Lade Inhalt...

Solange wir Schwestern sind

Roman

©2018 166 Seiten

Zusammenfassung

Gemeinsam gegen den Rest der Welt: der mitreißende Jugendroman »Solange wir Schwestern sind« von Bestseller-Autor Thomas Jeier als eBook bei jumpbooks.

Früher konnte nichts die beiden trennen. Jetzt erkennt die fünfzehnjährige Yvonne ihre Schwester nicht mehr wieder: In roten Lettern steht »Halt die Welt an, ich will aussteigen« an der Wand über Angies Bett. Immer häufiger schwänzt ihre ältere Schwester die Schule, verschwindet tagelang und verhält sich seltsam. Auf der Suche nach Antworten findet Yvonne Schnapsflaschen im Zimmer ihrer Schwester und muss kurz darauf entsetzt feststellen, dass auch Drogen hinter Angies erschreckendem Verhalten stecken! Yvonne kann nicht länger tatenlos zusehen, wie Angie auf die schiefe Bahn gerät. Verzweifelt versucht sie ihr zu helfen … als diese sich auf einmal in den Kopf setzt, nach Italien abzuhauen!

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das mitreißende Jugendbuch »Solange wir Schwestern sind« von Bestseller-Autor Thomas Jeier für junge Leser ab 12 Jahren. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Früher konnte nichts die beiden trennen. Jetzt erkennt die fünfzehnjährige Yvonne ihre Schwester nicht mehr wieder: In roten Lettern steht »Halt die Welt an, ich will aussteigen« an der Wand über Angies Bett. Immer häufiger schwänzt ihre ältere Schwester die Schule, verschwindet tagelang und verhält sich seltsam. Auf der Suche nach Antworten findet Yvonne Schnapsflaschen im Zimmer ihrer Schwester und muss kurz darauf entsetzt feststellen, dass auch Drogen hinter Angies erschreckendem Verhalten stecken! Yvonne kann nicht länger tatenlos zusehen, wie Angie auf die schiefe Bahn gerät. Verzweifelt versucht sie ihr zu helfen … als diese sich auf einmal in den Kopf setzt, nach Italien abzuhauen!

Über den Autor:

Thomas Jeier wuchs in Frankfurt am Main auf, lebt heute bei München und »on the road« in den USA und Kanada. Seit seiner Jugend zieht es ihn nach Nordamerika, immer auf der Suche nach interessanten Begegnungen und neuen Abenteuern, die er in seinen Romanen verarbeitet. Seine über 100 Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.

Thomas Jeier veröffentlichte bei jumpbooks auch die folgenden eBooks:

Die abenteuerliche Reise der Clara Wynn

Die Sterne über Vietnam

Sie hatten einen Traum

Flucht durch die Wildnis

Flucht vor dem Hurrikan

Sturm über Stone Island

Die Reise zum Ende des Regenbogens

Wohin der Adler fliegt – Das Leben der Elaine Goodale

Wo die Feuer der Lakota brennen

Hinter den Sternen wartet die Freiheit

Die Frauen von Greenwich-Village

Der Stein der Wikinger

Blitzlichtchaos

Die Website des Autors: www.jeier.de

Der Autor im Internet: www.facebook.com/thomas.jeier

***

eBook-Neuausgabe Oktober 2018

Dieses Buch erschien bereits 1995 unter dem Titel Rom, zweite Klasse, einfach bei Verlag Carl Ueberreuter.

Copyright © der Originalausgabe 1995 und 2007 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2018 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Aleshyn Andrei

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-96053-262-0

***

Wenn dir dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir dir gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schick einfach eine eMail mit dem Stichwort Solange wir Schwestern sind an: lesetipp@jumpbooks.de (Wir nutzen deine an uns übermittelten Daten nur, um deine Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuch uns im Internet:

www.jumpbooks.de

www.facebook.com/jumpbooks

Thomas Jeier

Solange wir Schwestern sind

Roman

jumpbooks

Kapitel 1

Halt die Welt an, ich will aussteigen.

Ich war ziemlich fertig, als ich den Spruch im Zimmer meiner Schwester entdeckte. Die großen Buchstaben leuchteten rot an der Zimmerwand und klebten wie ein böses Omen auf der gemusterten Tapete. Der Spruch an sich war harmlos. Er stammte aus einem Musical, das vor einigen Wochen im Fernsehen gelaufen war. Mich erschreckte die rote Farbe, die wie Blut an der Wand heruntergelaufen war und jetzt noch auf das Messingbett zu tropfen schien. Mir wurde richtig übel, als ich das Licht anknipste und die nasse Farbe an der Wand leuchten sah.

»Yvonne! Wo bleibst du denn?«

»Ich suche meinen Pullover, den roten mit den weißen Blumen. Ich dachte, er ist bei Angie. Kannst du mal kommen?«

»Ich hab keine Zeit.«

»Ich muss dir was zeigen.«

»Ich koche gerade!, rief meine Mutter ungeduldig. »Was ist denn schon wieder?«

In der Küche klapperten Töpfe, dann hörte ich ihre Schritte auf der Kellertreppe. Im Vorbeigehen hob sie die schmutzigen Schuhe auf, die Angie auf die Stufen geworfen hatte.

»Elende Schlamperei!«, schimpfte Mama leise. Sie warf die Schuhe in die offene Waschküche und kam ins Zimmer. »Ich hab Rouladen auf dem Herd stehen und muss noch Kartoffeln aufsetzen«, meinte sie ungeduldig. »Was ist denn?«

Ich deutete auf die Schmiererei. Es ging mir nicht darum, Angie zu verpetzen. Da musste schon was anderes passieren. Aber ich wollte auch nicht warten, bis meine Mutter die Bescherung von selbst entdeckte. »Das hat Angie geschrieben.«

Mama war sprachlos. Sie rieb ihre Hände an der Schürze trocken und starrte entsetzt auf die rote Farbe. Ihr Gesicht war blass geworden. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die den ganzen Tag mit einem Staublappen in der Hand herumliefen, aber sie hatte es gerne ordentlich und träumte von der glücklichen Familie aus der Margarine-Werbung, die lächelnd auf der Terrasse eines sauberen Eigenheims saß und sich schon beim Frühstück über den herrlichen Sommertag freute. In dieses Bild passte Angies unaufgeräumtes Kellerzimmer schlecht und die blutrote Schrift noch viel weniger.

»Das wäscht sie selber ab«, sagte sie. »Darauf kannst du dich verlassen. Ich mache keinen Handgriff mehr in diesem Zimmer.« Sie ließ die Schürze los. »Wie kommt sie nur auf diesen Blödsinn? Ist das 'ne neue Mode? Beschmiert man jetzt die Wände?«

»Graffiti ist out«, winkte ich ab, »zu Hause jedenfalls. Die beschmieren nur noch S-Bahnen und Fabrikwände, die richtig großen Sachen.«

Sie berührte die rote Farbe und wandte sich angewidert ab. »Das ist Ölfarbe«, sagte sie, »die geht doch nie mehr weg.«

»Ich helfe dir«, sagte ich und lächelte schon wieder. »Irgendein Mittel wird's schon geben. Mach dir keine Sorgen, Mama. Angie hat sich bestimmt nichts dabei gedacht, du kennst sie ja.«

Ich wusste nicht, warum ich meine Schwester plötzlich verteidigte. Wir kamen gut miteinander aus, aber sie war in letzter Zeit selten zu Hause und wir sahen uns kaum noch. Sie hatte ihre Freunde und ich hatte meine. Sie ging auf die Wirtschaftsschule in der Stadt, kam erst am späten Nachmittag zurück und war fast jeden Abend unterwegs. Ich ging auf die Realschule und blieb am liebsten zu Hause. Ich hatte keine Lust, jede freie Minute im Freizeitheim rumzuhängen wie dieses blonde Mädchen aus der Nachbarklasse. Sandra. Die zog sich doch nur Zigaretten rein, machte auf cool und spielte Billard mit den Jungen aus der zehnten Klasse. Wie die schon kicherte, wenn einer dieser Kerle mit seinem Motorrad vor der Schule wartete. »Schau mal, der Markus, der hat 'ne nagelneue Hundertfünfundzwanziger«, sagte sie dann, als ob das einen Unterschied machte. Ich war lieber mit Heike zusammen, die hatte ähnliche Interessen, schaute sich dieselben Filme an und las dieselben Bücher.

»Wo bleibt sie überhaupt?«, fragte meine Mutter, während sie einige DVDs und Zeitschriften vom Boden aufhob und auf den Schreibtisch legte.

»Angie?«

»Wer denn sonst?«

»Keine Ahnung«, antwortete ich, »ihr Handy war abgeschaltet. Eigentlich müsste sie schon hier sein. Sie hat was von einem neuen Freund erzählt. Ich glaube, sie meint den Typ, der sie letzten Samstag zur Disco abgeholt hat, als sie so geschminkt war. Vielleicht hängen sie in der Stadt rum.«

»Angie? Die soll sich lieber um ihre Hausaufgaben kümmern, sonst schafft sie die Prüfung nie. Apropos ... hast du schon deine Hausaufgaben gemacht? Ihr schreibt doch morgen 'ne Matheprobe, oder?«

»Übermorgen.«

»Und? Kannst du alles?«

»So ungefähr«, antwortete ich, »mündlich war ich ganz gut. Ich schau mir heute und morgen noch mal alles an. Mach dir keine Sorgen. Für 'ne Drei reicht es in Mathe immer. Soll ich mal mit Terpentin ran?«

»Wie?«

»An die Ölfarbe. Soll ich sie mit Terpentin abwaschen? Oder willst du 'ne neue Tapete drüberkleben? Ich glaube, es sind noch ein paar Reste von der Blümchentapete übrig. Die sieht fast genauso aus.«

»Mach, was du willst«, sagte sie. »Ich rühre jedenfalls keinen Finger mehr.« Sie nahm die Schmutzwäsche, blickte noch einmal auf die blutrote Schrift und ging kopfschüttelnd aus dem Zimmer. »So eine Schweinerei«, murmelte sie, während sie die Kellertreppe hinaufstieg. »Mit knallroter Ölfarbe. Ich möchte wissen, was Papa dazu sagt.«

Papa schimpfte kaum, als er um sieben aus dem Büro kam und von Mama in Angies Zimmer geführt wurde. Er lachte sogar und summte die Melodie, die zu dem Spruch gehörte. »Stop the world I want to get off. Euch fällt auch nichts Neues mehr ein.«

»So leicht nimmst du die Sache?«, staunte meine Mutter.

Papa berührte die rote Farbe und zerrieb sie zwischen Mittelfinger und Daumen. »Soll ich ihr den Kopf abreißen? Ich hab mal 'ne große Colaflasche an die Schultür geklebt und musste das verdammte Ding mit einem kleinen Messer abkratzen. Soll sie doch sehen, wie sie den Spruch wieder abbekommt. Ist schließlich ihr Zimmer.«

»Eine Schweinerei ist das!«

»Halb so schlimm.«

So war mein Vater. Er nahm alles auf die leichte Schulter und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Das Leben ist viel zu kurz, sagte er oft, warum soll ich mich über jeden Mist aufregen? Wenn Mama wütend war, brachte sie immer ihren Schwager ins Spiel, der sei viel strenger und bei dem tanzten die Kinder nicht auf dem Tisch. Papa lachte nur. »Ich brauche keine angepassten Roboter«, sagte er. »Ich brauche selbstständige Wesen, die auch mal einen Fehler machen dürfen.« Er war stolz darauf, uns nie geschlagen zu haben. Nicht mal den berühmten Klaps hatte er uns versetzt. Er ging schon hoch, wenn er das Wort nur hörte.

»Du musst was unternehmen«, sagte Mama.

»Ich werde mit ihr reden«, erwiderte Papa.

Ich hörte nur mit halbem Ohr hin und beobachtete den roten Spruch. Seltsam, dachte ich. Was hat Angie bewogen, diesen blöden Satz an die Wand zu pinseln? Und warum hatte sie die blutrote Farbe benutzt? Bekam sie keine Angst, wenn sie die großen Buchstaben im Halbdunkel sah? Oder wollte sie Mama eins auswischen? Die beiden verstanden sich im Moment nicht besonders gut und hatten öfter mal Krach.

»Ist Angie da?«, fragte Papa.

»Nein«, antwortete Mama. Sie war wütend, aber auch besorgt. So ging ihr das öfter bei Angie. Vor fünf Jahren, als meine Schwester am Blinddarm operiert wurde, hatte sie die ganze Nacht geweint, und kaum war Angie wieder zu Hause gewesen, hatten sie sich heftig gestritten. »Sie müsste längst hier sein«, sagte sie. »Die Schule ist um halb vier aus. Yvonne meint, sie ist vielleicht noch in der Stadt. Sie hat einen neuen Freund, den Jungen, der sie neulich zur Disco abgeholt hat.«

»Na, der sah doch ganz anständig aus«, meinte Papa, »der hatte fast so lange Haare wie ich vor dreißig Jahren.« Er lachte, wurde aber gleich wieder ernst. »Aber sie hätte wenigstens anrufen können. Wozu hat sie denn ein Handy?« Er ersparte uns die Geschichte von seiner Mutter, die ihm eingeimpft hatte, immer anzurufen, wenn er zu spät kam oder irgendetwas nicht in Ordnung war. Papa konnte ziemlich kleinkariert sein, wenn es um Pünktlichkeit ging, auch wenn er selber meistens zu spät kam und obwohl das gar nicht zu ihm passte.

»Du musst mit ihr reden«, sagte Mama noch einmal, als wir die Treppe hinaufgingen. »So geht das nicht weiter. Ich weiß nicht mal, welche Noten sie schreibt. Wenn sie von der Schule fliegt, können wir sie abschreiben. Mit der Hauptschule kommt sie nicht weit.«

»Sie könnte eine Lehre machen, meinte Papa, als wir uns zum Essen an den Küchentisch setzten. Mama stellte die Rouladen und eine Schüssel mit Kartoffeln auf den Tisch und füllte unsere Teller. »Handwerklich war sie doch immer recht geschickt. Erinnerst du dich noch an das Schränkchen, das sie in der Schule gebastelt hat? Das hätte sogar einem Schreiner gefallen, darauf möchte ich wetten.«

»Die nehmen auch nicht jeden«, erwiderte Mama. Sie zog eine Flasche Mineralwasser aus dem Kasten neben dem Kühlschrank, holte drei Gläser aus dem Schrank und setzte sich zu uns. »Heute musst du mindestens Realschulabschluss haben, um eine Lehrstelle zu kriegen. Der Schreiner, der unsere Regale gezimmert hat, hatte sogar einen Lehrling mit Abitur.«

Papa winkte ab. »Das sind Ausnahmen. Bei uns im Werk gibt es auch Lehrlinge mit Abitur. Aber Hauptschüler nehmen wir genauso.«

»Wenn sie gute Noten haben.«

»Und den Test bestehen, fügte er hinzu. »Heute geht überhaupt nichts mehr ohne Tests. Du weißt schon, eine ellenlange Liste mit allgemeinen Fragen und dieser psychologische Kram mit den Tintenklecksen.«

Mama lachte trocken. »Da wäre sie gut aufgehoben. Möchte wissen, was der große Tintenklecks in ihrem Zimmer bedeutet. Halt die Welt an, ich will aussteigen. Was soll der Blödsinn?«

»Kindereien«, meinte Papa. »Wenn sie vier Jahre jünger wäre, würde ich sagen, sie kommt in die Pubertät, aber so ...« Er spießte eine halbe Kartoffel auf und überlegte eine Weile. »Vielleicht 'ne neue Mode, so wie Piercings oder schwarz lackierte Fingernägel, oder sie will uns eins auswischen, weil wir uns nicht genug um sie kümmern.«

»Weil du dich nicht genug kümmerst, wolltest du wohl sagen, konterte Mama. »Du bist doch kaum zu Hause. Entweder bist du auf einer dieser blöden Tagungen oder du bist auf Geschäftsreise ...«

»Einer muss ja das Geld verdienen«, sagte Papa. Er war kaum aus der Ruhe zu bringen. »Oder soll ich in der Fabrik anfangen und ein paar hundert Euro nach Hause bringen? Wer soll dann das Haus abbezahlen?«

»Schon gut«, lenkte Mama ein, »aber du solltest ein bisschen strenger sein. So was darf man nicht durchgehen lassen.«

»Angie ist siebzehn.«

»Sie ist ein ungezogenes Kind«, schimpfte Mama, »und mir ist ganz egal, ob das 'ne neue Mode ist. Sie wäscht diese Sauerei wieder ab und wenn sie die ganze Nacht an der verdammten Farbe rumkratzt.«

»Beruhige dich, Monika.«

»Ist doch wahr«, sagte Mama. Sie stand auf, stellte ihren Teller in die Spülmaschine und ging aus der Küche. Ein paar Minuten später fing der Staubsauger zu brummen an.

Ich lag im Bett und versuchte zu lesen. Heike hatte mir den neuen Krimi von Sue Grafton geliehen und ich ging mit Kinsey Millhone auf Verbrecherjagd. Kinsey war Privatdetektivin und ganz anders als ich. Eine selbstbewusste Frau, unverheiratet und mit beiden Beinen fest auf der Erde stehend. Ihr machte so schnell niemand was vor. Kinsey heulte nie, wenn eine Schnulze im Fernsehen kam, und wenn ihr jemand zu nahe trat, legte sie ihn mit einem gekonnten Judogriff auf die Bretter. Ich bewunderte Kinsey, weil sie für jedes Problem eine Lösung hatte.

Meine Tür war angelehnt und ich hörte, wie sich meine Eltern im Wohnzimmer unterhielten. Mama war immer noch wütend, weil Angie den Spruch an die Wand gepinselt hatte. Kurz nach elf stand sie auf und blickte aus dem Fenster. »Möchte wissen, wo sie sich rumtreibt«, sagte sie besorgt.

»Ich werde mit ihr reden«, versprach Papa, »obwohl sie eigentlich groß genug ist, um zu wissen, was sie tut.« Ich hörte, wie er aufstand, und stellte mir vor, wie er Mama von hinten in die Arme nahm. »Du wirst sehen, es ist halb so schlimm«, sagte er. »Sie ist doch sowieso kaum hier. Wir sollten froh sein, dass sie einen Freund gefunden hat und mit ihm ausgeht.«

Eine Zeit lang war es verdächtig ruhig und ich kam mir schon schäbig vor, weil ich ihre Zärtlichkeiten belauschte, aber dann setzten sie sich und ich hörte Gläser klirren. Sie sprachen über belanglose Dinge, dann fragte Mama, wie es in der Firma ging. Papa arbeitete als Manager in einer großen Autofirma. »Morgen haben wir ein Meeting mit dem Vorstand«, sagte Papa. »Ich glaube, wir haben nicht genug verkauft.«

»Sollen Leute entlassen werden?«

»Wird nicht anders gehen«, antwortete Papa. »Der Betriebsrat ist schon auf hundertachtzig, obwohl bisher nur Gerüchte umherschwirren. In Regensburg wollen sie ein ganzes Werk schließen. Dann säßen über zweitausend Leute auf der Straße.«

»Das ist ja furchtbar.«

»Das ist alles noch nicht amtlich«, schwächte Papa ab. »Aber wir müssen abspecken, daran führt kein Weg vorbei. Das neue Cabrio hat nicht eingeschlagen und gegen die Japaner kommen wir auch nicht an.«

»Du solltest zur Konkurrenz gehen.«

»So gut geht's dort auch nicht. Der neue Kombi von denen hat's auch nicht gebracht. Die Leute kaufen wieder mehr Gebrauchtwagen.«

»Ich denke, wir haben einen neuen Aufschwung?«

»Der ist längst vorbei«, sagte Papa. »Den hat ein Teil der Presse vor der Wahl herbeigeredet. In Wirklichkeit ging es der Industrie nie besonders gut. Vom Export allein können wir nicht leben und auch der wird uns bald durch die Lappen gehen, wenn die Lohnkosten weiter steigen.«

»Ist dein Job sicher?«

»Bis jetzt schon«, sagte er. »Aber es könnte sein, dass ein paar von den Managern nach Alabama gehen müssen, in das neue Werk nach Montgomery. Die brauchen Leute für die Planung und die Ausbildung.«

»Montgomery? Alabama?«, erschrak Mama. »Du willst nach Amerika? Und was passiert mit unserem Haus? Was ist mit unseren Freunden? Willst du alles im Stich lassen?« Sie klang sehr beunruhigt.

»Immer mit der Ruhe«, sagte Papa, »noch hat niemand was gesagt, und wenn es so weit ist, schicken sie sowieso die unverheirateten Manager. Meinst du, wir müssen von einem Tag auf den anderen nach Alabama?«

»Würde mich nicht wundern«, erwiderte Mama. »Ich kenne doch deine verdammte Firma. Weißt du noch, was sie mit den Leuten aus der Entwicklung gemacht haben? In die Wüste geschickt haben sie die, von heute auf morgen, also erzähl mir nichts. Denen traue ich alles zu.«

»Warte erst mal ab, was der Vorstand sagt«, beruhigte Papa meine Mutter. »Der Betriebsrat und die Gewerkschaft haben auch noch ein Wörtchen mitzureden, so einfach geht das alles nicht.«

»Hoffen wir's«, sagte Mama.

Nachts wurde ich durch das Schlagen der Haustür geweckt. Ich schreckte hoch und sah auf die Leuchtziffern meines Weckers. Zwei Uhr dreißig und dreißig Sekunden. Die Flurtür wurde knarrend geöffnet.

»Angie?«, rief ich mit gedämpfter Stimme.

Ein unverständliches Brummen.

»Angie? Bist du das?«

Wieder dieses Brummen und ein scharrendes Geräusch, als sie mit ihrer Lederjacke die Wand berührte. Polternde Schritte die Treppe hinunter und das Schlagen ihrer Tür. Ich hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde.

Ich stand auf, schlüpfte in meine Hausschuhe und ging in den Flur. Angie hatte kühlen Wind mitgebracht und ich fröstelte. Ich trug nur ein langes T-Shirt, das mit der großen Mickymaus. Auf Zehenspitzen stieg ich die Kellertreppe zu ihrem Zimmer hinunter.

»Angie?«, rief ich wieder.

Keine Antwort.

»Angie? Ich bin's, Yvonne. Mach auf.«

Lärmende Musik, die bis in den Flur hinausdrang und mir einen solchen Schrecken einjagte, dass ich zusammenzuckte. Schräge Gitarren, hämmernder Bass und ein treibendes Schlagzeug. Irgendwas Altes ... Heavy Metal. Angie stand gar nicht auf so einen Quatsch, hörte lieber Robbie Williams und Yvonne Catterfeld und so was, aber das hier, das tat richtig weh in den Ohren.

Ich hämmerte gegen die verschlossene Tür. »Angie! Verdammt, Angie, mach auf! Und stell die Musik leiser. He, Angie, aufmachen!«

Sie hörte mich nicht, natürlich nicht. Obwohl ich den Eindruck hatte, dass sie die Musik etwas leiser stellte. Ich hörte ein Klirren, als sie gegen ein Glas oder irgendetwas anderes stieß, dann knarrten die Bettfedern und ich stellte mir vor, wie sie in ihren Kleidern auf das Bett fiel und stöhnend die Augen schloss. Hatte sie zu viel getrunken? Oder hatte ihr neuer Freund sie so beglückt, dass sie nicht mehr geradeaus laufen konnte? Ich musste beinahe lachen, rief noch einmal nach ihr und ging.

Auf der Treppe begegnete ich meiner Mutter. Sie hatte die laute Musik gehört und war sehr wütend.

»Was fällt dir ein, Angie?«, rief sie nach unten. »Mach sofort die Musik leiser! Andere Leute wollen schlafen.«

Die Musik wurde leiser und ich hörte, wie etwas zu Boden polterte. Sie musste ganz schön getankt haben. Wir klopften an die Tür und riefen ihren Namen, schlugen mit der Faust dagegen, bekamen aber keine Antwort. Dann hörten wir, wie sie laut zu schnarchen begann.

»Ich glaub, sie hat zu viel getrunken«, sagte ich leise, sonst hätte sie bestimmt aufgemacht. Komm, wir gehen ins Bett.«

»Hat sie jemand nach Hause gebracht?«

»Keine Ahnung.«

»Hast du kein Auto gehört?«

»Ich bin erst aufgewacht, als sie zur Tür reinkam«, erwiderte ich. »Ich hab gleich nach ihr gerufen, aber sie hat mich nicht gehört.« Ich schob meine Mutter sanft zur Treppe zurück und führte sie nach oben. »Reg dich nicht auf, Mama«, sagte ich. »Sie hat etwas zu viel getrunken, das ist alles. Sie haben bestimmt gefeiert, einen Geburtstag oder so was.«

»Na gut«, ließ sie sich beruhigen. »Ich rede morgen mit ihr, jetzt hat es sowieso keinen Zweck. Gute Nacht, Yvonne, schlaf schön.«

»Gute Nacht, Mama.« Ich legte mich in mein Bett und starrte auf die roten Leuchtziffern meines Weckers, bis ich einschlief.

Kapitel 2

Angie war zwei Jahre älter und einen Kopf größer als ich. Sie trug ihre Hüftjeans, die schwarze Lederjacke und die abgetretenen Stiefel. Sie stand im Bad und schminkte sich, und ich war mir beinahe sicher, dass sie die muffigen Klamotten die Nacht über anbehalten hatte. Auf dem Waschbecken lag eine brennende Zigarette. Das ganze Bad stank nach Rauch, sie musste also schon ein paar geraucht haben.

»He«, meinte ich verschlafen, »willst du mich vergiften?«

»Hi«, begrüßte sie mich heiser. »So 'n bisschen Rauch hat noch keinen umgebracht.« Sie zog noch einmal an der Zigarette, hielt sie unter das fließende Wasser und warf sie in den Papierkorb. »Warte, bis du selber rauchst, dann merkst du den Qualm gar nicht mehr.«

Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und schüttelte mich wie ein nasser Hund. »Ich rauche bestimmt nie«, sagte ich angewidert. »Das Zeug riecht ja zum Kotzen.« Ich putzte mir die Zähne. Nachdem ich gegurgelt hatte, sagte ich: »Ich hab den Spruch in deinem Zimmer gesehen.«

Ihre Augen leuchteten. »Geil, was?«

»Ich find ihn blöd.«

»Du hast ja keine Ahnung. Oder willst du hier versauern? Wir wollen raus aus der Scheiße, kapierst du das? Wir wollen endlich was erleben und den ganzen Rotz hinter uns lassen.«

»Was für 'n Rotz?«

»Den Alltag und so.«

»Ohne Alltag geht nichts«, erwiderte ich nüchtern. »Irgendwoher muss die Kohle ja kommen. Es sei denn, du heiratest einen von diesen reichen Arabern. Diesen Scheichs, die dauernd mit den Dollars um sich werfen.«

»Das wär echt geil, hm?«

»Ich weiß nicht.« Ich zog mein T-Shirt über den Kopf und seifte meinen Oberkörper ein. Die neue Seife, die ich gestern im Supermarkt gekauft hatte, roch gut und vertrieb den Rauch aus meiner Nase. »Mama war ziemlich sauer wegen des Spruchs«, sagte ich.

»Die beruhigt sich schon wieder.«

»Warum machst du so 'n Scheiß?«, fragte ich. »Warum hast du Ölfarbe genommen? Mama will, dass du den ganzen Mist wieder abwäschst. Papa war auch nicht begeistert.« Ich legte die Seife hin und sah sie an. »Ich frage mal im Farbengeschäft, ob es irgendein Gegenmittel gibt, okay?«

»Meinetwegen«, nuschelte sie. Sie hatte gar nicht richtig hingehört und sich um ihre Augenbrauen gekümmert, die viel zu dunkel geschminkt waren. Auch die Haare waren viel zu schwarz. »Du verstehst das nicht«, sagte sie.

»Ich bin fünfzehn«, sagte ich.

»Eben.«

Ich tauchte den Waschlappen ins heiße Wasser und wusch die Seife von der Haut. Mein Körper war gut entwickelt und ich war sehr zufrieden mit meinem Spiegelbild. Ich war schlank und hatte eine gute Figur und mein Busen war so fest, dass mir schon der junge Hausmeister in der Schule bewundernd nachsah. Das bildete ich mir jedenfalls ein. Meine kurzen Haare saßen locker und meine braunen Augen sahen auch ohne Schminke gut aus. Nur die kleinen Pickel auf der Stirn störten mich.

»Habt ihr was getrunken gestern?«, fragte ich.

»Ein bisschen, wieso?«

»Du warst ziemlich laut. Du hast dich eingeschlossen und die Musik voll aufgedreht. Hardrock oder Heavy Metal oder so was.«

»Weiß ich nicht mehr.«

»Mama ist aufgewacht.«

»So schlimm kann's nicht gewesen sein«, sagte Angie. »Ich hab nur 'n paar Red Bull mit Wodka getrunken. Und den Sekt, den Sandra ausgegeben hat.«

»Sandra? Die blonde Kuh aus meiner Parallelklasse?«

Angie packte ihre Schminksachen ein. »So schlimm ist die gar nicht. Sie hatte gestern Geburtstag und hat 'ne Runde Sekt geschmissen.« Sie lachte und überprüfte ihr Spiegelbild. Ich fand, sie sah mit den schwarzen Wimpern und den knallroten Lippen viel zu ordinär aus, aber sie war zufrieden. »Sandra knutscht ein bisschen viel herum, aber sonst ist sie okay.«

»Ich kann sie nicht ausstehen.«

Angie war schon an der Tür und drehte sich noch mal um. »Hast du vielleicht zehn Euro?«, fragte sie mich. Kriegst sie in einer Woche wieder.«

»Schau mal in meinen Geldbeutel«, antwortete ich. »Steckt in der rechten Jeanstasche. Da muss noch ein Zehner drin sein. Den kannst du haben, aber ich bekomme ihn wieder, versprochen?«

»Versprochen«, antwortete Angie und ging.

Angie war schon aus dem Haus, als ich nach unten kam. Sie hatte einen Schluck von ihrem Kaffee getrunken und war rausgestürmt, ohne mit Mama zu reden. Ich half meiner Mutter beim Streichen der Pausenbrote.

»Sie hat mir versprochen, die Farbe wegzuwaschen«, log ich.

»Hat sie sonst noch was gesagt?«

»Sie haben gefeiert gestern«, erwiderte ich, »wie ich's gesagt habe. Ein Mädchen aus der Clique hat 'ne Runde Sekt ausgegeben. Sie hatte Geburtstag. Muss ziemlich feucht gewesen sein, die Party.«

»Angie benimmt sich unmöglich.«

Ich trank meinen Tee, schlang eine Scheibe Toast hinunter und packte mein Pausenbrot in den Rucksack. »Ich muss gehen, Mama«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen, okay?«

»Das sagst du so einfach.«

Ich schwang mich auf mein Rad, ein altes Sportrad, das wir gebraucht gekauft hatten, und fuhr zur Schule. Wir hatten die ersten beiden Stunden Deutsch und lasen einen Text über Neonazis. Danach diskutierten wir darüber, ob es im Osten mehr Neonazis als im Westen gab. Heike und ich bekamen gute Noten. Meine Freundin kam aus Erfurt und wir hatten oft darüber gesprochen.

In der Pause lehnten wir am Zaun und sahen einigen Sechstklässlern beim Ringkampf zu. Ein wendiger Junge, der einen Kopf kleiner als die anderen war, setzte sich gegen drei Widersacher durch. Er wurde erst durch unseren Vertrauenslehrer gestoppt. Er hatte die Pausenaufsicht und duldete keine Schlägereien. Vor ein paar Monaten war er von einigen Eltern beschuldigt worden, nicht hart genug durchzugreifen, seitdem griff er sogar bei den Kleinen ein, obwohl die es lange nicht so ernst meinten wie einige Jungen aus der zehnten Klasse.

Gestern hab ich deine Schwester gesehen«, sagte Heike. Sie hatte blonde Strubbelhaare und war immer fröhlich. Ihre Eltern besaßen einen Gemüseladen im nächsten Vorort, ungefähr fünf Kilometer entfernt.

»Wo?«, fragte ich erstaunt.

»Vor dem neuen Italiener, gegenüber von unserem Gemüseladen. Sie knutschte mit einem Typ rum. Sie standen unter einer Laterne, sonst hätte ich sie gar nicht erkannt. Die ging ganz schön ran. Kicherte dauernd und zog diesem Langhaarigen beinahe die Hose aus.«

»Das ist ihr neuer Freund.«

»Komischer Typ.«

»Wieso?«

»Ich weiß nicht, er benahm sich so blöd, so kindisch ... aber die anderen waren noch schlimmer, vor allem Sandra. Die knutschte mit allen rum und dann hat sie 'ne leere Sektflasche auf die Straße geworfen.«

»Betrunken, hm?«

»Das kann man wohl sagen.«

»Sandra hatte Geburtstag«, entschuldigte ich meine Schwester. Wieder einmal. »Sie hat einen ausgegeben und die ganze Clique unter den Tisch getrunken. Ich kann dieses Miststück auch nicht leiden.«

»Die säuft den ganzen Tag«, meinte Heike, »und wer weiß, was sie sonst noch alles treibt. Würde mich nicht wundern, wenn sie bald von der Schule fliegt. Was die aus der Parallelklasse erzählen ...«

»Mir egal«, sagte ich lahm. Ich biss in mein Brot und beobachtete einen Jungen, der allein am Fahrradschuppen lehnte und immer wieder zu uns herübersah. Er sah nicht schlecht aus. Schwarze Jeans, schwarze Stiefel und ein Hemd unter der offenen Jacke. Sein Haar war blond und höchstens einen Zentimeter lang. »Kennst du den?«, fragte ich Heike.

»Wen?«

»Den Jungen am Fahrradschuppen.«

»Timo«, antwortete sie, »ein ziemlich ruhiger Typ aus der Neunten. Hast du ein Auge auf ihn geworfen, oder was?«

»Quatsch. Aber er schaut dauernd rüber.«

»Zu dir oder zu mir?«

»Keine Ahnung.«

Heike grinste. »Na ja, eigentlich sieht er nicht übel aus. Ein bisschen dünn vielleicht und verdammt groß, aber ich könnte ja 'ne Leiter benutzen. Oder er könnte mich hochheben.«

»Ich wäre groß genug.«

»Aber er mag keine dunkelhaarigen Mädchen«, konterte Heike fröhlich. »Der will was Knackiges wie mich, was zum Anfassen.«

»Du spinnst ja.«

»Wirst schon sehen.«

»Jetzt schaut er wieder her.«

Bevor wir uns weiter darüber auslassen konnten, läutete es und wir gingen ins Klassenzimmer zurück. Der Junge verschwand in der Menge und wir dachten nicht mehr an ihn.

Die Ewersberger wartete schon auf uns. Sie hatte ihren strengen Blick aufgesetzt und scheuchte uns wie eine Schafherde in die Klasse. Sie war beinahe sechzig, knapp einen Meter sechzig groß und bei der letzten Pensionierung vergessen worden. Das glaubten sogar manche Eltern, die ihr autoritäres Verhalten und veraltete Erziehungsmethoden vorwarfen. »So eine kann sich nur in Bayern halten«, hatte mein Vater mal gesagt. Zum Glück war er beim Elternabend nicht dabei gewesen.

Die Ewersberger trug ihre flache Aktentasche unter dem Arm und strich ihre mausgrauen Haare glatt, als sie vor uns stand. »Guten Morgen«, begrüßte sie uns.

Wir grüßten ebenfalls und setzten uns. Die Ewersberger gab Biologie und gehörte einem Alpenverein an, der jedes Wochenende in den Bergen herumkletterte und seltene Pflanzen und Tiere bestaunte. Ich fragte mich, wie sie das mit ihren sechzig Jahren schaffte, aber sie war eine rüstige Frau, die täglich ihre Morgengymnastik machte und nur im Reformhaus einkaufte. Sie wollte uns weismachen, dass man ewig lebte, wenn man jeden Morgen einen Drink aus Mohrrüben und Äpfeln in sich reinschüttete. Ich hatte das Zeug einmal versucht und beschlossen jung zu sterben.

»Was haben wir in der letzten Stunde besprochen?«, fragte sie streng. Ich hätte gern gewusst, wann sie zum letzten Mal gelacht hatte. »Heike?«

»Sie haben von Ihrem Ausflug auf die Rotwand erzählt«, antwortete meine Freundin, »und von den Pflanzen des Voralpenlands.«

»Nenne ein paar.«

»Die Fichte.«

»Und?«

»Die Alpenrose.«

»Ist das alles? Yvonne?«

»Die Glockenblume, die Anemone, das Veilchen ...«

Die Ewersberger zog die Leinwand herunter und die Vorhänge des ersten Fensters zu. »Wir unterscheiden zwischen der Nadelwaldzone und der alpinen Matten-und Rasenzone«, erklärte sie und bat einen Jungen aus der ersten Reihe, an den Beamer zu gehen. »Ich zeige euch jetzt Bilder von einem unserer letzten Ausflüge. Ich bitte euch, alle Pflanzen zu nennen, die ihr auf den Bildern seht.«

Sie ließ den Jungen das erste Bild zeigen und erzählte von dem seltenen Alpenleimkraut, das nur über 2500 Metern vorkam. Ich hörte gar nicht mehr hin, sah lieber aus dem Fenster und beobachtete einen Lastzug, der sich langsam an den geparkten Autos in der schmalen Straße vorbeizwängte. Dahinter drehte ein Motorradfahrer ungeduldig am Gas. Unter seinem Helm schauten lange blonde Haare hervor. Auch der Beifahrer trug einen schwarzen Helm. Und eine lila Jacke, wie Angie eine hatte ...

»Verdammt!«, fluchte ich leise.

»Was ist denn?«, zischte Heike neben mir.

»Ich glaube, das ist Angie. Auf dem Motorrad.«

»Ich denke, die ist in der Schule.«

»Das sollte sie auch.«

»Ach was, du irrst dich bestimmt«, sagte Heike. »Wie willst du sie erkennen? Der Helm verdeckt doch alles ...«

»Heike! Yvonne! Was gibt es denn da zu sehen?« Die Ewersberger hatte uns erwischt und baute sich wie eine Rachegöttin vor uns auf. »Die Damen haben wohl noch nie einen Lastwagen gesehen.« Sie schlug mit ihrem Zeigestock auf den Tisch. »Sie schreiben mir bis morgen einen Aufsatz über ›Die Blumen des Voralpenlandes‹. Verstanden?«

»Ja, Frau Ewersberger.«

Die Lehrerin nickte zufrieden und wir betrachteten eines der unscharfen Bilder auf der Leinwand. So schnell würde ich nicht mehr in die Alpen fahren, das war mal sicher.

Wir hatten um eins aus. Die letzten Stunden waren harmlos gewesen und wir waren schon wieder gut gelaunt, als wir zum Fahrradschuppen schlenderten. Das Mädchen auf dem Motorrad hatte ich längst vergessen. Heike hatte recht, auf so einer Maschine sahen alle gleich aus. Ich wusste ja nicht mal, ob es ein Mädchen gewesen war, das hatte man aus dieser Entfernung gar nicht erkennen können.

Ich öffnete das Schloss und zog mein Fahrrad aus dem Ständer. Der vordere Reifen war platt.

»So ein Mist!«, rief ich laut. »Mir hat jemand die Luft rausgelassen. Bestimmt einer von diesen Sechstklässlern. Und die Bremse klemmt auch. Ich hab nicht mal Werkzeug dabei.«

»Kann ich dir helfen?« Der blonde Junge, der uns in der großen Pause beobachtet hatte, stand plötzlich vor mir und lächelte freundlich. »Ich hab alles dabei. Dauert keine zehn Minuten.«

»Wenn du meinst ...«

Heike kicherte leise, als sie an mir vorbeiging, und reckte hinter seinem Rücken den Daumen nach oben. Das sollte wohl bedeuten: Du hast das große Los gezogen. Zugegeben, der Junge sah nicht schlecht aus. Er war schlank, aber er hatte Muskeln und seine Augen waren herrlich blau. Seine Stimme klang angenehm und ich erfuhr, dass er Timo Schneeberger hieß. Er ging in die neunte Klasse und war sechzehn.

»Du gehst in die Achte, hm?«, fragte er, während er die Bremse mit einem Schraubenschlüssel löste und neu einstellte.

»Die 8a«, erwiderte ich leise. Ich hatte die Flugzeuge im Bauch, die in dem Song vorkamen, den mein Vater so mochte, und kam mir ziemlich blöd vor, weil fast alle Mädchen aus unserer Klasse an mir vorbeimussten und kicherten.

»Sind die aus deiner Klasse?«, fragte Timo.

»Blöde Gänse«, antwortete ich.

»Mach dir nichts draus«, sagte er, »da drüben stehen die Jungen aus meiner Klasse. Die lachen genauso blöd. Die ziehen mich bestimmt auf, weil ich einem Mädchen helfe. Da möchte ich wetten.«

»Ich find's nett, dass du mir hilfst«, sagte ich.

»Wirklich?«

»Ganz bestimmt.«

Timo untersuchte den Vorderreifen. »Die haben das Ventil geklaut«, sagte er, »warte mal, ich glaube, ich hab noch eins.« Er kramte eins aus seiner Werkzeugtasche und setzte es ein. Dann pumpte er den Reifen auf und erhob sich lächelnd. »Fertig«, meinte er fröhlich.

»Vielen Dank«, sagte ich leise. Ich blickte ihm in die Augen und reichte ihm zögernd die Hand. Er griff danach und drückte sie fest. »Das war lieb von dir. Die Jungs aus meiner Klasse sind nicht so freundlich.«

Er wurde rot und blickte zu Boden. »Ich wollte dich noch was fragen. Nun ja ... ich meine ...« Er zögerte. »Gehst du mit mir ins Kino?«

»Ich weiß nicht.«

»Heute läuft der neue Film mit Brad Pitt an ...«

»Ich weiß nicht«, wiederholte ich leise. Dabei hatte ich mich längst entschlossen mitzugehen. »Heute hab ich keine Zeit. Wir schreiben morgen 'ne Mathearbeit und ich muss noch lernen.«

»Und morgen?«

»Vielleicht«, antwortete ich, »am besten rufst du mich an. Yvonne Dreger. Wir stehen im Telefonbuch. Oder auf dem Handy.« Ich gab ihm die Nummer.

»Okay.«

Ich verabschiedete mich von ihm. »Und noch mal vielen Dank. Bis bald.« Ich schwang mich auf mein Fahrrad und fuhr davon.

Kapitel 3

Der Brief lag auf dem Küchentisch.

... müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tochter Angela dem Unterricht mehrfach unentschuldigt ferngeblieben ist. Wir bitten Sie ...

Das hieß im Klartext, dass Angie seit einer Woche die Schule schwänzte. Der Direktor sprach einen strengen Verweis aus und bat um eine Aussprache.

»Was soll denn das?«, rief ich verwundert. Ich ließ den Rucksack fallen und setzte mich. »Ich hab doch gesehen, dass Angie jeden Morgen in die Schule gegangen ist.« Ich kramte mein Handy heraus und wählte Angies Nummer.

»Vergiss es«, sagte Mama, »ihr Handy hat sie abgeschaltet.« Sie stand am Herd und rührte lustlos in einem Topf mit Ravioli, fluchte unterdrückt, als Tomatensoße auf ihre Bluse spritzte. »So was Blödes!« Sie wusch den Fleck mit heißem Wasser aus und nahm den Topf vom Herd. »Ich hab in der Schule angerufen«, sagte sie kühl. »Sie war seit fünf Tagen nicht mehr dort.«

»Das gibt's doch nicht!« Ich konnte es kaum glauben. »Dann hat sie nur so getan, als würde sie in die Schule gehen? Sie ist kurz nach sieben aus dem Haus und ganz woanders hingegangen?« Ich griff nach dem Brief und las ihn noch mal. Der Inhalt hatte sich nicht geändert. »Aber ich hab sie doch heute Morgen im Bad getroffen. Wo ist sie bloß hin?«

»Ich weiß es nicht, Yvonne.«

Ich trug den Rucksack in mein Zimmer und zog meine Jacke aus. Im Bad wusch ich mir die Hände. Noch immer roch es leicht nach Zigaretten, obwohl das Fenster weit offen stand. Ich schmierte etwas Salbe auf meine Pickelchen auf der Stirn und ging hinunter in die Küche. Mama hatte mir das Essen schon hingestellt und saß vor einem Becher mit dampfendem Kaffee.

»Ich dachte, du trinkst nur morgens Kaffee«, sagte ich.

Sie hörte gar nicht hin. »Ich möchte wissen, was sie sich dabei denkt. Einfach die Schule zu schwänzen! Sie wollte doch in die Wirtschaftsschule und was Ordentliches lernen. Weißt du noch? Ich hab sie immer wieder gefragt, als sie endlich den Abschluss hatte. Drei Jahre, hab ich gesagt, das ist eine anstrengende Zeit, das kannst du nicht so mit links machen wie die Hauptschule. Ich hab ihr klargemacht, dass die Schule viel Geld kostet. Sie hätte ja auch ins Büro oder zu Aldi an die Kasse gehen können.«

»Wer weiß, was dahintersteckt?«, sagte ich.

»Was soll denn groß dahinterstecken? Sie hat die Schule geschwänzt, basta. Sie hat uns belogen. Ist jeden Morgen aus dem Haus, als würde sie in die Schule gehen, und hat sich sonst wo rumgetrieben.«

»Da fällt mir ein ...«

»Was?«

»Ich hab während der Biologiestunde aus dem Fenster geschaut, na ja, ich dachte, ich hätte Angie gesehen, auf einem Motorrad.«

»Auf einem Motorrad?«

»Auf einer dieser großen Maschinen. Ich hätte schwören können, dass sie hinter dem Fahrer saß. Die gleiche lila Jacke, wie Angie eine hat. Und der Fahrer hatte lange blonde Haare, das habe ich gesehen. Die schauten unter dem Helm hervor. Kam mir irgendwie bekannt vor.«

»Ihr neuer Freund.«

»Oder ein Mädchen.«

»Aber ihr Freund hat doch gar kein Motorrad«, sagte Mama nach einer längeren Pause. »Ich hab jedenfalls keins gesehen.«

»Ich sag ja, ich bin mir nicht sicher.«

Mama wischte über ihren Rock. »Na, wir werden es erfahren. Irgendwann wird sie ja wohl nach Hause kommen und dann werde ich sie fragen. Wenn sie nicht mehr in die Schule gehen will, braucht sie es nur zu sagen. Ich melde sie lieber heute als morgen ab.«

»Sie hat nur noch ein knappes Jahr, Mama!«

»Umso schlimmer.« Sie stand auf und stellte den leeren Kaffeebecher in die Spüle. Mit sorgenvollem Gesicht lehnte sie sich gegen einen der beiden Geschirrschränke. »Es ist zum Jammern, erst diese verrückte Geschichte mit dem Spruch in ihrem Zimmer und jetzt das!«

»Vergiss den Spruch«, beruhigte ich sie, »den kriegen wir weg.«

»Ich weiß nicht«, meinte sie seufzend. »Was soll bloß aus ihr werden? Wir haben uns so viel Mühe gegeben.« Sie sah jetzt aus wie eine Mama aus der »Lindenstraße« und gab sogar dieselben Klischees von sich. Aber das merkte sie selber. »Ich weiß, das sind Klischees«, sagte sie beinahe trotzig. »Aber das Leben besteht nun mal zu einem großen Teil aus Klischees. Fällt dir vielleicht was Besseres ein?«

»Ich hab doch gar nichts gesagt.«

»Schon gut«, meinte sie, »war nicht so gemeint. Ich bin nervös, das wirst du wohl verstehen.« Sie räumte das schmutzige Geschirr in die Maschine. »Schreibt ihr nicht morgen eine Mathearbeit?«

»Leider«, erwiderte ich.

»Dann würde ich an deiner Stelle mal langsam anfangen zu lernen. Wenn du eine Drei im Zeugnis haben willst, musst du ein paar gute Noten vorlegen.«

»Ich weiß, Mama. Bin schon unterwegs.«

Angie kam um vier. Ich hatte gerade mein Mathebuch zugeschlagen, als die Tür ging und sie in den Flur trat. Ich hörte sie in der Küche hantieren und war mir fast sicher, dass sie an den Kühlschrank ging und einen Schluck Milch direkt aus der Tüte trank. Das tat sie immer, obwohl Mama bei jeder Gelegenheit daran erinnerte, ein Glas zu benutzen. Auch ich trank die Milch lieber aus der Tüte. Das ging schneller und schmeckte besser.

Ich wartete auf das Donnerwetter und wurde nicht enttäuscht. Es fiel jedoch wesentlich leiser aus, als ich befürchtet hatte. Mama war den ganzen Nachmittag im Schlafzimmer gewesen und hatte in einem dieser schlauen Ratgeber gelesen. Sie war ruhiger als beim Mittagessen.

»Wo kommst du denn her?«, fragte sie vorwurfsvoll.

»Aus der Schule. Woher sonst?«

»Die Schule dauert bis halb fünf.«

»Wir hatten Sport in den letzten beiden Stunden«, sagte Angie erstaunlich ruhig, »den konnte ich nicht mitmachen.«

»Warum nicht?«

»Weil ich meine Tage habe. Verdammt, was soll die blöde Fragerei? Bin ich auf m Gericht, oder was?« Ihre Stimme klang heiser. »Ist ja ätzend ...« Ich hörte, wie sie den Kühlschrank öffnete.

»Nimm ein Glas.«

»Scheiß drauf.«

»Nimm ein Glas, hab ich gesagt!«

»Schon gut, schon gut.« Angie sprach jetzt in dem spöttischen Tonfall, den ich gar nicht an ihr mochte. Die Schranktür wurde geöffnet und ich nahm an, dass sie den großen Krug mit Milch füllte.

»Wo warst du die letzten fünf Tage?«

»Wie bitte?

»Bist du taub? Wo du die letzten fünf Tage warst?«

»In der Schule, wo sonst?»

»Du lügst!«

»Dann lüge ich halt.«

Ich hatte Angst, dass sich die beiden richtig in die Haare kriegten, und trat in den Flur. Durch die offene Küchentür sah ich, wie Mama den Brief vom Tisch nahm und ihn meiner Schwester unter die Nase hielt.

»Hier! Das ist heute von der Schule gekommen. Du hast die letzten fünf Tage gefehlt! Einfach so! Willst du mir mal verraten, was das soll? Warum warst du nicht in der Schule?«

»Weil ich krank war.«

»Du spinnst ja.«

»Ich werde ja wohl wissen, wann ich krank bin«, erwiderte Angie. Im Gegensatz zu Mama blieb sie die Ruhe selbst. Ihre Arroganz und ihr cooles Benehmen hätten sogar Papa zur Weißglut getrieben und den konnte nichts so schnell erschüttern. »Ich hab meine Tage gekriegt, da geht es mir immer dreckig. Das solltest du langsam wissen.«

»Und uns spielst du die fleißige Schülerin vor.« Mama war richtig in Fahrt gekommen. »Geht morgens aus dem Haus, als wäre alles in Ordnung, dabei treibt sie sich mit irgendwelchen Pennern rum.«

»Ich kenne keine Penner, ja?« Immer noch dieser schnippische Tonfall wie bei einer eingebildeten Schickimicki-Zicke im Fernsehen.

»Ich hab dich nicht belogen.«

»Und wie nennst du das?«

»Ich war nicht in der Schule, na und?« Sie trank von der Milch und hatte plötzlich einen Ausdruck in den Augen, den ich noch nie bei ihr gesehen hatte. Eine Mischung aus Arroganz, Gleichgültigkeit und, ja, Verachtung. Ich bekam richtig Angst vor ihr. »Ich werde auch nicht mehr hingehen, so sieht's nämlich aus. Ich habe die Nase gestrichen voll.«

»Und was hast du stattdessen vor, wenn ich fragen darf?«

»Das geht dich einen Scheißdreck an!«

Es wurde höchste Zeit, dass ich mich einmischte.

»Angie!«, sagte ich. »Hör auf damit! Lass uns in Ruhe über alles reden. Komm schon, Angie!«

»Ich lass mir von euch nichts vorschreiben!«, schrie sie. Ihre Ruhe war wie weggeblasen und ihre Augen funkelten zornig. Sie sah sich kaum noch ähnlich. »Und die Schule ... die Schule könnt ihr euch in den Arsch schieben!« Sie warf den Milchkrug mit voller Wucht gegen die Wand und rannte heulend aus der Küche. Ich beobachtete entsetzt, wie sie ihren Rucksack packte, aus dem Haus lief und die Tür zuknallte.

Eine halbe Stunde später klingelte mein Handy.

Mama war wütend im Schlafzimmer verschwunden und räumte auf. Das tat sie immer, wenn sie sich ärgerte. Sie wühlte im Kleiderschrank und stapelte die Kleidungsstücke aufeinander, die sie nicht mehr brauchte und der Caritas geben wollte.

Ich meldete mich. »Yvonne Dreger.«

Nichts. Auf der anderen Seite wurde aufgelegt und ich hörte nur ein leises Summen. Ich fluchte unterdrückt. Da hatte sich jemand verwählt. Wenigstens entschuldigen hätte er sich können. Ich hasste diese Typen, die zu feige waren, ihren Fehler zuzugeben. Oder hatte eine Frau angerufen? Das war mir gar nicht in den Sinn gekommen.

Ich steckte mein Handy ein. Kaum war ich ein paar Schritte gegangen, klingelte es wieder. Na warte, dachte ich wütend. Ich nahm ab und besann mich gerade noch rechtzeitig darauf, dass auch jemand anderes dran sein konnte. Mein Vater, zum Beispiel, oder Angie, die sich entschuldigen wollte.

Ich nannte meinen Namen.

Ein tiefer Atemzug. »Ich bin's, Timo.«

Timo? Ich kannte keinen Timo. Oder doch? Der Typ, der mein Fahrrad repariert hatte, hieß so. Aber der hatte ganz anders geklungen, nicht so kleinlaut und ängstlich wie der Junge am Telefon.

»Ich hab dein Fahrrad repariert, heute Mittag.«

Also doch. Ich drückte leise die Tür zu und setzte mich auf die Lehne des schwarzen Sofas. »Ach du bist's.«

»Wie geht es dir?«

»Gut. Und dir?«

»Auch gut.«

Ich schluckte. »Ich hätte dich beinahe nicht erkannt, du klingst so anders am Telefon. Ist was passiert?«

»Nein ... nein, ich bin okay.«

»Ich dachte nur ...« Ich biss mir auf die Unterlippe und überlegte krampfhaft, was ich noch sagen könnte. Mit dem Zeigefinger versuchte ich eine Locke in meine kurzen Haare zu drehen. »Vielen Dank noch mal, dass du mir geholfen hast.«

»War doch klar.«

»Haben sie was gesagt?«

»Wer?«

»Na, die Jungen. Die Jungen aus deiner Klasse.«

»Ach, die. Nee, die haben nur gelacht.«

»Das geht ja noch.«

Wieder ein tiefer Atemzug und dann ein lautes Poltern. »Was ist denn los?«, fragte ich erschrocken. »Bist du noch dran?«

»Yvonne?«

»Ja, was ist denn passiert?«

»Mir ist das Handy runtergefallen.«

»Ach so. Ich dachte schon ...«

»Yvonne!«, unterbrach er mich. »Wie sieht's aus? Ich meine, hast du morgen Abend Zeit? Der Film läuft im Royal, um halb sieben, wir könnten uns um halb sechs an der S-Bahn treffen ...«

»Morgen?«

»Ja, morgen.« Er klang aufgeregt und auch ich war etwas nervös. Ich war noch nie mit einem Jungen ausgegangen und wusste nicht, ob ich zusagen sollte. Er war nett, er war richtig süß, wenn ich ehrlich bin, aber ich stand nicht so auf Brad Pitt und überhaupt ... »Wir haben zurzeit ganz schönen Ärger zu Hause«, sagte ich, obwohl ihn das gar nichts anging. »Na ja, ich weiß nicht, ob ich wegkann ...«

»Wir sind um neun zu Hause, spätestens.«

»Brad Pitt, hm?«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2018
ISBN (eBook)
9783960532620
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (November)
Schlagworte
Jugendbücher Rom Mädchen Drogen Alkohol Geschwister erste Liebe Freundschaft ab 12 Jahren eBooks Jugendbuch Rom zweite Klasse einfach
Zurück

Titel: Solange wir Schwestern sind