles oberflächlicher und greller wird, ist es die Sache des Weihnachtsmanns, gegenzusteuern. Statt dessen hast du noch Öl aufs Feuer gegossen.«

»Ich tu’ doch nur, was die Kinder von mir erwarten«, sagte Nick verzweifelt. Er stieß die Luft mit einem tiefen Seufzer aus, als könne er mit einem tiefen Atemzug all das ungeschehen machen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen war. »Ich habe immer nur das getan, was alle Welt von mir erwartete.«

»Welch eine Entschuldigung!« Merlin schüttelte langsam den Kopf. »Du kennst nicht einmal mehr die sieben Gesetze, die es einzuhalten gilt, wenn man ein Elf ist, nicht wahr?«

»So ein Blödsinn!« begehrte Nick auf. »Natürlich kenne ich sie. Das ist erst einmal … Vertrauenswürdigkeit … und dann … ähm … Haltung …«

Merlin schüttelte abermals den Kopf. Die Bewegung hatte etwas Endgültiges an sich, so, als würde er ein unwidersprechliches Urteil über Nick sprechen. Während die Elfen einen immer engeren Kreis um sie bildeten, kam sich Nick zunehmend wie ein Angeklagter vor, dessen Urteil schon feststand und dem man es nur noch mitteilen mußte.

»Sieh«, sagte Merlin und hob erneut die Arme. »Sieh dir deine Welt an. Sieh dir an, wie menschenähnlich du sie gemacht hast, wie sehr du sie danach ausgerichtet hast, was Hollywood den Menschen als Wahrheit vorgaukelt.«

Nick trat ein paar Schritte in die eisige Kälte des polaren Winters hinaus, und die ihn umgebenden Elfen wichen zurück, als hätte er eine ansteckende Krankheit. Vor der Kuppel hatten sich die Tiere versammelt, Hunderte verschiedener Einzelwesen, Dutzende verschiedener Rassen, und sie alle waren jetzt hier, geeint durch einen geheimen Beschluß, den er nicht kannte und vielleicht auch nie verstehen würde. In Nicks Augen traten Tränen, und er war sich nicht sicher, ob sie von dem eisigen Wind herrührten, der unbarmherzig in sein Gesicht schnitt, oder von etwas anderem, das ihn so tief aufwühlte, daß er kaum noch klar denken konnte.

»Ich bin sicher, daß du dich noch an unsere fundamentalen Gesetze erinnerst«, fuhr Merlin fort. »Wenn wir alle hier am Nordpol uns in einem Wunsche einig sind, dann wird er sich auch erfüllen. Und wir sind uns einig im Wunsch nach Liebe und Güte der Welt gegenüber, und wir halten zusammen im Beschluß, daß du fortgeschickt werden mußt.«

»Wie jedes Jahr, ich weiß.« Nick wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und spürte vage Hoffnung in seinem Herz aufkeimen. Offensichtlich war doch nicht alles so schlimm, wie er gedacht hatte. »Es ist eine wunderschöne Geste jedes einzelnen von euch. Ich freue mich schon darauf, euch wiederzusehen. Ich meine in ein paar Tagen, wenn …«

»Du wirst uns nicht noch einmal sehen«, unterbrach ihn Merlin. »Es wird dieses Jahr kein Weihnachten geben.«

Nick zuckte zusammen, als sei er geschlagen worden. »Bitte, was?« stammelte er. »Was soll das heißen?«

»Das soll heißen, daß genug genug ist«, fuhr Merlin fort. »Du hast Weihnachten zu einer Farce gemacht, zu einem Medienspektakel, zu etwas Furchtbarem, das mit unserer ursprünglichen Absicht nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun hat. Zu einem Fest für Monster-Killer.«

»Das ist nicht wahr!« protestierte Nick. »Schön, die Monster-Killer sind ein schreckliches Spielzeug, aber die Kinder …«

»Ja, die Kinder«, sagte Merlin ernst. »Über die Monster-Killer hast du die Kinder ganz vergessen. Die Kinderherzen, das Geheimnisvolle der Kindheit, das Unschuldige, das Beschützenswerte, das in jedem Kind zu Hause ist. Du hast dein eigentliches Ziel aus den Augen verloren, Nick. Und damit ist… Weihnachten ab sofort beendet.«

Einen Herzschlag lang herrschte absolute Stille »Du meinst es ernst, was?« fragte Nick schließlich ungläubig. »Du meinst es wirklich ernst.« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Das könnt ihr nicht machen. Das geht doch gar nicht. Ich werde einfach noch einmal neu ansetzen; wir schmeißen die Monster-Killer aus dem Programm und starten ein wissenschaftliches Researchprogramm, das uns die letzten Winkel der Kinderherzen enthüllen wird. Und dann können wir gezielt ansetzen …«

»Du solltest dich reden hören«, unterbrach ihn Merlin leise. »Ich kann nicht glauben, was du da von dir gibst, und das Schlimmste ist: Du merkst noch nicht einmal, welchen bodenlosen Unsinn du redest.« Er breitete die Hände aus, in einer kleinen, harmlosen Geste, die dennoch die ganze Welt zu umfassen schien. »Es ist vorbei. Du hast dein Versprechen nicht eingehalten, unsere Güte nicht repräsentiert…«

»Und was ist mit deiner Güte, verdammt noch mal?« unterbrach ihn Nick aufgebracht. »Wie verhältst du dich mir gegenüber?«

»Wie ich mich dir gegenüber verhalte? Zu lange zu geduldig? Habe ich zu lange weggesehen, mir eingeredet, daß meine Warnungen dich erreichen würden?« Merlin nickte. »Ja, das habe ich. Und so trifft auch mich Schuld. Aber nicht darum geht es, denn nur du bist Saint Nick. Oder besser gesagt: Du warst es …« Er hielt einen Moment inne und fuhr dann kaum hörbar fort: »Die Aufgabe der Heilung übernimmt die Medizin, die der Magie übernimmt die Technik, und die der Liebe übernimmt die Materie. So ist es in der Welt geschehen, und so geschieht es hier.«

»Das mag sein«, gestand Nick. »Die Welt hat eine … eine schlechte Phase. Die Menschen sind dennoch die gleichen. Sie werden schon wieder auf den rechten Weg zurückfinden …«

»Das erzählst du uns schon seit fünfzig Jahren.«

»Am Ende werde ich recht behalten«, beharrte Nick.

Merlin schüttelte traurig den Kopf. »Nick, du verstehst einfach nicht, was du verloren hast, und daß es so nicht mehr weitergehen kann. Du hast die Balance verloren. So kannst du nicht als Saint Nick die Kinder beglücken. So beglückst du überhaupt niemanden mehr; du bist nur noch ein billiger Werbeabklatsch deiner selbst…«

»Das ist ja alles wunderschön«, wurde er grob von einer rauhen Stimme unterbrochen, die kaum verständlich war und doch unendlich vertraut. Nick fuhr herum und kniff die Augen zusammen. Es dauerte einen Moment, bevor er begriff, wer das gesprochen hatte. Es war Rocco, der Leitwolf, der dem Gespräch bislang schweigend gefolgt war, jetzt aber offensichtlich die Geduld verlor. »Wenn ihr mal euren Weihnachtsmann-Klimbim unterbrechen könntet: Es geht um wesentlichere Dinge. Es geht um meinen Sohn.«

»Um deinen Sohn?« fragte Nick stirnrunzelnd. »Was ist mit deinem Sohn?«

»Das weißt du nicht? Du weißt nichts von seiner abgerissenen Pfote?« Roccos Stimme klang wie ein fernes Donnergrollen, und seine Augen funkelten tückisch. »Früher hättest du noch nicht einmal auf eine Aufforderung gewartet. Du hättest gewußt, was passiert ist, und du hättest geholfen, ohne daß auch nur ein Wort nötig gewesen wäre.«

»Ja, ja.« Nick zuckte mit den Schultern. »Aber jetzt paßt es mir sehr schlecht, weißt du? Es passiert …«

»Es passiert gleich was, wenn du dich nicht darum kümmerst«, knurrte Rocco ungehalten. »Es ist schon viel zu viel nicht passiert, als daß es jetzt noch ein Zurück gäbe.«

Unter den Tieren und Elfen gab es zustimmendes Gemurmel; eine Mischung verschiedener Geräusche, dem Schnattern der Pinguine, dem Gegrummel der Elfen, dem tiefen Brummen der Bären, dem gefährlichen Grollen der Wölfe. Nick sah sich überrascht um. Ihm wurde erst jetzt vollends bewußt, daß er umringt war von einer riesigen Schar aller Lebewesen, die hier an diesem geheimen Ort im ewigen Eis eine Rolle spielten.

»Nick, wirst du meinen Sohn jetzt heilen?!« fragte Rocco in drohendem Tonfall.

»Ich weiß nicht… ich meine, ich kann ihn mir ja einmal ansehen …«

»Bringt ihn her!« schrie Rocco aufgebracht.

Nick drehte sich um, in der Erwartung, nun Roccos Sohn zu sehen. Aber der Leitwolf hatte offensichtlich etwas anderes im Sinn. Santa erkannte seinen Rentierschlitten, der schlitternd und torkelnd durch das Tor gezogen wurde. Und das war auch kein Wunder. Denn diesmal waren es nicht seine geliebten Rentiere, die den Schlitten zogen. Statt dessen hingen struppige Wölfe in dem Geschirr, magere Gestalten mit funkelnden Augen und unsicheren Bewegungen, die teilweise gegeneinander arbeiteten, dabei aber doch mit erstaunlicher Geschwindigkeit vorankamen.

»He, was soll das!« schrie Nick.

»Wenn du das Spielzeug nicht ausliefern kannst, wirst du vielleicht aufhören, es herzustellen«, grollte Rocco. »Vielleicht entscheidest du dich ja jetzt, dich etwas intensiver um meinen Sohn zu kümmern.«

So unglaublich das Vorgehen der Wölfe war, um so unglaublicher war, daß die anderen Tiere und sogar die Elfen dem frevelhaften Treiben keinen Einhalt geboten. Nick spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Merlins Worte erschienen nun in einem ganz anderen Licht. Hier spitzte sich etwas zu, vielleicht seit Jahren schon, aber nun erst brach es auf wie eine eiternde Wunde, die ihren ekelhaften Inhalt über die nächste Umgebung ergoß.

Doch dann kam in die Tiere plötzlich Bewegung. Nick wollte schon aufatmen, in dem Glauben, sie würden sich nun doch den Wölfen in den Weg stellen. Aber weit gefehlt: Sie benahmen sich eher wie ein plappernder Haufen übermütiger Kindergartenkinder, die zum erstenmal einen Ausflug machten.

Die Pinguine und Polarbären drängelten sich zum Schlitten vor, den die Wölfe mit vor Anstrengung zitternden Leibern auf den Grat der Eisklippe geschleppt hatten, die den besten Überblick über das Hinterland bot – sah man einmal von den Monitoren in Nicks Zentrale ab.

»So einen wollte ich schon immer mal haben!« kreischte ein kleiner Pinguin.

»Kommt gar nicht in Frage!« protestierte Kobo, der Anführer der Eisbären. »Wir nehmen den Schlitten!«

»Das darf doch wohl nicht wahr sein«, murmelte Nick. Er wollte zum Schlitten eilen, aber Merlin gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt. »Laß sie«, sagte er ruhig. »Du kannst das, was du angerichtet hast, sowieso nicht mehr ungeschehen machen.«

»Laßt den Schlitten in Ruhe!« schrie Rocco. »Er gehört uns!«

Die Wölfe ließen das Geschirr fallen und fletschten drohend die Zähne, als sich die Eisbären in ihrer ganzen erschreckenden Größe vor ihnen aufbauten. Den Streit der gefährlichen Raubtiere wollten offensichtlich die Pinguine für sich nutzen. Mit watschelnden Sprüngen hetzten sie von hinten auf den Schlitten zu.

»So nicht«, fauchte Kobo und packte den Schlitten. Aber die Pinguine waren etwas schneller. Sie hatten den Schlitten schon erreicht, und einige von ihnen zerrten verzweifelt an dem reich verzierten Holz. Kobo hob seine schreckliche Pranke und ließ sie auf den Schlitten niedersausen; wohl in der Absicht, das Gefährt zu sich rüberzureißen. Sein Schlag traf nur halb. Und doch langte die Wucht seiner Bewegung, um den Schlitten in zitternde Bewegung zu versetzen. Wie von Geisterhand geführt setzte er sich in Bewegung und rutschte mit zitternden Bewegungen auf die Klippe zu.

Die Wölfe sprangen im letzten Moment aus dem Weg. Der Schlitten donnerte an ihnen vorbei, jagte auf die Klippe zu, schien einen Herzschlag lang in der Luft stillzustehen und polterte dann den Hang herab. Zwei, drei Sekunden herrschte absolute Stille. Die Welt schien stillzustehen, und Nick hielt unwillkürlich den Atem an. Schon dachte er, daß alles gut gegangen war, doch dann gab es einen gewaltigen Krach, wie von einer Explosion – oder wie von einem Schlitten, der auf dem Boden aufschlägt und in tausend Stücke zerspringt.

»Nein!« schrie Nick. Er wollte nach vorne stürzen, aber Merlin hielt ihn am Ärmel fest.

»Nicht, Nick«, sagte er mit seiner ruhigen Stimme. »Was geschehen ist, hast du dir selbst zuzuschreiben. Du hast die heilige Ordnung der Welt durcheinander gebracht.«

»Mein Schlitten …«, keuchte Nick. »Ich glaube, ich werde verrückt.«

Die Tiere schwiegen, aber ihre Minen wirkten eher verunsichert als bestürzt. Kobo zuckte die Achseln und zog sich in Begleitung seiner Eisbären ein Stück zurück. Die Wölfe versammelten sich um Rocco, der jetzt weniger aggressiv als vielmehr verwirrt wirkte. Nur die Pinguine blieben, wo sie waren, und einige von ihnen traten an den Rand der Eisklippe, deuteten aufgeregt nach unten und murmelten etwas.

»Genau aus diesem Grunde mußt du in die Welt hinausziehen und einen neuen Elfen finden«, sagte Merlin. »Ein Kind, das Weihnachten wieder zu dem macht, was es einmal war.«

Nick schwieg einen Moment. »Warum?« fragte er schließlich.

»Wenn du es nicht tust, wirst du den Grund erfahren«, antwortete Merlin geheimnisvoll.

Nick schüttelte den Kopf. »Aber doch nicht innerhalb der nächsten drei Tage, oder?« fragte er hilflos. »Wo soll ich ein Kind auftreiben, das in so kurzer Zeit alle sieben Prüfungen besteht?«

Merlin sah ihm direkt in die Augen. Sein Blick wirkte so ruhig und geheimnisvoll wie immer; es war, als würde man direkt in die Unendlichkeit der Zeit schauen. »Du hast bis acht Uhr am Heiligabend Zeit«, sagte er schließlich.

Er machte eine komplizierte Handbewegung, und aus dem Boden rings um Nick brach ein schillerndes Leuchten vor, einem Regenbogen nicht unähnlich und doch ganz anders, ein Kaleidoskop aus Farben, in sich drehend und doch von einer unglaublichen Konstanz.

»He, das ist mein magischer Wall!« schrie Nick. »Was soll das?«

»Er wird wieder dir gehören, wenn du deine Mission erfüllt hast.« Merlin lächelte leicht. »Und nun tritt ein. Ich habe gehört, in San Diego soll es um diese Jahreszeit ganz nett sein.«

Nick zögerte. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, den magischen Wall zu betreten, seinen magischen Wall, um genau zu sein. Was bildete sich Merlin eigentlich ein? Im Grunde genommen war er nicht mehr als sein Angestellter, ein vielleicht außergewöhnlicher Angestellter an einem außergewöhnlichen Ort – aber nichtsdestotrotz stand es ihm nicht an, Nick Befehle zu erteilen.

»Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte«, sagte Nick. »Es erscheint mir alles – etwas überstürzt.«

»Das Wort stürzen ist vielleicht gar nicht so fehl am Platz«, meinte Merlin nachdenklich. »Du wirst San Diego geradezu entgegenstürzen. Allerdings scheint mir deine Kleidung nicht ganz passend.«

Er schnippte mit den Fingern, und augenblicklich war Nick wie ein ausgeflippter Tourist gekleidet: Mit einem T-Shirt im Hawaii-Stil, bedruckt mit vielen kleinen Weihnachtsmännern, halblangen, leuchtendroten Boxer-Shorts, hohen roten Top-Freizeitschuhen, einer roten Baseballkappe, die falsch herum auf seinem Kopf saß, und einer schrecklichen, rotgetönten Sonnenbrille.

»Aber natürlich kann ich dich nicht alleine gehen lassen«, fuhr Merlin fort. »Die Katzenfrauen werden dich begleiten. Schließlich haben sie mit dir auch Hand in Hand gearbeitet, um den ganzen technischen Firlefanz aufzubauen. Die Begegnung mit der realen Welt wird ihre Technikbegeisterung sicherlich ein wenig bremsen.«

»Aber …«, begann Latisha.

»Nichts aber«, unterbrach sie Merlin liebenswürdig. »Bitte tretet näher, meine Damen.«

»Sollten wir nicht …«, begann Monique unsicher. Sie räusperte sich. »Ich meine, wie sollen wir uns in der realen Welt bewegen? Etwa zu Fuß?«

»Ein trefflicher Einwand«, meinte Merlin leichthin. »Ich denke, da fällt mir schon etwas ein.« Er kratzte sich am Kopf, dann hellten sich seine Züge auf. »Aber ja. Das ist es.«

Er schnippte erneut mit den Fingern, und vor dem magischen Wall zischte und brodelte es plötzlich, und dichter Rauch stieg auf und verdeckte die Szene. Als er sich verzog, stand ein Auto da. Es war nicht einfach irgendein Auto, sondern ein kirschroter 63er Chevy, mit chromblitzenden Stoßstangen und einem Motorraum, der Platz für ein komplettes modernes Stadtauto geboten hätte.

»Aber da wäre noch eine Kleinigkeit«, fuhr Merlin fort. »Denn schließlich kann ich ja den Wall nicht einfach sich selbst überlassen.«

Er schnippte mit den Fingern. »Carla … Kobo! Kommt doch bitte beide mal her!«

Der Eisbär und die Anführerin der Pinguine warfen sich einen kurzen Blick zu, und dann traten die beiden ungleichen Wesen auf Merlin und das Auto zu. Als Carla mit watschelnden Schritten dabei ihrem natürlichen Feind näher kam, erschien eine scharfe Sorgenfalte auf ihrem glatten Federgesicht. Aber sie sagte kein Wort.

»Ich möchte euch eine wichtige Aufgabe übertragen«, sagte Merlin feierlich. »Seid die Wächter des Walls, auf daß er seinen Zweck erfüllt und Nick und die Katzenfrauen sicher zu ihren Bestimmungsort bringt – und sie nicht wieder durchläßt, bis sie ihre Aufgabe erfüllt haben.«

»Ich eigne mich nicht für magischen Firlefanz«, maulte Kobo.

Carla seufzte. »Erklär dem Herrn Pelzidioten bitte, daß er seine Pranken und Sprüche bei sich behalten soll«, sagte sie zu Merlin.

»Seid euch der Verantwortung eurer Aufgabe bewußt«, sagte Merlin ungerührt. »Ich übergebe euch magische Kräfte und ernenne euch zu den Wächtern dieses Walles.«

Er breitete die Hände und murmelte etwas Unverständliches. Aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Funkenregen auf, und magische Funken überzogen die beiden Tiere. Carla schüttelte sich.

»Brrrr, war das frisch!« sagte sie in ihrem breitgezogenen Dialekt. »Mach das noch mal, Merlin, nur noch ein bißchen mehr davon auf die Linke.«

Merlin drehte sich zu Nick und den Katzenfrauen um. »Ich bitte, einzutreten«, sagte er. »Nehmt im Wagen Platz. Und dann alles bereit machen zum Abflug!«

Kapitel 4

Ein Chevy-Cabrio ist ein wunderbares Fahrzeug, ein Liebhaberstück, mit dem sich tausend verrückte Dinge anstellen lassen. Aber als Flugzeug ist es denkbar ungeeignet. Trotzdem hatte sich Merlin offensichtlich eingebildet, Nick und die Katzenfrauen ausgerechnet per Cabrio durch die Atmosphäre in Richtung San Diego zu schleudern.

Wie ein Shuttle, der zu schnell in die Atmosphäre eintaucht, sauste der Chevy auf die Bucht zu. Tess schrie auf, und Monique klammerte sich in ihre Polster, als könne sie das nachgiebige Material vor dem Aufprall schützen.

»Paß auf, Nick!« schrie Latisha. »Oder wir zerschellen wie eine Eismöwe im Orkan!«

Nick preßte die Kiefer aufeinander, und seine Hände umklammerten das Lenkrad des Oldtimers so fest, daß seine Knöchel weiß hervortraten. »Ich kann die Karre nicht halten«, schrie er.

Er drehte wie wild am Lenkrad, aber der einzige Effekt bestand darin, daß der Wagen, der jetzt eher einem abstürzenden Flugzeug glich, auch noch hin- und herzutänzeln begann. Das Cabrio durchstieß die flache Wolkenschicht und raste mit beängstigender Geschwindigkeit auf die Bucht unter ihnen zu.

»Wollen die Elfen den Weihnachtsmann so enden lassen?« stöhnte Nick. »Was für ein skurriler Humor gehört dazu, mich mitsamt meinen Getreuen so grausam zu bestrafen.«

»Nun halt mal die Luft an, Nick!« rief Tess. »Du kannst doch Wunder vollbringen. Also, streng dich mal ein bißchen an!«

Wunder? schoß es Nick durch den Kopf. Das war lange her. Das einzig aktuelle Wunder bestand darin, daß er aus seinem eigenen Reich verstoßen worden war, daß er sich nach all den langen Jahrhunderten nun in einer grotesken Situation befand, die eines Weihnachtsmanns einfach unwürdig war.

Der Wagen stieß wie ein Raubvogel auf die Boote und Katamarane hinab, mit denen Vergnügungssüchtige sich ein paar Tage vor Weihnachten ein paar schöne Stunden verschaffen wollten.

»Haltet euch fest!« schrie Tess. In ihrer Stimme klang Panik mit. Auch Nick fühlte zum erstenmal in seinem Leben, wie eine Woge des Entsetzens über ihm zusammenbrach und er sich vollständig hilflos fühlte. Sollte das wirklich das Ende sein?

Er riß verzweifelt das Steuer herum; aber es war sinnlos, wer auch immer den Flug des Wagens steuerte: Er war es mit Sicherheit nicht. Es war das Gefühl des absoluten Falls, das alle anderen Empfindungen mitriß, ohne Möglichkeit der Gegenwehr und ohne jegliche Chance auf Rettung. Er spürte den Druck auf seinem Körper, und er wußte, daß es aus war: Aus und vorbei, ohne daß man ihm auch nur die kleinste Chance gelassen hätte, seine Schwierigkeiten auf anständige Weise zu lösen.

Unter ihnen wuchsen die Boote und Katamarane mit beängstigender Geschwindigkeit, und dann waren sie so nah heran, daß sie sehen konnten, wie die Menschen aufgeregt auf sie deuteten und mit hektischen Bewegungen versuchten, ihre Boote in eine andere Richtung zu zwingen, weg von dem auf sie herabstürzenden Wagen.

Aber das war natürlich sinnlos. Das fliegende Cabrio war viel zu schnell, als daß auch nur irgend jemand die Chance gehabt hätte, rechtzeitig auszuweichen. Nick spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach, und dann fiel ihm plötzlich das Atmen schwer, die Luft brannte erbarmungslos in seiner Kehle. Es war, als hätte man ihm eine Schlinge um den Hals gelegt und würde sie nun erbarmungslos zuziehen. Selbst das schrille Kreischen der Katzenfrauen nahm er nur noch undeutlich wahr. Ihm wurde schwarz vor Augen, und dann verlor er endgültig das Bewußtsein.

Als er wieder zu sich kam, stand der Wagen sanft schaukelnd auf der Uferstraße – so unversehrt, als würde er hier jeden Tag landen. Nick schüttelte ungläubig den Kopf und richtete sich wieder auf. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er die Hände so fest auf das Lenkrad gepreßt hatte, daß sich das Muster darin schmerzhaft abmalte.

»Mann, das war vielleicht ein Flug«, stöhnte Latisha. »Ich dachte schon, unser letztes Stündlein hätte geschlagen.«

»Allerdings«, pflichtete ihr Monique bei. »Das wäre fast eine Talfahrt ohne Rückfahrschein geworden.«

»Was ist passiert?« fragte Nick.

»Das fragst ausgerechnet du?« fragte Tess zurück. »Du mußt es doch gewohnt sein, durch die Lüfte zu jagen.«

»Ja, schon«, gab Nick zu. »Aber nicht in einem 63er Chevy.«

»Und jetzt?« fragte Tess. »Willst du hier ein kleines Nickerchen machen, oder bist du noch ernsthaft interessiert an deinem Job? Du hast schließlich nur noch drei Tage Zeit bis zur Vollzugsmeldung.«

»Wir haben nur noch drei Tage Zeit«, korrigierte sie Monique. »Denn unser Hals steckt nun mal genauso mit in der Schlinge. Kein Weihnachtsmann bedeutet auch keine Möglichkeit mehr für uns, normale Frauen zu werden.«

»Es sind auch keine drei Tage mehr«, ergänzte Latisha. »Sondern nur noch zwei Tage und 23 Stunden und 17 Minuten und … 8 Sekunden.«

»Schluß jetzt«, fuhr Nick dazwischen. »Hört sofort auf mit dem Gejammer. Wir machen uns sofort an die Arbeit, und wir werden es zweifelsohne schaffen.« Oder auch nicht, fügte er in Gedanken hinzu, aber die Zweifel behielt er besser für sich.

Er drehte den Zündschlüssel, und augenblicklich erwachte der Chevy zum Leben. Nick legte den ersten Gang ein und fuhr los; mit etwas zu viel Gas vielleicht, denn die Reifen quietschten protestierend und zogen eine schwarze Gummispur hinter sich her. Aber es dauerte nicht lange, bis Nick das richtige Gespür für den schweren Wagen entwickelt hatte. Er kurvte durch den Hafen, von aufgeregten Hinweisen seiner drei Katzenfrauen begleitet.

Schließlich fanden sie aus dem Gewirr heraus und bogen auf eine Hauptstraße ein, die stadteinwärts führte. Das sanfte Brummen der 5,6-Liter- Maschine hatte etwas Beruhigendes, und Nick fühlte sich wieder etwas versöhnlicher gestimmt.

San Diego widersprach allerdings in fast allen Punkten dem, was er unter Weihnachten verstand. Nick liebte den Geruch von Tannennadeln, die sich unter ihrer Schneelast bogen, das weiße Glitzern auf Holzhäusern, aus denen sich der kräuselnde Rauch erhob, die klirrende Kälte, die einem bewußt machte, daß es tiefer Winter war. Natürlich gab es Weihnachten genauso auch in den Tropen, an Badestränden und in sommerlicher Umgebung. Aber das war für ihn immer nur ein Weihnachten zweiter Klasse, auch wenn er sich das natürlich nicht anmerken lassen durfte. Der Weihnachtsmann war schließlich für alle da.

Trotzdem. San Diego gehörte ganz sicher nicht zu seinen bevorzugten Orten. Was konnte man auch schon von einer Hafenstadt am pazifischen Meer erwarten, die nahe der Grenze von Mexiko lag und damit im Einfluß eines eher mediterran zu nennenden Klimas? Es war ein beliebter Ort für jene, die der Düsterkeit des nordamerikanischen Winters entgehen wollten oder der einsamen Weihnacht ohne nächste Angehörige, um sich hier vom fast sommerlichen Treiben mitreißen zu lassen. Viele New Yorker waren hier, die vom naßkalten Winter der Metropole die Nase voll hatten, und sogar Kanadier konnte man hier zur Vorweihnachtszeit treffen – obwohl Kanada nun wirklich dem entsprach, was Nick als die passende Kulisse für ein harmonisches Weihnachtsfest bezeichnet hätte.

Immerhin verfügte San Diego im wahrsten Sinne des Wortes über eine lebendige Szene. Auf den Straßen schillerten die schrillsten Farben; wer hier ganz normal gekleidet war, ging in dem bunten Treiben gnadenlos unter. Merlin hatte bei der Wahl von Nicks Kostüm also keineswegs übertrieben. Nicht nur in der Kleidung gab es jede Form farblicher Variationen, auch bei den Haarfarben gab es fast keinen Ton, den es nicht gab. Selbst lila und grün waren als Haarfarben vertreten.

Es sah aus wie ein ausgeflippter Urlaubsort irgendwo an der pazifischen Küste Mexikos, erinnerte an heiße Sommernächte, kühle Drinks am heißen Strand und das Schwirren von Insekten, die in den Urlaubern willkommene Nahrung fanden. Und doch war alles ganz anders. Das lag nicht nur an der fortgeschrittenen Jahreszeit, die die Temperaturen für all jene erträglicher machten, die sich im subtropischen Klima nicht wohl fühlten und für die ganz Sonnenhungrigen eindeutig weniger attraktiv waren. Es lag vielmehr an den ausgeflippten, multikulturellen Dekorationen der Geschäfte, in denen sich Folkloristisches, Großstädtisches und eine sehr eigenwillige Interpretation herkömmlicher Weihnachtsdekoration zu einem unbekömmlichen Gesamtbild zusammenfügten.

»Da ist schon wieder ein falscher Santa«, bemerkte Tess.

Tatsächlich stand auf dem Bürgersteig ein Weihnachtsmann mit weißem Wattebart und der obligatorischen roten Mütze; aber ansonsten entsprach seine Kleidung nicht gerade den üblichen Vorstellungen: Sein rotes T-Shirt war nur ein äußerst unvollkommener Ersatz für die übliche rote Jacke, und seine kurze Hose, unter der behaarte Männerbeine hervorlugten, entsprachen nun in keinster Weise dem Bild, das man sich normalerweise von Saint Nick machte.

Nick warf einen angeekelten Blick in Richtung dieser traurigen Karikatur seiner Selbst. »Der wievielte ist das?« fragte er.

»Der zehnte innerhalb der letzten zwei Blöcke«, antwortete Tess.

»Fehlt nur noch einer«, meinte Nick. »Dann haben wir die Fußballmannschaft komplett.«

Die Wagen vor ihnen bremsten vor einer roten Ampel, und auch Nick mußte halten. Auf gleicher Höhe wie sie stand eine Gruppe Straßenmusikanten, umringt von ein paar Touristen, die im Rhythmus der Musik in die Hände klatschten. Die Musiker waren gekleidet wie mexikanische Gauchos, farbenfroh und doch gleichzeitig schlicht, aber das Lied, was sie spielten, hatte weder etwas mit Mexiko zu tun noch war es ein typisches Weihnachtslied. Zur Melodie des Santana-Lieds ›Oyo Como Va‹ sangen sie:

»Fröhliche Weihnacht…

Baby,

Frohes Fest… ya ya.

Fröhliche Weihnacht, whow …

Glaub daran,

Es wird ein frohes Fest… ahhhh.«

»So kommen wir ja überhaupt nicht weiter«, seufzte Nick. »Wenn das so weitergeht, stehen wir noch am Heiligabend an dieser Ampel. Und das auch noch bei dieser Parodie eines Weihnachtsfests.«

»Nun sieh doch nicht alles so pessimistisch«, sagte Tess. »Ich für meinen Teil bin erst mal froh, daß wir diesen furchtbaren Flug hinter uns haben.«

»Auto fahren ist ja in Ordnung«, meinte auch Latisha, während der Wagen wieder anrollte und sie relativ zügig weiterfahren konnten. »Aber Auto fliegen möchte ich nie wieder.«

»Da kann ich dir nur beipflichten«, meinte Monique. »Aber die Frage ist, ob wir hier unten so viel besser dran sind. Was ist, wenn Nick ver… ich meine, nicht so erfolgreich ist? Wird es dann je wieder Weihnachten geben? Und was wird aus uns?«

»Ja, ja, sprich es nur aus«, stöhnte Nick. »Du glaubst, ich gehöre zum alten Eisen. Überall wird das Management abgebaut, da kann man auch den alten Nick gleich in die Pfanne hauen, nicht wahr? Liegt doch voll im Trend, über Managementfehler zu lästern, aber die Verantwortung für sein eigenes Leben nicht zu übernehmen.«

»Was soll das selbstmitleidige Geschwafel?« fragte Tess. »Du gehst mir langsam wirklich auf den Keks, Mann. Du bist nicht im Management einer Spielzeugfirma, du bist der Weihnachtsmann. Weih-nachts-mann. Kapier das doch mal endlich und benimm dich entsprechend.«

»Gib’s mir nur«, jammerte Nick. »Da strengt man sich an, spürt die neuesten Trends auf, setzt Himmel und … eh, du weißt schon, in Bewegung, und am Ende ist man der Gelackmeierte.«

Er drehte sich um und blickte Tess mitleidheischend an, mit einem Blick, den sie noch nie zuvor an ihm bemerkt hatte.

»Paß auf!« kreischte Monique. »Schau lieber nach vorne.«

Die Warnung kam keinen Augenblick zu früh. Nick, der so in seinen düsteren Gedanken gefangen war, daß er seiner Umgebung kaum noch Aufmerksamkeit zollte, riß den Kopf nach vorne.

Und trat mit aller Gewalt in die Bremsen. Ein älterer schwarzer Mann hüpfte mit einem erschrockenen Satz zur Seite, als der Chevy auf ihn zuschoß und mit einem bedrohlichen Schlingern haarscharf an ihm vorbeischrappte. Der Mann riß drohend die Faust hoch und schrie irgend etwas, das im Quietschen der Bremsen unterging.

Nick hatte den Chevy mittlerweile zum Stehen gebracht.

»Puh, das was knapp«, stöhnte Tess.

Nick drehte sich zu dem Mann um, den er mit dem fast zwei Tonnen schweren Wagen beinahe überrollt hätte. »Entschuldige, Bruder«, sagte er. »Ich hab’ einen Moment nicht aufgepaßt.« Er lächelte entschuldigend. »Aber trotzdem fröhliche Weihnachten.«

Der Farbige trat an den Chevy heran und stützte sich lässig auf den ausladenden Kotflügel. »Wer hat dich denn frisiert?« fragte er Monique gehässig und starrte sie unverschämt an.

»Mich?« stammelte Monique erschrocken. »Ich … wieso?«

»Und ihr anderen Schnepfen habt euch wohl an eurer Schwester ein Vorbild genommen, oder was?«

Er lachte meckernd und drückte Nick eine Visitenkarte in die Hand. »Vielleicht meint Santa es gut mit dir und bringt dir dieses Jahr einen neuen Friseur für deine Punker-Freundinnen mit.«

Bevor Nick antworten konnte, hatte er sich schon mit einem erneuten, unsympathischen Lachen umgedreht und verschwand jetzt auf dem Bürgersteig in dem nicht enden wollenden Gedränge der Menschen, von denen nur die wenigsten auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk waren. So wie die Gegend aussah, jagten sie wahrscheinlich eine dieser Substanzen hinterher, die einen auch ohne Chevy und Weihnachtsmann zum Fliegen brachten.

Nick betrachtete verunsichert die drei Katzenfrauen und warf dann einen Blick auf die Visitenkarte.

»Junge, du bist auf der Suche nach einem Elfen … nicht nach einem neuem Friseur«, sagte Monique. »Laß uns endlich weiterfahren.«

»Oh ja«, sagte Nick. »Laßt uns einen Plan machen. Wir gehen Essen, und dann sehen wir weiter.«

»Was ist das denn für ein genialer Plan«, stöhnte Monique.

»Immer noch besser, als ziellos durch die Gegend zu fahren und mehr oder minder harmlose schwarze Männer über den Haufen zu fahren«, widersprach ihr Tess. »Immerhin brauchen wir einen Ansatzpunkt, um den Elfen zu finden.«

Während die Katzenfrauen darüber stritten, was nun die beste Vorgehens weise war, lenkte Nick den Chevy an den Straßenrand und stellte den Motor ab.

»Voilà«, sagte er. »Da sind wir.« Er deutete auf ein kleines Straßencafé, das wie aus Paris hergezaubert im Schatten eines großen Mietshauses lag. Das einzige, was störte, war die groteske Mischung zwischen aufgesetzter Weihnachtsstimmung, mit der typischen Dekoration, mit dem Grün von Tannennadeln, dem typischen rotweißen Weihnachtsklimbim und der dazu überhaupt nicht passenden Kleidung der Touristen, die angesichts der sommerlichen Temperaturen ganz ähnlich wie Nick gekleidet waren.

Nick lenkte den Chevy aus dem Verkehr und stellte ihn an einem freien Parkplatz an einem Hydranten ab. Ein anderer Autofahrer hupte und drohte mit der Faust.

»Huch, haben wir ihm etwa den Parkplatz weggenommen?« fragte Tess verblüfft.

»Ich glaube eher, an einem Hydranten parken ist verboten«, meinte Monique. »Vielleicht sollten wir uns besser einen anderen Platz suchen.«

»Kommt gar nicht in Frage«, sagte Nick. »Wir gehen jetzt etwas essen, und dann …«

»Dann sehen wir weiter, ich weiß«, seufzte Latisha.

Nick warf ihr einen zerstreuten Blick zu, verzichtete aber auf eine Antwort. Er wirkte nun überhaupt nicht mehr wie der Vorstandsvorsitzende eines beliebigen Konzerns, sondern eher wie ein kleiner Angestellter einer Firma, der um seinen Job fürchtet und sich in seinem Urlaub vor allem darum Gedanken macht, ob sein nächster erster Arbeitstag nicht sein letzter sein könnte.

Und so weit entfernt von der Wahrheit war das ja auch nicht.

Die Katzen hüpften mit geschmeidigen Bewegungen aus dem Wagen und folgten Nick, der mit weit ausholenden Schritten auf das Café zueilte. Mit zielsicheren Bewegungen steuerte er den einzig freien Tisch an, kurz bevor ihn eine Gruppe bayrisch gekleideter Touristen in Lederhosen und Trachtenlook erreichen konnten. Die Touristen warfen Nick mürrische Blicke zu, trollten sich aber, als die Katzenfrauen heraneilten. Einer von ihnen deutete auf Tess und sagte irgend etwas, und die anderen lachten.

Tess runzelte die Stirn, aber Latisha und Monique hakten sich bei ihr ein und zogen sie die letzten paar Schritte kurzerhand mit sich.

»Puh, das war knapp«, meinte Latisha, während sie sich in einen Stuhl fallen ließ.

»Was war knapp?« fragte Nick. Sein Blick wanderte von einer Katzenfrau zur anderen.

»Na, das mit dem Tisch«, sagte Latisha.

Nick blickte sie verständnislos an. »Mit welchem Tisch?« fragte er.

»Mit diesem hier«, mischte sich Tess ein. »Gut, daß du uns gerade noch den letzten Tisch frei gehalten hast.«

»Habe ich das?« Nick schüttelte den Kopf. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«

Er warf einen Blick in die Runde und runzelte die Stirn. Es sah aus, als seien sie mitten in die Probe eines surrealistischen Theaterstücks geraten. Die beiden Typen, die am Nebentisch saßen, trugen Irokesenschnitt und Ringe in Nase und Oberlippe; ihre beiden Begleiterinnen sahen aus, als wären sie in einen Farbtopf gefallen, so farbenprächtig schillerten ihre Haare. Ein Stückchen weiter saßen ein paar Typen in schwarzer Lederkluft und mit bleichen Gesichtern, als warteten sie auf ihren Einsatz als Komparsen bei einem Gruselfilm mit einem solch erbaulichen Titel wie ›Rückkehr der tanzenden Leichen‹, und daneben gab eine Familie zum besten, wie sich schlechtes Benehmen kleiner Kinder ohne Eingriff der Eltern zu einem öffentlichen Spektakel inszenieren ließ.

Ein junges Mädchen trat an ihren Tisch und nahm ihre Bestellung entgegen. Währenddessen musterte sie die Katzenfrauen unverhohlen. »Cooles Make-up«, meinte sie schließlich anerkennend. »Wie seid ihr denn auf diese Idee gekommen?«

»Von wegen Make-up«, maulte Tess. »Frag doch unseren Boß hier, warum wir so rumlaufen müssen.«

Die Kellnerin zuckte mit den Achseln und wandte sich anderen Gästen zu. Die beiden mit Piercing übersäten Jungen am Nachbartisch hatten die letzten Worte offensichtlich mitbekommen.

»Ein Boß mit drei Schnepfen«, sagte der eine zu Nick. »Alle Achtung, Mann. Du mußt ja ein ganz dickes Portemonnaie haben.«

»Bitte?« fragte Nick irritiert.

»Es sieht doch mehr nach Halloween aus als nach Weihnachten in diesem Jahr«, lästerte der andere. »Versteht ihr, was ich meine?«

Die beiden Mädchen kicherten, obwohl sie mit ihren bunten Frisuren nun wirklich keinen Grund hatten, sich über die Katzenfrauen lustig zu machen.

Monique wollte etwas sagen, aber Tess legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Laß nur«, sagte sie. »Der Boß wird das schon regeln.«

Nick warf ihr einen fragenden Blick zu, aber an Tess’ Gesichtsausdruck erkannte er, daß sie ihn nicht ärgern wollte. Offensichtlich wollte sie ihn mit der Nase drauf stoßen, daß er mit der Suche nach einem Elf gleich hier und jetzt loslegen konnte.

»Kann ich euch mal was fragen«, begann Nick stockend. Er suchte krampfhaft nach einem Thema, über das sich ein Gesprächsfaden knüpfen ließ. »Was ist das alles für … ihr wißt, was ich meine … für Metall in euren Gesichtern?«

Der angesprochene Junge grinste breit. »Mann, wo kommst du denn her … vom Nordpol?«

»Ja, genau.« Nick nickte automatisch, während ihm gleichzeitig bewußt wurde, daß diese Antwort vielleicht nicht die klügste war.

Der gepiercte Junge musterte erst Nick, dann die Katzen. »Ganz schön abgedrehte Freunde hast du da«, meinte er. »Was macht ihr hier?«

Nick zögerte einen Moment und zuckte dann mit den Achseln. Irgendwo mußte er ja ansetzen, warum dann nicht gleich hier und jetzt? »Also … gerade eben bin ich auf der Suche nach … einem Elfen«, sagte er zögernd. »Vielleicht würdest du mir ja helfen, einen zu finden?«

»Für wen hältst du mich, Alter?« fragte der Junge. Er zwinkerte ihm zu. »Muß wohl ’n Klasse Joint gewesen sein! Gib mir was von deinem Stoff!«

Die vier brüllten vor Lachen los, und Nick fühlte sich, als hätte man ihm mit voller Wucht in den Magen geschlagen. Es war einfach nicht fair. Er gab sich alle Mühe, seiner Rolle gerecht zu werden, aber diese Typen machten sich einfach über ihn lustig.

Aber was bildeten sie sich eigentlich ein? Er war schließlich Saint Nick und hatte einen Auftrag zu erledigen; wenn er versagte, würde es kein Weihnachtsfest mehr geben. Wenn er jetzt klein beigab, würde er nie rechtzeitig einen Elf finden. Und schließlich war es schon immer seine Stärke gewesen, andere von seiner Mission zu überzeugen und mitzureißen.

»Alle mal herhören!« rief er so laut er konnte und erhob sich gleichzeitig. »Ich bin in einer wichtigen Mission hier! Wenn sich hier zufällig ein Elf befindet oder jemand weiß, wo ich einen Elf finden kann, dann soll er sich bitte bei mir melden.«

Der Lärm an den Nachbartischen verstummte, und Nick fühlte sich aus zahlreichen Augenpaaren unangenehm angestarrt. Es war fast die gleiche Szene wie vor der Kuppel am Nordpol, nur daß es diesmal fremde Menschen waren, die ihn nicht kennen konnten und ihm auch grundsätzlich wohl kaum wohl gesonnen waren.

»Einen Elf«, fuhr er fort. »Ich bin für jeden Hinweis dankbar.« Er holte seine Brieftasche vor, zog ein Bündel Scheine hervor und wedelte damit in der Luft. »Jeder Hinweis, der zur Ergreifung eines Elfs führt, wird belohnt.«

Die junge Kellnerin rauschte heran und baute sich vor Nick auf. »He, Mann, laß den Quatsch«, fauchte sie. »Such dir eine andere Spielwiese, wenn du abdrehen willst.«

»Ich bin nicht abgedreht«, protestierte Nick. »Ich suche ganz einfach einen Elf. Nicht mehr und nicht weniger.«

»Wenn du nicht sofort den Mund hältst, laß ich dich rausschmeißen«, zischte die Kellnerin aufgebracht. Offensichtlich war sie den Umgang mit ausgeflippten Typen gewöhnt und ordnete Nick ganz automatisch in diese Gruppe mit ein.

»He, ich will doch nur …« Als hinter der Kellnerin die beiden Ledertypen mit den bleichen Gesichtern auftauchten, verstummte er schlagartig.

»Laß nur, Baby«, sagte einer von den beiden zur Kellnerin. »Wir machen das schon. Das ekelhafte Elf-Gekläffe ist ja nicht zum Aushalten.« Er packte Nick am Kragen und bugsierte ihn unsanft in Richtung Straße und stieß ihn auf den Bürgersteig. Nick taumelte ein paar Schritte weiter, drehte sich dann um und starrte die beiden an.

»Wißt ihr eigentlich, wer ich bin?!« schrie er.

Die Leder-Zombies musterten ihn von oben bis unten, und einer sagte verächtlich: »Rudolph, das rotnasige Rentier?«

»Wohl kaum«, sagte Nick müde. »Rudolph arbeitet nur für mich … Ich bin der Weihnachtsmann!!«

Die Gäste im Straßencafé lachten.

»Ich hätte dich eher für den Osterhasen gehalten!« rief ihm ein dicker Mann zu, dessen buntes Hemd sich gefährlich über seinen monströsen Bauch spannte.

»Den gibt es nicht!« beschied ihm Nick knapp und wandte sich dann wieder an den Ledergekleideten. »Ich sage dir, ich bin der Weihnachtsmann. Der bin ich schon seit über tausend Jahren.«

»Den sollte man zwangseinweisen lassen!« rief einer der gepiercten Jungen.

Die Leute lachten über den müden Scherz, als wäre es ein besonders gelungener Gag in einer spritzigen Comedyfolge. Tess machte den Eindruck, als wollte sie sogleich an Nicks Seite eilen und ihn vor der Menge verteidigen, doch Monique und Latisha hielten sie zurück.

Der Leder-Zombie grinste breit, aber seine Augen blieben kalt und ausdruckslos wie die einer Schlange. »Santa kann zaubern, nicht wahr?« fragte er spöttisch. »Zauber uns doch ein bißchen Schnee herbei.«

»Oh yeah!« schrie der Dicke. »Laß es an der Mission Bay schneien!«

Nick zuckte zusammen. »Ich … normalerweise könnte ich das schon …«, stammelte er.

»Ich werd’ dir jetzt einen guten Rat geben, Santa …«, sagte der Ledertyp, der Nick auf die Straße bugsiert hatte. »Nimm dein niedliches kleines Käppchen … und laß dich hier nie wieder blicken.«

Er schleuderte Nick die Baseballkappe ins Gesicht, und die Restaurantgäste johlten, als er ihn noch einmal an der Schulter schubste und Nick erneut um sein Gleichgewicht kämpfen mußte.

»Ich …«, begann Nick, aber dann besann er sich eines anderen, drehte sich wortlos um und ging mit schleppenden Schritten die Straße hinab. Noch nie zuvor in seinem Leben war er so gedemütigt worden; wenn er geglaubt hatte, daß ihm nach dem Erlebnis der Elfen-Revolte nichts Schlimmeres mehr hätte passieren können, dann hatte er sich wohl gründlich getäuscht.

Die Katzenfrauen waren mittlerweile aufgesprungen und folgten Nick unter dem Johlen der Gäste. Mit wenigen geschmeidigen Schritten hatten sie Nick eingeholt.

»Komm schon, Chef, laß uns einfach ein bißchen weitergehen«, sagte Latisha. »Vielleicht stoßen wir ja woanders auf die Spur eines Elfen.«

»Ich weiß nicht«, maulte Nick. »Nach dieser Erfahrung werde ich das Wort Elf nicht mehr so schnell in den Mund nehmen.« Er schwieg und versuchte das Chaos hinter seiner Stirn zu ordnen. Gut, er hatte nicht mehr viel Zeit, und die Erfahrung in dem Café war alles andere als ermutigend. Aber andererseits stand viel zuviel auf dem Spiel, um jetzt einfach aufzugeben. Latisha hatte sicherlich recht. Hier mit offenen Augen weiterzugehen war besser, als mit dem Auto im Stau zu stehen und nicht zu wissen, wohin man eigentlich wollte.

»Ich brauche eine Umgebung, in der man vielen Kindern begegnet«, sagte er nachdenklich. »Erwachsene können mir sowieso nicht weiterhelfen.«

Er deutete auf die Geschäfte, auf Bäckereien, Uhrmacherläden, Kunst- und Kitschangebote, auf die Elektronik- und CD-Läden. »Sieht nicht gerade so aus, als ob wir hier auf viele Kinder stoßen würden.«

»Das will ich nicht sagen«, meinte Tess. »Sie doch mal da drüben.«

Auf der anderen Seite stand ein altmodisches Kaufhaus, etwas zurückgelegen hinter einem Parkplatz, mit kleineren Geschäften wie einem Optiker, einer Apotheke und einem Drugstore – ein klassisches kleines Einkaufszentrum, wie es fast in jeder größeren Stadt zu finden war und typisch für die Zeit, als das Wort Shopping Mall noch kein Modewort geworden war.

Vor diesem Kaufhaus hatte sich eine akzeptable Weihnachtsmannkopie plaziert, mit richtig langen roten Hosen, einer rötlich schimmernden Weste, die sich über den dicken Bauch spannte, und einem Bart, der fast echt aussah. Der Weihnachtsmann wurde von einer Horde Kinder umrahmt, die aufgeregt um ihn herum tanzten. Die Santa- Kopie griff in die tiefen Taschen ihrer Weste und holte eine Handvoll Bonbons heraus, die sie im hohen Bogen in die Luft warf. Die Kinder grapschten danach, und die, die nicht gleich aus der Luft Bonbons auffangen konnten, suchten anschließend auf dem Boden nach ihnen.

»Nichts wie hin«, sagten Tess und Monique wie aus einem Munde.

»Da, die Ampel steht gerade auf Grün!« sagte Latisha und hakte sich mit ihren Freundinnen ein. »Ab geht die Post!«

Nick hatte Mühe, den Katzenfrauen zu folgen. Aber ihre Aufregung und ihr Optimismus taten ihm gut. Wenn er eine Chance hatte, dann hier und jetzt. Er eilte den Katzenfrauen hinterher, auf das Kaufhaus und den Weihnachtsmann zu. Die Kinder, die sich mit Bonbons eingedeckt hatten, waren teilweise bereits wieder verschwunden, aber wann immer Eltern mit Kindern zum Kaufhaus gingen oder es verließen, blieben sie zumindest einen Moment bei dem Rotgekleideten stehen; die meisten von ihnen hatten ein entspanntes Lächeln auf den Lippen und machten irgendwelche scherzhaften Bemerkungen. Ein kleines Mädchen zupfte am Mantel des falschen Weihnachtsmanns und sagte: »Ich hab’ dich lieb.«

Nick lächelte, aber gleichzeitig spürte er einen scharfen Stich in seiner Brust. Wie gerne hätte er jetzt mit seiner Kopie getauscht und sich ohne die Last seiner Verantwortung darum gekümmert, auf ein paar Kindergesichter ein Lächeln zu zaubern.

»He, komm schon», rief Monique. »Ich hab’ was entdeckt!«

Nick sauste hinter ihr her, und Monique packte ihn an der Hand und schleifte ihn kurzerhand mit sich. »Sie bilden hier Weihnachtsmänner aus«, sagte sie aufgeregt. »Da, sieh nur das Schild!«

Und Nick las: IHRE CHANCE – KINDER ZUM LACHEN BRINGEN UND DAMIT GELD VERDIENEN!

Ehe er begriff, was damit gemeint war, hatte Monique ihn schon durch eine Tür gestoßen. »Wow«, machte Nick, als er in den dahinter gelegenen Raum stolperte. Durch eine Glasscheibe hatte er den Ausblick auf eine riesige Verkaufshalle, die liebevoll mit Spielzeug aller Art dekoriert war und zwischen dem sich Hunderte von Kindern mit ihren Eltern drängelten. Er entdeckte eine Teddyecke, eine Raumschiffzentrale, ein Batman-Centre, ein Barbie-Hochhaus und mittendrin, alles andere dominierend, die Sonderausstellung Monster-Killer, mit einer nachgestellten Schußwechselszene, leuchtenden Polizeilampen, kugelsicher gekleideten Eliteeinheiten und mittendrin die Monster-Killer, dieses ungeheure Spielzeug, für das er nur noch abgrundtiefe Verachtung empfand.

»He, nicht so stürmisch«, brummte ein dicker Mann, den Nick versehentlich angerempelt hatte. »Immer hübsch der Reihe nach.«

Nick wandte verwirrt den Blick von der schlechten Kopie seines Spielzeuglands und sah sich in dem Raum um, in dem er gelandet war. Vor ihm standen ein paar Männer in mehr oder minder gelungenen Variationen von Weihnachtsmannkleidung. Nick konnte sich nicht daran erinnern, schon jemals eine solche Szene gesehen zu haben. Die Männer wirkten mürrisch und gereizt und so überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung, daß er sich fragte, warum sie überhaupt hier waren.

»Der nächste, bitte«, sagte eine herrische Frauenstimme.

Der dicke Mann vor ihm rückte ein Stück auf und holte ein Taschentuch hervor, um sich damit die Stirn abzutupfen. »Ich möchte mal wissen, wann wir hier endlich durch sind«, seufzte er. »Das dauert ja jedesmal länger.«

»Jedesmal?« echote Nick verwirrt.

Der Dicke drehte sich zu ihm um. In seiner linken Hand hielt er einen zusammengeknautschten Kunststoffbart und eine rote Zipfelmütze, die eher zu einem Gartenzwerg als zu einem Weihnachtsmann gepaßt hätte. »Jedes Jahr«, erklärte der Dicke. »In diesen letzten beschissenen Tagen vor dem Fest, wenn die ganze Stadt kopfsteht, wenn den Papas einfällt, daß sie wieder einmal das Weihnachtsgeschenk für ihre Kinder im letzten Moment kaufen müssen und die Mamas mit dem letzten Geld die Supermarktregale leerkaufen vor lauter Angst, die Fressalien würden ihnen über die Weihnachtstage ausgehen.«

»Ja und?«

»Was und?« fragte der Dicke. »Dann schickt mich meine Alte jedesmal hier hin, damit ich ein paar Kröten verdiene, um meinen Bälgern eine kleine Freude machen zu können. Diesmal ist der Monster-Killer dran. Schreckliches Gerät. Und dafür muß ich den Weihnachtsmann spielen. Es ist zum Kotzen.«

»Hier machen sie aus einem also einen Weihnachtsmann?« fragte Nick.

»So könnte man es ausdrücken, Bleichgesicht. Zum Weihnachtsmann, zum Hilfsverkäufer ersten Ranges oder was auch immer.«

Nick deutete auf das Fenster, durch das das Spielzeugland vor ihm lag, eine Konsumhöhle ungeheuren Ausmaßes und offensichtlich auch von ungeheurer Anziehungskraft auf jung und alt. »Und die Kinder sehen uns durch dieses Fenster zu, wie wir uns in – eh – Weihnachtsmänner verwandeln?« wollte er wissen.

»Wohl noch nie einen Krimi geschaut, was«, knurrte der Dicke. »Die Scheibe ist natürlich nur von dieser Seite aus durchsichtig, damit die alte Schnepf… ich meine, Mrs. Jenkins, die Situation immer unter Kontrolle behält.«

»Kleine Maus … Ich hoffe, du warst brav in diesem Jahr«, dröhnte eine tiefe Stimme von vorne. »Es wäre doch eine richtige Schande, wenn ich dir einen Klaps geben müßte, hinten auf deinen … eh, vielleicht willst du ja auch einen Bonbon?«

»Okay, Wayne«, schrillte Mrs. Jenkins Stimme. »Du wirst es zwar nie lernen, aber dennoch will ich dir eine Chance geben. Sei ein lieber Weihnachtsmann.«

»Jawohl, Mrs. Jenkins«, sagte Wayne und machte damit Platz für den nächsten. Die Schlange rückte wieder vor.

»Hab’ ein Suuuuuper Weihnachtsfest in diesem Jahr«, sang der nächste mit hoher Fistelstimme. »Ich wünsche dir wirklich, wirklich alles Gute …«

»Die armen Kinder können einem leid tun«, unterbrach ihn Mrs. Jenkins. »Also zisch ab und reiß dich ein bißchen zusammen, wenn du den Weihnachtsmann gibst.«

»Diese Weihnachtsmänner sind wirklich nicht gerade überzeugend«, sinnierte Nick. »Mit der Realität haben sie jedenfalls nicht das geringste zu tun.«

Der Dicke runzelte die Stirn. »Was bist du, Mann. Ein Experte?«

Nick zuckte mit den Schultern. »Offen und ehrlich gesagt… ja. Und glaub mir: Santa ist kein fetter, alter Sack. Er ist von der kräftigen Art, glaub mir. Und sein Alter sieht man ihm auch nicht an.«

»He, wenn das auf mich geht, werde ich dir zeigen, was so ein fetter, alter Sack wie ich noch alles drauf hat«, schimpfte der Dicke.

»Ich hab’ dich wirklich nicht gemeint«, sagte Nick verzweifelt. »Ich hab’ wirklich an jemand ganz anderen gedacht. An einen Saint Nick, der im hohen Norden mit seinen Freunden alles tut, um die Kinder glücklich zu machen.«

»Ganz bestimmt«, höhnte der Dicke. »Und Santa hat sicher auch eine Armee Elfen, die all die Drecksarbeit für ihn erledigt, während er nur dasitzt und sich um die Presse kümmert.«

»Einer muß ja den Kopf hinhalten«, jammerte Nick. »Niemand will verstehen, daß …«

Aber dann rückte die Schlange erneut weiter, und der Dicke war an der Reihe. »Hallo, meine Süßen«, flötete er in Mrs. Jenkins Richtung, die abgeschirmt durch zwei seitliche Trennwände hinter ihrem Schreibtisch saß und durch ihre dicke Brille den Dicken mißgünstig musterte. »Seht, was der Weihnachtsmann euch in diesem Jahr mitgebracht hat.«

»Wenn ich dich so ansehe, kommt mir zwar das Kotzen«, sagte Mrs. Jenkins grob. »Aber immerhin bist du fett genug, um wenigstens im Umfang mit dem Weihnachtsmann konkurrieren zu können. Also, sieh zu, daß du Land gewinnst.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960532002
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (September)
Schlagworte
Weihnachtsbuch Kinderbuch Kinderbuch Humor Abenteuerroman Kinderbuch Freundschaft Kinderbuch ab 8 Astrid Lindgren Cornelia Funke Neuerscheinungen eBooks

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Titel: Saint Nick - Der Tag, an dem der Weihnachtsmann durchdrehte
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