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Geheimbund Skarabäus - Band 2: Das Rätsel des dritten Grabes

©2019 93 Seiten
Reihe: Geheimbund Skarabäus, Band 2

Zusammenfassung

Ein neuer Fall für den Geheimbund Skarabäus: »Das Rätsel des dritten Grabes« von Kinderbuch-Bestseller-Autorin Marliese Arold als eBook bei jumpbooks.

Stefan verbringt seine Ferien in Ägypten und hilft seinem Vater bei dessen archäologischen Ausgrabungen: Die Entdeckung einer Mumie gibt den Wissenschaftlern Rätsel auf. Ist die geheimnisvolle Ägypterin im Sarkophag tatsächlich die Tochter eines Pharaos? Und wurde sie Opfer eines Verbrechens? Vieles deutet darauf hin – doch noch bevor eine Antwort gefunden wird, verschwindet ein Teil der wertvollen Grabbeigaben. Stefan und Caroline sind entsetzt, als ihr Freund Said verdächtig wird. Können die Kinder seine Unschuld beweisen?

Jetzt als eBook kaufen und genießen: Eine abenteuerliche Reise ins geheimnisvolle Ägypten für Leser ab 8 Jahren erlebt ihr in »Das Rätsel des dritten Grabes« von Kinderbuch-Bestseller-Autorin Marliese Arold. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Information für »Geheimbund-Skarabäus«-Freunde

Altes Reich (ca. 2700 – 2100 v. Chr.)

3. – 8. Dynastie. In der 4. Dynastie Blütezeit des Pyramidenbaus (Cheops-, Chefren- und Mykerinos-Pyramiden bei Gizeh). In der 5./6. Dynastie beginnen soziale Unruhen und Aufstände. Die Macht der Könige schwindet. Schließlich Zerfall des Alten Reichs.

Die 7. – 12. Dynastie, über die man sehr wenig weiß, wird oft als 1. Zwischenzeit bezeichnet.

Bakschisch: Trinkgeld

Herodot: griechischer Geschichtsschreiber. Er lebte im 5. Jahrhundert v. Chr. und unternahm zahlreiche Reisen. Er schreib seine eigenen Erlebnisse auf und das, was er auf den Reisen hörte. Sein Bericht ist eine Mischung aus Phantasie und Wahrheit.

Horus: ägyptischer Gott, der in Form eines Falken verehrt wurde. Ein Falkenkopf mit einer Doppelkrone war Symbol für die Herrschaft von Ober- und Unterägypten.

Mastaba: rechteckige Grabform

Mumie: einbalsamierter Leichnam

Mumifizierung: Technik und Kunst der alten Ägypter, den toten Körper vor dem Verfall zu bewahren. Sie entfernten dem Toten die Eingeweide und das Gehirn, »trockneten« den Körper mit Hilfe von Natron und stopften ihn aus. Behandlung mit Ölen und Harzen. Zum Schluß wurde der Leichnam mit zahlreichen Binden umwickelt.

Namenskartusche: Umrandung, in der mit Hieroglyphen ein Königsname steht

Nitokris: Eine Pharaonin, die gegen Ende des Alten Reiches geherrscht hat

Sakkara: »Friedhof« der alten Königsstadt Memphis, ca. 30 km südlich von Kairo gelegen. Man findet dort viele Königsgräber aus dem Alten Reich

Snofru: Pharao der 4. Dynastie

Uschebti: Kleines Figürchen aus einem Grab

Kapitel 1
Eine Tante namens Roger …

»Hast du eine Ahnung, warum es nicht richtig hell wird?« fragte William. »Haben wir heute ägyptische Finsternis oder was?«

Stefan brummte unwillig. Für geistige Höhenflüge war es entschieden zu früh. Leider gehörte William zu jenen Leuten, die um fünf Uhr morgens putzmunter und voller Tatendrang sind. Es war manchmal nicht einfach, mit William die Unterkunft zu teilen. Außerdem schnarchte er.

»Hey, sag mal, hast du gestern abend den Wetterbericht angehört?« William ließ nicht locker. Er brachte eben seine Morgengymnastik hinter sich: drei Dutzend Kniebeugen und fünf Minuten Dauerlauf auf der Stelle – total nervig für jemanden, der noch schlafen wollte. »Mir ziept’s so in den Knochen. Kriegen wir vielleicht einen Sandsturm?«

»Spürt man so etwas?« murmelte Stefan und öffnete träge das rechte Auge. Es war tatsächlich noch ziemlich düster. William wurde von Tag zu Tag verrückter. Erst gestern hatte er einen fünf Kilometer langen Lauf durch die Wüste gemacht – um fit zu bleiben, wie er sagte. »Warum fängst du nicht gleich um Mitternacht mit deinem Frühsport an?«

»Weil ich dich nicht stören will.« William grinste. Die weißen Zähne leuchteten in dem dunklen Gesicht. »Dreiunddreißig, vierunddreißig …« Die Kniegelenke knackten rhythmisch mit.

Stefan seufzte und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er erschrak. »Was, so spät schon?« Er schnellte senkrecht hoch.

»Sachte«, mahnte William. »Von Null auf Hundertachtzig ist schlecht für den Kreislauf!«

»Warum wird es nicht hell?«

»Davon rede ich schon die ganze Zeit.« William tastete nach seiner Halsschlagader, um den Puls zu zählen. Er verzog das Gesicht. »Schlecht. Ich bin nicht in Form. Muß am Wetter liegen.«

Stefan lehnte sich inzwischen aus dem Fenster. »Schau dir den Himmel an. Richtig giftig gelb. Und erst die Luft! Schwül und miefig!«

»Schätzungsweise wird es heute nicht besonders gemütlich zugehen«, meinte William. »Wer weiß, ob es Frühstück gibt. Oder hast du Appetit auf Spiegeleier mit Sand?«

»Auch nicht auf Spiegeleier ohne Sand«, erwiderte Stefan, der schwerverdauliche Sachen am Morgen nicht mochte. Genaugenommen hatte er an diesem Tag überhaupt keinen Hunger. Mißtrauisch betrachtete er den Himmel. Er sah unheilvoll aus. Einen Sandsturm hatte Stefan bisher noch nicht erlebt. Ägypten hatte einiges an Überraschungen und Aufregungen zu bieten, trotzdem bereute er es nicht, die Ferien hier zu verbringen. Sakkara – dreißig Kilometer südlich von Kairo gelegen – war ein archäologischer Fundort ersten Ranges. Erst vor kurzem war ein Gewölbe mit Tausenden von mumifizierten Vögeln entdeckt worden.

Als William seinen Dauerlauf beendet hatte, war es draußen noch düsterer geworden.

»Mir schwant Übles«, murmelte Stefan.

»Du hast recht. Caroline kommt«, antwortete William. Schon klopfte es an die Tür, kurz und energisch. Gleich darauf ertönte Carolines Stimme:

»Könnt ihr Schlafmützen mir mal die Tür aufmachen? Ich hab’ die Hände voll.«

William öffnete, und Caroline betrat die Baracke. In der einen Hand balancierte sie ein Tablett, in der anderen hielt sie eine Thermoskanne. Sie warf den beiden einen finsteren Blick zu.

»Ich bringe euch das Frühstück. Aber glaubt bloß nicht, daß es zur Gewohnheit wird. Es ist nur ausnahmsweise. Im Küchenzelt geht alles drunter und drüber.«

»Wir wissen die Ehre zu schätzen«, erwiderte William. »Ich werde es im Kalender rot anstreichen. Und noch in ein paar Jahren werden wir uns feierlich an den Tag erinnern, an dem Caroline uns das Frühstück serviert hat.«

Einen Moment lang schien es, als wollte Caroline die Kanne auf seinen Fuß fallen lassen, und William nahm sie ihr schnell ab.

Caroline stellte das Tablett auf den Schreibtisch.

»Drei Tassen«, bemerkte Stefan. »Heißt das etwa, daß du mit uns –«

»Super, du kannst zählen«, unterbrach ihn Caroline. »Ja, du hast recht. Ich frühstücke mit euch, obwohl sich mir eure Gegenwart sicher auf den Magen schlägt. Aber ich weiß nicht, ob ich’s noch bis zu unserem Zelt zurück schaffe. Sieht nach einem hübschen kleinen Sandsturm aus.«

»Ist vielleicht besser, wir machen alles dicht«, sagte William. »Ich glaube nicht, daß mein Computer Sand so gut verträgt.« Er wollte das Fenster schließen. Eine Windbö riß ihm den Flügel aus der Hand.

»Scheint schon loszugehen«, meinte William. Er angelte nach den Läden und zog sie zu. Caroline schaltete das Licht ein. Die Glühbirne flackerte.

»Fehlt nur noch, daß der Strom ausfällt«, murmelte Stefan.

Caroline hockte sich neben ihn aufs Bett und zog die Beine hoch, während William den Tee ausschenkte.

»Na, das ist jedenfalls eine schöne Begrüßung«, sagte Caroline.

»Was haben wir denn jetzt schon wieder falsch gemacht?« fragte Stefan. »Wir haben dich doch ganz zuvorkommend empfangen, und ich hab’ auch gar nichts dagegen, daß du dich so auf meinem Bett breitmachst …«

»Blödsinn!« Caroline schüttelte den Kopf. Ihre blonden Haare flogen. »Ich meine etwas anderes. Habt ihr denn noch nicht gehört, daß wir heute Besuch kriegen?«

»Das ist mir neu«, sagte Stefan, und William ergänzte: »Wir erfahren alle Nachrichten immer ganz zuletzt.«

»Peer van Nädiken kommt zu uns ins Camp«, verkündete Caroline.

»Peer van Nädiken?« fragte William und zog die Augenbrauen hoch.

Stefan zuckte mit den Schultern. »Nie gehört. Bildungslücke wahrscheinlich. Wer ist das? Politiker, Wissenschaftler, Sportler?«

»Lebt ihr denn hinter dem Mond?« entrüstete sich Caroline. »Habt ihr echt noch nie etwas von Nädikens Büchern gehört?« Sie krauste die Stirn. »Er hat zum Beispiel geschrieben: ZURÜCK ZUR ERDE oder SCHÖNEN GRUSS VON DEN STERNEN und SIE KAMEN AUS DEM ALL … Die Bücher haben alle einen großen Wirbel gemacht.«

»Ach, jetzt dämmert’s bei mir«, sagte Stefan und grinste. »Das ist der Kerl, der behauptet, die Erde sei ursprünglich nur von ein paar halbidiotischen Affen bewohnt worden. Doch dann sind die Götter aus dem Weltraum gekommen und haben zum Glück ihre Intelligenz dagelassen. Deswegen sind wir heute so enorm gescheite Menschen.«

»So enorm gescheit, daß wir die Erde immer unbewohnbarer machen«, sagte William spitz.

»Ich glaub’ den Quatsch ja auch nicht«, fauchte Caroline. »Würde mich mal interessieren, ob der Nädiken selbst dran glaubt«, bemerkte William.

»Kannst ihn ja fragen«, schlug Caroline vor.

»Auf alle Fälle verdient er mit seiner Masche eine Menge Geld«, meinte Stefan. »Aber was will er bei uns in Sakkara?«

»Vermutlich schreibt er wieder ein Buch und sucht neue Beweise für seine Behauptungen«, antwortete Caroline.

»Da kann er hier lange suchen«, sagte William. »Und falls er meint, es sei unmöglich gewesen, die Pyramiden nur mit Menschenkraft zu errichten, dann werde ich ihm mal ein paar Nachhilfestunden geben.«

Im selben Augenblick erlosch das Licht.

»Jetzt wird’s gemütlich«, sagte Stefan.

»Ich warne dich.« Caroline hob drohend ihre Stimme. »Keine Annährungsversuche!«

»Ich bin doch nicht lebensmüde«, gab Stefan zurück. »Außerdem bist du sowieso nicht mein Typ.«

»Danke für das Kompliment«, sagte Caroline eisig.

Der Wind fauchte um die Baracke, und sie hörten, wie der Sand gegen die Blechwände prasselte.

»Es ist zum Heulen«, meinte William. »Was wir wochenlang mühsam freigeschaufelt haben, wird innerhalb von ein paar Minuten wieder mit Sand zugeweht.«

»Dabei müssen wir noch froh sein, wenn keine Menschen verletzt werden«, gab Caroline zu bedenken. »Sicher wird das Flugzeug mit Nädiken Verspätung haben. Ursprünglich wollte er im Laufe des Vormittags hier sein.«

Der Lärm war nun so groß, daß sie schreien mußte, um sich verständlich zu machen. William hatte inzwischen ein paar Streichhölzer gesucht und eine Kerze angezündet.

»Frühstück bei Kerzenschein und Sandsturm hab’ ich mir schon immer gewünscht«, sagte Stefan.

»Willst du lieber rausgehen?« fragte Caroline herausfordernd. »Du kannst ja Said helfen, Cleo zu beruhigen. Die regt sich bestimmt wahnsinnig auf, sie hat ja so ein sensibles Gemüt.«

»Unterschätze Cleo nicht«, erwiderte William. »Die Kamele hier sind an Sandstürme gewöhnt. Cleo würde sicherlich mehr ausflippen, wenn es plötzlich schneien würde.«

Caroline angelte nach ihrer Frühstücksschale. Sie nahm zwei Löffel von der Mischung aus Fruchtfleisch und Körnern, dann schob sie die Schale wieder auf den Tisch. »Eigentlich hab’ ich gar keinen Appetit.«

»Ich auch nicht«, gestand William. »Ich mache mir genauso Sorgen wie du, ob keine Zelte weggeweht werden oder größerer Schaden entsteht.«

»Wie lange dauert ein Sandsturm?« wollte Stefan wissen.

»Das ist ganz unterschiedlich. Der Spuk kann in ein paar Minuten vorbei sein. Er kann sich aber auch noch eine Weile hinziehen. Wir können nichts anderes tun, als abzuwarten. Es zeigt sich wieder einmal, wie machtlos die Menschen gegenüber Naturgewalten sind.«

Der Wind rüttelte an der Baracke, und als die Wände erzitterten, wechselten Caroline und Stefan einen bangen Blick. Mit einem Mal war alles vorüber. Die Stille draußen war geradezu unheimlich.

»In unserem Dorf gab es einen alten Mann, der behauptete, Macht über den Wind zu besitzen«, erzählte William. »Meine Großmutter war fest davon überzeugt, er könne einen Sturm herbeirufen oder zügeln. Natürlich hat mich die Sache brennend interessiert. Ich lag ihm ständig in den Ohren und bat ihn, mir einmal seinen Trick vorzuführen.«

»Und?« fragte Caroline gespannt.

»Er hat mich immer wieder vertröstet. Eines Tages fand man ihn tot – von einem Baum erschlagen, den der Sturm entwurzelt hatte.« William stand auf und ging zur Tür. »Mal sehen, was draußen los ist.«

Der Himmel war viel heller als zuvor, die Sonne schien, und der Sandsturm war weitergezogen.

»Die Zelte scheinen noch alle zu stehen«, verkündete William, während Stefan das Fenster wieder öffnete. »Auf den elektrischen Strom werden wir allerdings noch eine Weile warten müssen. Bestimmt ist irgendwo eine Leitung gerissen.«

»Ich muß gehen. Wir sehen uns später.« Caroline hatte es plötzlich eilig. Schon war sie bei der Tür. Dort hielt sie inne und warf einen Blick über die Schulter zurück. »Äh … kommt einer von euch heute zufällig nach Kairo?«

»Warum? Ist dir die Hautcreme ausgegangen?« spottete Stefan.

Caroline überhörte die Bemerkung. »Ich habe ein paar Briefe geschrieben. Von Kairo aus wird die Post schneller befördert.«

»Vielleicht fahre ich morgen oder übermorgen hin«, überlegte William.

Caroline schnitt eine Grimasse.

»Oder du gibst die Briefe Said«, schlug Stefan vor. »Der reitet sicher heute nachmittag wieder zu den Pyramiden von Gizeh. Dort kann er sie in einen Hotelbriefkasten werfen.«

Carolines Gesicht hellte sich auf. »Das ist gut.«

»Wer wartet denn so sehnsüchtig auf Post?« erkundigte sich Stefan.

Das Mädchen errötete. »Meine Tante in London, wer sonst? Außerdem glaub’ ich nicht, daß dich meine Briefe etwas angehen.«

»Du brauchst mich nicht gleich so anzufauchen«, wehrte sich Stefan.

»Ich fauche nie!« fauchte Caroline und schmetterte die Tür hinter sich zu.

»Was hast du jetzt vor?« fragte William.

Stefan hob die Schultern. »Eigentlich nichts Bestimmtes.«

»Fein. Dann kannst du gleich mitkommen und dir den Schaden an der Ausgrabungsstelle anschauen.«

»Muß das sein?«

»Es wäre mir sehr recht. Ich messe ab, und du schreibst das Protokoll. Es wird nicht lange dauern, eine Stunde, schätze ich.« William streifte den Computer in der Ecke mit einem bedauernden Blick. »Glaub’ mir, ich würde jetzt auch lieber etwas anderes machen. Aber ohne Strom … Ich habe meinen Computer gestern abend mit allen Daten über unser unterirdisches Vogellabyrinth gefüttert. Jetzt bin ich gespannt, was er ausspuckt. Vielleicht ergibt sich etwas Neues für unsere Forschungen.«

»Also gut«, willigte Stefan ein, obwohl er eher an einen Ausflug mit Said gedacht hatte. Doch das hing davon ab, ob dieser gerade Zeit hatte – was man bei Said nie im voraus wußte.

»Ach, das Tablett«, erinnerte sich William, als sie wenig später die Baracke verließen. »Das müssen wir noch ins Küchenzelt zurückbringen.«

»Caroline hätte ihr eigenes Geschirr wenigstens mitnehmen können«, bemerkte Stefan, denn es war schwierig, Kanne, Tablett und auch noch die Mappe mit dem Notizblock zu tragen.

William, der mit Stativ und Meßlatten beladen war, grinste. »Die hat nur noch an ihre Briefe gedacht. An ihre Tante in London. Hast du schon mal von einer Tante gehört, die Roger heißt?«

»Roger?« Die Tassen auf dem Tablett gerieten ins Rutschen. Stefan verspürte einen Anflug von Eifersucht.

»Roger Brown heißt der Typ, dem sie immer schreibt. Letzte Wochen waren es drei Briefe. Hey, sag bloß, du ärgerst dich.«

»Nein«, antwortete Stefan mit übertrieben fester Stimme. »Bestimmt nicht.«

William zwinkerte. »Und ich hab’ schon geglaubt, du machst dir was aus ihr.«

»Ich?« entrüstete sich Stefan. »Ich bin doch nicht wahnsinnig. Ich mach’ mir gar nichts aus Caroline. Jedenfalls nicht viel. Eigentlich kaum etwas …«

»Aber sauer bist du trotzdem«, stellte William fest. »Sauer auf eine Tante namens Roger …«

Kapitel 2
Ein Spinner im Camp

Die Sandverwehungen an der Ausgrabungsstelle waren geringer als William angenommen hatte.

»Wir haben noch einmal Glück gehabt. Zwei, drei Tage Arbeit – dann ist alles genau wie vorher.«

Stefan wischte sich den Schweiß von der Stirn. Schon in den Vormittagsstunden war es in Sakkara sehr heiß. Mittags und nachmittags war es kaum zum Aushalten, und Stefan war froh, wenn er dann irgendwo im Schatten liegen und sich ausruhen konnte.

William litt viel weniger unter der Hitze als er, und auch Said war an die hohen Temperaturen gewöhnt.

»Von Oktober bis März gehen die Ausgrabungen flotter voran«, verkündete William, während er sein Maßband wieder aufrollte. »Dann ist hier viel mehr los. Im Sommer läuft eben alles ein bißchen auf Sparflamme.«

»Und warum scheint die Sonne nicht auf Sparflamme?« ächzte Stefan. »Dagegen hätte ich bestimmt nichts.«

Erschöpft trabte er zum Camp zurück. Seine Beine waren so schwer, als hätte jemand sie mit Blei umwickelt. Stefan hatte Lust zum Schwimmen, aber Baden im Nil oder in den Nilkanälen war nicht ratsam, denn das Wasser war mit Bilharziose-Erregern verseucht. Dr. Herold hatte zwar erreicht, daß Stefan ab und zu das Schwimmbad eines großen Kairoer Hotels benutzen durfte, doch lange Auto- oder gar Busfahrten waren bei dieser Hitze blanker Wahnsinn.

Auf dem Weg zur Baracke begegnete Stefan Said. Der junge Ägypter machte ein finsteres Gesicht.

»Wie geht’s Cleo? Hat sie den Sandsturm gut überstanden?« erkundigte sich Stefan.

»Die schon«, murmelte Said dumpf. »Aber sonst hat der Sand allerhand Unheil angerichtet, besonders in den Köpfen gewisser Leute. Der Koch hat mich angeschnauzt, weil er ein paar Töpfe nicht finden kann. Er behauptet, ich hätte sie zuletzt gehabt. Ich hab’ mir das natürlich nicht so einfach gefallen lassen, und jetzt will er sich bei deinem Vater über mich beschweren.«

»Keine Sorge«, beruhigte ihn Stefan. »Bei meinem Vater hast du sowieso einen Stein im Brett, weil du ihm neulich das Leben gerettet hast.«

»Darum geht es nicht«, wehrte Said ab. »Ich hab’ ja auch gar keine Angst um meinen Job. Was mir stinkt, ist, daß ich immer an allem schuld sein soll. Fehlt etwas im Küchenzelt, dann schreit der Koch gleich: ›Said, wo hast du es hingetan?‹ Dabei ist er selbst so vergeßlich wie ein altes Kamel. Ist das Gemüse nicht mehr ganz frisch, dann bin ich es gewesen, der es eingekauft hat. Und wenn ich mehr Geld als vorgesehen für die Einkäufe ausgegeben habe, dann werde ich gleich verdächtigt, daß ich das Geld für mich selber verwendet habe.« Er runzelte zornig die Stirn. »Wirklich – wenn es nicht wegen Cleo wäre, ich hätte manchmal Lust, den ganzen Kram hinzuschmeißen!«

Stefan wußte, daß Cleo nicht der einzige Grund war. Said arbeitete zwar hauptsächlich, um das Futtergeld für das Kamel zu verdienen, aber das Leben im Camp faszinierte ihn. Er fand es spannend, in der Erde zu graben, hoffte stets auf einen aufsehenerregenden Fund und brannte darauf, neue Dinge über die alten Ägypter zu erfahren.

Am liebsten arbeitete Said im Freien an der Ausgrabungsstelle. Wurde er zum »Küchendienst« herangezogen, so tat er es zwar ohne Murren, aber das Putzen von Gemüse ging ihm längst nicht so flott von der Hand wie das Säubern von Fundgegenständen. Und mit dem Koch gab es fast täglich Reibereien – sehr zur Unterhaltung des übrigen Personals!

»Hast du nachher Zeit?« fragte Stefan. »Wir könnten –«

»Da kommt Besuch«, unterbrach ihn Said. Der Ägypter beschirmte seine Augen. Ein Wagen kroch in einer Staubwolke heran.

»Höchstwahrscheinlich dieser Peer van Nädiken«, murmelte Stefan.

»Wer?«

»Ein bekannter Holländer, der Bücher schreibt. Er ist davon überzeugt, daß früher Außerirdische die Erde besucht haben. Jetzt sucht er überall nach Spuren.«

»Klingt ganz interessant«, meinte Said. »Und was will er bei uns?«

»Genau das haben wir uns auch schon gefragt«, erwiderte Stefan.

Der Wagen hielt ein Stück von den beiden Jungen entfernt. Der Fahrer war ein Araber. Auf dem Rücksitz saßen zwei Männer. Der größere der beiden stieg aus. Mit zielstrebigen Schritten und erfolgsgewohntem Lächeln kam er auf die Jungen zu – ganz der Typ, der die Welt aus den Angeln hebt.

»Ich suche Dr. Herold«, sagte er auf Englisch. »Wir sind angemeldet.«

»Mein Vater ist dort drüben«, antwortete Stefan und deutete zu den Zelten hinüber. »Ich kann Sie zu ihm bringen, wenn Sie es wünschen. Sind Sie Herr van Nädiken?«

Der Angeredete lachte. »Beinahe richtig geraten. Aber nur beinahe. Herr van Nädiken sitzt noch im Wagen. Ich bin sein Manager, Erik Jacobson.«

Jetzt stieg auch Herr van Nädiken aus. Er war bereits jenseits des besten Alters, neigte zu Glatze und Bauchansatz und sah überhaupt nicht nach einer Berühmtheit aus. Das einzige Auffällige an ihm waren seine lebhaften Augen. Sie schienen ständig umherzuhuschen, um sich jede Einzelheit genau einzuprägen.

»Sind wir hier richtig, Erik?«

»Goldrichtig. Dieser Knabe ist der leibhaftige Sprößling von Dr. Herold. Wir sind also genau an der richtigen Stelle gelandet.«

Nädikens Händedruck war so fest, daß Stefan Angst um seine Finger hatte.

»Als Junge hab’ ich mir immer gewünscht, einen Archäologen zum Vater zu haben. Du bist zu beneiden, noch dazu, weil dein Vater so berühmt ist.«

»Berühmt?« fragte Stefan und zog die Augenbrauen hoch. Von dieser Seite hatte er die Angelegenheit noch nicht betrachtet. Sein Vater hatte einen ungewöhnlichen Beruf und verbrachte den größten Teil des Jahres fern von Zuhause; das bedeutete allerhand Unannehmlichkeiten und Einschränkungen. Doch ob sein Vater in archäologischen Kreisen einen Namen besaß, darüber hatte sich Stefan noch nie den Kopf zerbrochen.

»Seine Mutter ist auch Archäologin und arbeitet hier im Camp«, mischte sich Said ein.

»Na fabelhaft!« Nädiken klopfte Stefan auf die Schulter. »Dann wirst du sicher bald in die Fußstapfen deiner Eltern treten.«

»Das ist ungefähr das letzte, was ich mir wünsche«, entgegnete Stefan.

»Noch besser«, sagte Nädiken anerkennend. »Ich finde es großartig, wenn ein junger Mensch seine eigene Meinung vertritt.«

Stefan war verunsichert. Er hatte es sich ganz anders vorgestellt, jemandem gegenüber zu stehen, dessen Bücher millionenfach gelesen wurden, der in der Presse für Schlagzeilen gesorgt hatte und im Fernsehen aufgetreten war.

Peer van Nädiken kam ohne Umschweife zur Sache. »Für Touristen, die sich Sakkara nur oberflächlich anschauen wollen, genügen ein oder zwei Tage. Wir dagegen möchten eine Weile hier im Camp wohnen, zusammen mit eurem Team, unter den gleichen Bedingungen. Unbequemlichkeiten nehme ich gerne in Kauf, ich bin nicht verwöhnt. Meine Forschungen sind mir wichtiger als luxuriöse Hotelzimmer.«

»Sicher wird mein Vater nichts dagegen haben«, sagte Stefan, obwohl er sich eine Reihe von Einwänden vorstellen konnte. »Schreiben Sie denn wieder ein neues Buch?«

»Du hast’s erfaßt. Ein neues Buch über ein altes Thema. Mit sensationellen Beweisen, daß die Fachwelt kopfstehen wird.«

Saids dunkle Augen glitzerten, als er fragte: »Glauben Sie denn wirklich an fliegende Untertassen und all so was?«

»Mein lieber Junge, selbst Experten streiten sich seit Jahren über diesen Punkt. Und solange niemand bewiesen hat, daß es UFOs nicht gibt, halte ich fliegende Untertassen durchaus für möglich. Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.«

»Bitte, Peer«, schaltete sich Jacobson ein, »ich kenne dich: Wenn du jetzt zu fachsimpeln anfängst, stehen wir noch in zwei Stunden hier.«

»Bis dahin haben wir einen Sonnenstich«, erklärte Nädiken. »Also, Junge, bring uns lieber vorher zu deinem Vater, die Nachwelt wird’s dir danken.«

Dr. Herold war in seinem Zelt und erledigte gerade einige Schreibarbeiten. Er begrüßte Nädiken und seinen Manager und bot ihnen Stühle und Getränke an.

»Am besten unterhalten wir uns gleich einmal und klären ab, was Sie von uns erwarten und was wir Ihnen bieten können.«

Stefan und Said wollten gehen, doch Nädiken wandte ein: »Können die Jungs nicht hierbleiben? Gerade junge Menschen sind aufgeschlossen. Ihre Beobachtungen können sehr hilfreich sein.«

»Meinetwegen«, sagte Dr. Herold, und Stefan schleppte noch zwei Klappstühle herbei.

Im Lauf des Gesprächs wurde deutlich, daß Dr. Herold wenig von Nädikens Behauptungen hielt.

»Sie haben zwar eine originelle Art, die Dinge zu betrachten, aber ich kann mich Ihrer Meinung leider nicht anschließen.«

»Man wirft mir immer vor, ich habe zuviel Phantasie.« Nädiken seufzte betrübt. »Dabei sage ich mir ständig, daß ein wacher Verstand besser ist als festgefahrene Lehrmeinungen. – Haben Sie denn schon ein einziges Buch von mir gelesen?«

»Nein, tut mir leid.«

»Das dachte ich mir. Die Leute, die noch nie ein Buch von mir in der Hand hatten, verteufeln mich am meisten.«

»Aber ich bitte Sie«, lenkte Dr. Herold ein. »Niemand verteufelt Sie, lieber Herr van Nädiken, jedenfalls hier im Camp. Wir sind gerne bereit, Sie zu unterstützen. – Ja?«

Er drehte sich herum. Mrs. Dickens war hereingekommen.

»Entschuldigung, wenn ich störe«, sagte sie. »Aber ich sollte Ihnen gleich die Auswertung der elektromagnetischen Messungen bringen. Grabungen in Sektor vier sind vermutlich sehr lohnend. Wir haben dort mehrere Stellen geortet, bei denen es sich um Gräber handeln könnte.«

Nädiken schielte interessiert auf die Computergrafik. »Pharaonengräber?«

»Das kann man nie im voraus wissen«, antwortete Dr. Herold. »Der Sand von Sakkara birgt noch allerhand Überraschungen. Die größte Sensation wäre zweifellos, wenn wir Imhoteps Grab entdecken würden.«

Zu Dr. Herolds Erstaunen wußte Nädiken Bescheid. »Sie meinen, diesen genialen Baumeister Imhotep, der die erste Pyramide baute?«

»Die Stufenpyramide von König Djoser«, bestätigte der Archäologe.

»Hm.« Nädiken verstummte und verlor sich in Gedanken.

»Ich werde mir die Grafiken nachher gleich anschauen«, versprach Dr. Herold seiner Kollegin. »Vielleicht können wir schon morgen Probebohrungen in Sektor vier vornehmen.« Er faltete die Papierbögen zusammen und nickte Mrs. Dickens zu. Diese wollte bereits das Zelt verlassen, als ihr Blick auf Said fiel.

»Caroline hat dich vorhin überall gesucht, Said.«

»Mich?« fragte Said verwundert.

»Mach dir keine falschen Hoffnungen«, sagte Stefan. »Sie braucht dich nur als Briefträger.«

Einige Stunden später stand ein weiteres graues Zelt neben den anderen Unterkünften. Dr. Herold hatte zwar versucht, Nädiken zu überreden, in ein Kairoer Hotel zu ziehen, doch der Holländer ließ sich nicht von seinem Plan abbringen.

»Sie verpassen bestimmt keine wichtige Entdeckung, Herr van Nädiken!«

»Darum geht es nicht, Dr. Herold. Hier bin ich ein freier Mensch und kann mich stundenlang in Ruhe umsehen, ohne auf Busse oder Taxis angewiesen zu sein. Die Freiheit geht mir über alles. Notfalls schlafe ich auch auf dem blanken Boden, über mir den Sternenhimmel, die Heimat der Götter …«

Der Koch, der die Auseinandersetzung zufällig mit anhörte, tippte sich an die Stirn, bevor er den nächsten Pfannkuchen in die Luft warf.

Auch Caroline grinste, als Nädiken nach dem Mittagessen losmarschierte – mit dem Rucksack auf dem Rücken wie ein Pfadfinder, bewaffnet mit Maßband und Fernglas, während ihm Jacobson wie ein Schatten folgte.

»Bei dieser Hitze durch den Sand, das ist verrückt!«

»Er ist von seinen Ideen vollkommen besessen«, stellte Dr. Herold fest.

»Ein Spinner.« Mrs. Dickens seufzte. »Wie lange wird er bleiben?«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2019
ISBN (eBook)
9783960532293
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Schlagworte
Kinderbuch Mädchen ab 8 Jahren Jungen ab 8 Jahren Detektivgeschichte Abenteuer Geheimnis Rätsel Ägypten Neuerscheinung eBooks
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Titel: Geheimbund Skarabäus - Band 2: Das Rätsel des dritten Grabes