Lade Inhalt...

Der kleine Seeräuber - Band 1: Pepolino sticht in See

©2016 102 Seiten

Zusammenfassung

Wenn ich doch nur einen einzigen richtigen Freund hätte, dachte der kleine Seeräuber. Oder wenigstens einen Feind.

Der kleine Seeräuber Pepolino ist manchmal sehr allein, auch wenn er in Don Poco, dem bunten Papagei, einen treuen Gefährten gefunden hat. Zum Glück begegnet er eines Tages dem dicken Kapitän. Gemeinsam erleben sie viele spannende Abenteuer. Doch sie kämpfen auch gegeneinander, denn eigentlich sind sie ja Feinde. Aber wenn es darauf ankommt, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. So überfallen sie eine Raubritterburg und begegnen sogar einem Gespenst. Sie finden eine Schatzkarte und müssen vor Strandräubern fliehen. Und am Ende können sie nur durch eine List des kleinen Seeräubers viel größeren und sehr gefährlichen Piraten entkommen.

Der Kinderbuch-Klassiker – endlich als eBook!

Jetzt als eBook: „Pepolino sticht in See“ von Irene Rodrian. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Der kleine Seeräuber Pepolino ist manchmal sehr allein, auch wenn er in Don Poco, dem bunten Papagei, einen treuen Gefährten gefunden hat. Zum Glück begegnet er eines Tages dem dicken Kapitän. Gemeinsam erleben sie viele spannende Abenteuer. Doch sie kämpfen auch gegeneinander, denn eigentlich sind sie ja Feinde. Aber wenn es darauf ankommt, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. So überfallen sie eine Raubritterburg und begegnen sogar einem Gespenst. Sie finden eine Schatzkarte und müssen vor Strandräubern fliehen. Und am Ende können sie nur durch eine List des kleinen Seeräubers viel größeren und sehr gefährlichen Piraten entkommen.

Der Kinderbuch-Klassiker – endlich als eBook!

Über die Autorin:

Irene Rodrian, 1937 in Berlin geboren, wurde u.a. mit dem Ehrenglauser des Friedrich-Glauser-Preises und dem Edgar-Wallace-Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Ihr Jugendbuch Die Welt in meiner Hand kam auf die Bestenliste für den deutschen Jugendbuchpreis. Seither hat sie sich mit zahlreichen Bestsellern in einer Gesamtauflage von über zwei Millionen und als Drehbuchautorin (Tatort, Ein Fall für Zwei) einen Namen gemacht. Irene Rodrian lebt heute in München.

Ebenfalls bei jumpbooks erschienen Irene Rodrians Kinderbücher Pepolino auf großer Fahrt und Pepolino und der dicke Kapitän

Die Autorin im Internet: www.irenerodrian.com und www.facebook.com/irene.rodrian

***

eBook-Neuausgabe April 2016

Dieses Buch erschien bereits 1994 unter dem Titel Alle Abenteuer mit dem kleinsten Seeräuber auf allen Meeren und seinem größten Feind, dem dicken Kapitän bei Lentz Verlag in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe 1994 Lentz Verlag in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe 1994 Buchagentur Ambach, 1994 »Pepolino« von Irene Rodrian

Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © Brian Bagnall

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-087-9

***

Damit der Lesespaß sofort weitergeht, empfehlen wir dir gern weitere Bücher aus unserem Programm. Schick einfach eine eMail mit dem Stichwort Pepolino sticht in See an: lesetipp@jumpbooks.de

Gerne informieren wir dich über unsere aktuellen Neuerscheinungen – melde dich einfach für unseren Newsletter an: http://www.jumpbooks.de/newsletter.html

Besuch uns im Internet:

www.jumpbooks.de

www.facebook.com/jumpbooks

https://twitter.com/jumpbooksverlag

http://youtube.de/jumpbooks

Irene Rodrian

Pepolino sticht in See

Der kleine Seeräuber – Band 1

jumpbooks

Ein schauriger Kampf

Es war ein wunderschöner Sommertag vor fünfhundert Jahren. Das Meer glitzerte türkis und grün und dunkelviolett und silbern, und über den himmelblauen Himmel segelten kleine weiße Wattewolken.

Und noch etwas anderes segelte da. Ein Schiff. Aber weiß war es nicht. Sein schlanker Rumpf war rot wie Blut und sein vom Wind geblähtes Segel schwarz wie die Nacht. Nur eins war weiß darauf. Ein grimmiger Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen dahinter. Das war das Schiff vom kleinen Seeräuber.

Der kleine Seeräuber selbst lehnte schläfrig am Mast und träumte in den wunderschönen Tag hinein. Er hatte ein feuerrotes Tuch um den Kopf geknotet, und seine giftgrüne Seidenbluse war bis zu dem breiten Ledergürtel hin offen.

In dem Gürtel steckte ein wuchtiges Seeräubermesser. Alles war still und friedlich, und man hörte nur das sanfte Plätschern der Wellen und das gleichmäßige Knarzen der Holzbohlen. Der kleine Seeräuber gähnte und schloß die Augen. Er langweilte sich ein bisschen.

Plötzlich krächzte eine heisere Stimme: »Feind in Sicht! Feind in Sicht!«

Das war Don Poco, der Papagei. Er saß hoch oben auf der Mastspitze. Mit seiner roten Brust, seinen dunkelblauen Flügeln, der grünen Haube und dem gebogenen Schnabel sah er sehr gefährlich aus. »Feind in Sicht!« krächzte er zum dritten Mal.

Der kleine Seeräuber blinzelte mit einem Auge in die Sonne. Er konnte nichts erkennen, aber er wußte, dass Don Poco recht hatte. Papageien haben scharfe Augen. Besonders Don Poco. Der kleine Seeräuber hatte ihn eines Tages unter einem Baum gefunden, er war aus dem Nest gefallen und war winzig klein und piepste kläglich und sträubte seine Flaumfedern. Der Seeräuber nahm ihn auf und fütterte ihn und nannte ihn Poco, das heißt soviel wie Wenig. Aber dann wurde der Papagei immer größer und größer und auch ein bisschen frech, da nannte ihn der Seeräuber Don Poco, das heißt soviel wie Herr Wenig. Und seitdem gehörten sie zusammen.

Feind in Sicht!

Der kleine Seeräuber reckte sich. Er hatte seine engen Hosen hochgekrempelt, und seine Füße waren nackt. Er mochte keine Schuhe. Seeräuber müssen sich anschleichen können. Er hob die Hand über die Augen und schaute über das Meer.

Wasser und Himmel, soweit er sehen konnte.

Doch da! Ein kleiner dunkler Punkt. Der näher kam. Heller wurde. Ein weißes Segel. Ein gelbes Schiff. Bauchig rund. Eine Handelskogge.

Näher und näher.

Der kleine Seeräuber griff nach seinem Messer. Es sah so aus, als würde es bald einen Kampf geben. Eigentlich hatte der kleine Seeräuber keine große Lust zu kämpfen. Dazu war er viel zu müde und zu faul, und die Sonne schien so schön, und der Tag war überhaupt viel zu friedlich zum Kämpfen.

Aber Seeräuber müssen nun einmal kämpfen. Und seeräubern. Und das hatte er seit vielen Tagen nicht mehr getan. Na warte, dachte er, dir werde ich deine Beute schnell abjagen.

Das Handelsschiff war jetzt schon so nah herangekommen, dass der kleine Seeräuber erkennen konnte, wer vorn am Bug stand. Der Kapitän.

Er war groß und dick und hatte einen dreieckigen federgeschmückten Hut auf dem Kopf und trug ein Samtwams mit goldenen Knöpfen. Seine Füße steckten in gelben Stulpenstiefeln, und in der Hand schwang er ein großes Schwert.

»Ha«, schrie der kleine Seeräuber, »hab’ ich dich endlich?! Her mit deiner Ladung!« Und dazu fuchtelte er mit seinem Messer durch die Luft.

»Nur über meine Leiche!« brüllte der dicke Kapitän zurück und ließ sein Schwert auf und ab zischen.

»Du weißt wohl nicht, wer ich bin!« schrie der Seeräuber, »ich bin der größte und gefährlichste Seeräuber auf allen sieben Meeren. Her mit deiner Ladung, sonst geht es dir schlecht!«

»Und ich«, brüllte der Kapitän, »ich bin der dicke Kapitän, und keiner auf der ganzen Welt kann es mit mir aufnehmen!«

»Außer mir! Hast du nicht den Totenkopf auf meinem Segel gesehen?« Und obwohl die beiden Schiffe jetzt schon ganz nah beieinander waren, schrie der kleine Seeräuber immer lauter, damit der dicke Kapitän nicht hören konnte, dass seine Stimme ein ganz klein wenig zitterte. Denn immerhin ist so ein Schwert doch viel größer und schrecklicher als das grimmigste Seeräubermesser.

»Wage es nur, du Wicht!« brüllte wieder der Kapitän und schwang sein Schwert, und nicht einmal er selber merkte, dass er sich fürchtete.

Jetzt standen sie alle beide, der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän, ganz dicht vorn an der Reling ihrer Schiffe und beschimpften sich und drohten sich mit ihren Waffen und sahen nicht, dass sie immer näher und näher aneinander heransegelten, und RUMPS stießen die beiden Schiffe zusammen.

Der kleine Seeräuber verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber ins Wasser.

»Hilfe!« kreischte Don Poco, der Papagei.

Der dicke Kapitän, stolperte auch, versuchte, sich festzuhalten, aber er musste ja das große Schwert in der Hand behalten, und PLUMPS lag er auch im Wasser.

Da strampelten sie nun und schwammen und schnappten nach Luft.

»Hähähähä«, kicherte Don Poco schadenfroh.

Das ärgerte den kleinen Seeräuber, schließlich und immerhin war er ein Seeräuber.

Punktum.

Er nahm sein Messer nach Seeräuberart zwischen die Zähne und packte ein Tau und zog sich wieder auf sein Schiff hinauf.

»Blubb, blubb, blubb«, blubberte der Kapitän und ging immer wieder unter. Denn das Schwert konnte er um keinen Preis loslassen, und sein Wams hatte sich vollgesogen, und die Goldknöpfe wogen schwer, und die Stulpenstiefel füllten sich mit Wasser.

Da erbarmte sich der kleine Seeräuber und warf dem dicken Kapitän ein Seil zu. An dem konnte er sich festhalten und wieder auf sein Schiff klettern.

»Danke«, grummelte der Kapitän, denn es war ihm schrecklich, sich von einem Seeräuber helfen zu lassen.

Und dem kleinen Seeräuber war es auch äußerst peinlich, denn einem Kapitän zu helfen, das war keine ordentliche Seeräuberart. »Schon gut«, nuschelte er verlegen, »gleich kämpfen wir weiter.«

Aber noch war es nicht soweit. Zuerst einmal standen sie beide auf ihren Schiffen und zogen sich aus und hängten ihre nassen Kleider zum Trocknen auf die Leine.

Eine arge List

Das rote Schiff vom kleinen Seeräuber und das gelbe vom dicken Kapitän schwammen immer noch dicht beieinander. Der Seeräuber lag an den Mast gelehnt und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen und wartete, dass seine Kleider trockneten.

Hoch über ihm saß Don Poco, der Papagei, im Mast und sträubte sein Gefieder. Das tat er nur, wenn er sich fürchtete oder wenn er sehr sehr wütend war. Und das war er im Moment. Denn er hatte auf dem Schiff des Kapitäns etwas entdeckt, was für ihn schrecklicher und furchtbarer war als alle Feinde der Welt.

Eine schwarze Katze.

Die Katze beachtete den Papagei nicht. Mißtrauisch beobachtete sie, wie der dicke Kapitän seine Hosen und sein Samtwams auswrang und immer wieder dagegenschlug, um zu sehen, ob sie nicht endlich trocken waren. Wassertropfen spritzten herum. Einer davon traf die Katze. »Grrr«, fauchte sie und verkroch sich unter einem Haufen zusammengerollter Taue.

»Hähä«, gurrte Don Poco zufrieden, und sein Gefieder glättete sich. Katzen können Wasser nicht ausstehen. Papageien auch nicht, aber die können fliegen, und das können Katzen nun wirklich nicht. Don Poco war richtig glücklich.

Der Kapitän hingegen war gar nicht glücklich. »Was ist mit dem Kampf?« rief er, »versprochen ist versprochen!«

»Ach ja«, seufzte der kleine Seeräuber und holte seine Kleider von der Leine. Sie waren in der Sonne getrocknet, und er konnte sie anziehen. Das schwere Samtwams des Kapitäns war immer noch feucht, aber auch er musste es, so wie es war, überziehen, denn ein nackter Kapitän ist kein Kapitän. Das fühlte sich scheußlich an und machte den Kapitän noch ärgerlicher. »Diesmal kommst du mir nicht davon!« brüllte er, »keiner darf mich überfallen und ausräubern!«

»Noch habe ich dich ja gar nicht beräubert«, meinte der kleine Seeräuber und gähnte hinter der vorgehaltenen Hand, denn es galt als sehr unhöflich, während eines Kampfes zu gähnen. »Und ich weiß auch gar nicht, ob ich es tun werde. Lohnt sich das überhaupt? Was für eine Ladung hast du denn an Bord?«

»Fässer voll süßem Wein«, sagte der Kapitän stolz.

Der Seeräuber lachte:

»Süß?? Das glaube ich dir nie und nimmermehr!«

Da wurde der Kapitän wirklich böse. »Ich werde es dir beweisen«, knurrte er und machte eins der Fässer auf und schenkte einen Humpen voll mit Wein. »Hier«, er reichte ihn dem kleinen Seeräuber auf sein Schiff hinüber, »probier selbst.«

Der kleine Seeräuber nahm vorsichtig einen kleinen Schluck.

Der Wein schmeckte süß und reif wie goldgelbe Honigmelonen. »Hm«, machte der Seeräuber und nahm noch einen Schluck, einen großen diesmal. Und schüttelte den Kopf. »Sauer wie Essig, brrr!«

»Waaas?!« Der Kapitän beugte sich weit über die Reling, riß dem Seeräuber den Humpen aus der Hand und füllte ihn neu. Trank selbst. »Hmmm«, schmatzte er, »köstlich!« Und trank gleich noch einen Schluck.

»Ha«, höhnte der kleine Seeräuber, »du hast ja keinen Geschmack!« Und er streckte die Hand aus und ließ sich vom dicken Kapitän den aufs neue gefüllten Humpen herüberreichen. Und nahm einen langen Zug. »Sauerampfer! Der reinste Sauerampfer!« beschwerte er sich.

»Das kann nicht sein!« Der Kapitän holte sich den Humpen zurück, füllte ihn und leerte ihn. Und leckte sich die Lippen. »Süß wie pralle Aprikosen. Du bist es, der keinen Geschmack hat!«

»Unverschämtheit!« schimpfte der kleine Seeräuber, »laß mich noch einmal probieren!« Und wieder trank er einen Humpen leer, rollte die Augen und machte ein nachdenkliches Gesicht, schüttelte sich und tat so, als würde er ausspucken. »Brrr, pffft! Wie kann man so etwas Gräßliches nur trinken! Wenn ich Strümpfe anhätte und Löcher darin, dann würde es mir die Löcher zusammenziehen, so sauer ist der Wein! Hick.«

Der Kapitän nahm den Humpen zurück und füllte ihn. Seine Bewegungen wurden ein bisschen langsamer. Wieder trank er. »Zuckersüß«, beharrte er und gab dem kleinen Seeräuber einen neuen Humpen zum Probieren. Der trank ihn aus. Bis auf den letzten Tropfen. »Zitronensaft!« murmelte er, »hick.«

Und so probierten sie hin und her und her und hin und konnten sich nicht einig werden.

Inzwischen war die Sonne immer tiefer gesunken und lag jetzt wie ein orangeroter Feuerball über dem Horizont. Die Wolkenstreifen färbten sich lila, und das Meer glitzerte wie flüssiges Gold. Es sah aus, als würde die ganze Welt glühen.

Und der kleine Seeräuber und der dicke Kapitän hatten das Gefühl, als würden ihre Köpfe glühen. Aber das kam wohl eher vom süßen Wein. Der Seeräuber war froh, dass er sich an der Reling festhalten konnte. Denn obwohl das Meer so glatt war wie ein Spiegel, kam es ihm vor, als ob sein Schiff von einer Seite auf die andere schwankte. Und auch der dicke Kapitän taumelte auf dem Deck herum, als läge sein Schiff in einem Gewittersturm. Aber immer wieder probierte er von seinem Wein und reichte dem Seeräuber einen gefüllten Humpen hinüber, um ihm zu beweisen, wie honigsüß sein Wein war.

Die schwarze Katze war längst eingeschlafen, und auch Don Poco hatte es aufgegeben, auf alles aufzupassen, und hatte den Kopf friedlich unter seinen linken Flügel gesteckt. Plötzlich ertönte ein Schrei.

»O Schreck und Jammer!« Das war der dicke Kapitän. »Das Faß ist leer. Der ganze schöne Wein ist weg. Bis auf den letzten Tropfen. Alles ist hin! Was soll ich nur tun?!«

»Nun ja«, schlug der kleine Seeräuber vor, »wie wäre es, wenn du ein neues Faß aufmachtest?«

»Nie und nimmer«, jammerte der Kapitän, »das ganze Faß! Leer und aus! Was soll ich denn nun machen, wenn ich heimkomme zu meinem Handelsherrn, und ein ganzes Faß von der Ladung fehlt? Teeren und federn wird er mich! Was soll ich nur sagen?!«

Der kleine Seeräuber warf sich in die Brust und ließ seine Seeräubermuskeln unter der grünen Seidenbluse schwellen und zog sein blinkendes Messer aus dem Gürtel. »Sag ihm«, dröhnte er mit unheimlicher Stimme, »sag ihm, dass du überfallen worden bist! Vom größten und gefährlichsten und grausigsten und grimmigsten Seeräuber auf allen Meeren! Huh!«

Da hißte der Kapitän alle Segel und floh voller Schrecken.

Ein fürchterlicher Sturm

Der Himmel war dunkelrot wie ein geschmolzener Rubin. Und das Meer flimmerte golden wie ein riesiger Topas. Am Horizont, da, wo das Meer mit dem Himmel zusammentraf, lag eine hauchdünne Dunstschicht, durchsichtig wie feinste Spinnweben. Die Sonne versank im Wasser wie ein umgestülpter Becher mit Honigwein.

Es war vollkommen ruhig.

Der Wind war schlafen gegangen, und nicht einmal die Wellen plätscherten.

Das bauchige Schiff des dicken Kapitäns dümpelte träge vor sich hin, und das weiße Segel hing schlaff und matt am Mast. Der Kapitän selbst lag in einer Hängematte und schlief und schnarchte leise. »Krchpfüüh.«

Doch plötzlich wurde er unruhig und wachte auf. Aber alles war doch still, und von nirgendwo drohte Gefahr. Ächzend setzte sich der dicke Kapitän auf. Sein Schädel brummte und sein Hals tat weh, als hätte er drei Pfund Reißnägel verschluckt. Und der Horizont drehte sich vor seinen Augen wie ein rot-gold-gelber Kreisel. Aber alles war doch ruhig. Kein Wind, keine Wellen. Der Kapitän rieb sich verschlafen die Augen.

Neben seiner Hängematte saß die schwarze Katze. Und schaute aus grünen Smaragdaugen zu ihm hoch. »Mienz«, meinte sie leise und vorwurfsvoll. Und ihr Schwanz war gesträubt, als wäre sie ein Eichhörnchen und keine Katze.

»Was issen«, brummelte der Kapitän und räusperte sich. »Was ist denn los?« fragte er noch einmal.

Die Katze sah ihn an. Und schwieg.

Es war eine sehr große und sehr schwarze Katze.

Eines schönen Tages, als der dicke Kapitän mit seinem Schiff im Hafen lag, war sie an Bord gekommen. Der Kapitän hatte Fässer mit Salzheringen geladen und fürchtete um seine Ladung. Er versuchte, die Katze von Bord zu scheuchen. »Kschkscht« machte er und »Huschhusch!« Aber die Katze blieb sitzen und sah ihn nur an. Der Kapitän hatte gerade in der Hafenschenke einen Humpen Bier mit den anderen Kapitänen geleert und wollte gern noch einen zweiten bestellen. Aber die Anderen wollten heim zu ihren Frauen und Kindern. Da ging der dicke Kapitän allein auf sein Schiff zurück. Denn er hatte keine Frau und keine Kinder. Er hatte niemanden.

Die schwarze Katze sah ihn immer noch an.

Sie war sehr schön. Sie hatte ein dichtes glänzendes Fell, grüne Augen, eine rote Zunge und zwei große dreieckige Ohren, die rosig schimmerten, wenn die Sonne hindurchschien.

Der Kapitän beugte sich zu ihr hinunter und wollte sie streicheln. Die Katze wich ihm aus und sah ihn immer noch an. Der Kapitän war enttäuscht und wickelte ein Paket Schiffskekse aus, um sich zu trösten.

Es waren leckere Kekse, und der Kapitän aß sie nur zu besonderen Gelegenheiten. Da saß die schwarze Katze wieder dicht neben ihm. »Mienz«, bettelte sie. Und legte den Kopf schief. Der Kapitän gab ihr einen Keks und noch einen. Und dann nannte er die Katze Babette. Denn vor vielen, vielen Jahren war der Kapitän einmal in ein Mädchen namens Babette verliebt gewesen. Das war lange her. Sie hatte ihn verlassen.

Aber die Katze Babette blieb.

Und sie konnte das Wetter vorhersagen.

Deshalb kletterte der Kapitän jetzt auch aus der Hängematte und schaute auf den Himmel.

Rubinrot.

Die Sonne war im Meer versunken, aber da, wo sie untergegangen war, glühte der Himmel immer noch burgunderrot und violettblau.

Das bedeutete Sturm.

STURM.

Der Kapitän war mit seinem Schiff ganz allein auf dem weiten großen Meer. Er hockte sich neben Babette, die Katze, und kraulte sie hinter den Ohren. Sie schmiegte sich an sein Knie und schnurrte. »Schnurr-schnurr- schnurr.«

»Keine Angst«, flüsterte der Kapitän, denn er wußte, dass Babette sich fürchtete und er selber auch ein bisschen.

Ich hätte nicht so lange mit dem bösen Seeräuber kämpfen dürfen, meinte er, und ich hätte nicht so viel von dem süßen Wein trinken sollen, dann hätte ich auch nicht so lange geschlafen und hätte mit dem Wind noch vor dem Sturm fliehen können.

Aber jetzt gibt es keinen Wind.

Und gleich wird der Sturm da sein.

»Mienz«, sagte die Katze und schob ihren Kopf in seine Hand. Und schnurrte.

Doch plötzlich sträubte sich ihr Fell.

Eine kleine Brise war ihr unter die Pelzhaare gefahren.

Der Kapitän sprang auf, lief ans Steuer und steuerte sein Schiff aus dem Sturm heraus.

Aber der Sturm war schneller. Und stärker.

Dunkelgrau wurde der Himmel. Schwarze Wolken mit schmalen weißen Rändern jagten sich über dem Schiff. Das Segel plusterte sich plötzlich auf, das Schiff legte sich auf die Seite und raste über die Wellen, die schon jetzt höher und höher übereinander hinwegpurzelten und gischt-weiße Schaumkronen mitbrachten.

Zuerst grummelte der Donner nur hinter den Wolken, aber dann kam er ganz nah auf das Schiff zu und donnerte so laut, dass die Wanten und Segel zitterten, und Babette, die Katze, sich unter dem Tauhaufen verkroch.

Der Kapitän stemmte sich mit seiner ganzen Kraft ins Ruder und versuchte, das Schiff auf Kurs zu halten.

Silbrige Blitze zuckten aus den Wolken.

Der dicke Kapitän vergaß seine Furcht.

Er hatte jetzt nur noch eins im Sinn: Das Schiff zu retten, und koste es sein Leben.

Wieder zuckte ein gezackter Blitz aus den Wolken, und fast gleichzeitig knallte der Donnerschlag, so laut, dass dem Kapitän noch Sekunden danach die Ohren dröhnten. Das Meer war aufgewühlt, schwarz-grüne Wellentäler und schneeweiß spritzende Schaumkronen. Das Segel knatterte hilflos im tobenden Sturm.

Die ersten Brecher fielen über das Schiffsdeck herein. Babette, die Katze, schrie vor Entsetzen und floh hinter ein Weinfaß.

Wieder kam ein Windstoß. Steigerte sich zu einem grausigen Orkan und zerfetzte die Segel zu kleinen weißen Taschentüchern.

Und so plötzlich, wie es gekommen war, so verzog sich das Gewitter wieder und auch der Sturm.

Babette, die Katze, war naßgezaust und kam zum dicken Kapitän, der immer noch am Steuerruder hockte. Aber er hatte keine Zeit, sie zu trösten. Er schaute nur auf sein zerrissenes Segel und machte sich große Sorgen.

Der Mond ging auf, und die Sterne funkelten, und es war eine wunderschöne Nacht.

Aber der Kapitän war unglücklich.

Sein Segel war zerrissen, und ohne Segel kann nicht einmal der beste aller Kapitäne segeln.

Da, plötzlich, tauchte neben ihm ein Schiff auf. Mitten aus der Nacht. Rot war sein Rumpf und schwarz das Segel. Aber in der Dunkelheit konnte man das kaum unterscheiden.

»Heh«, rief die Stimme vom kleinen Seeräuber, »was ist dir denn geschehen?«

»Mein Segel!« klagte der Kapitän, »es ist hin.«

»Nimm eins von meinen«, bot ihm der Seeräuber an, »ich habe immer eins zur Reserve.« Und er segelte ganz dicht an den dicken Kapitän heran und reichte ihm ein zusammengerolltes Segel auf sein Schiff.

»Oh«, rief der Kapitän, als er das Segel übernahm, »das ist ja schwarz wie die Nacht. Es ist ein Seeräubersegel!«

»Es segelt vor dem Wind schneller als alle Anderen«, antwortete der kleine Seeräuber.

»Das ist unmöglich«, jammerte der dicke Kapitän, »ich kann doch nicht mit einem schwarzen Seeräubersegel in den Hafen einlaufen!«

»Dann gib es zurück«, sagte der Seeräuber, aber das wollte der Kapitän auch nicht, denn wie soll ein Segelschiff so ganz ohne Segel segeln?

»Warum tust du das?« fragte der Kapitän leise.

Der Seeräuber dachte ein paar Sekunden darüber nach, dann antwortete er: »Weil ich sonst nicht mehr mit dir kämpfen kann.«

Das leuchtete dem dicken Kapitän ein.

»Na schön«, knurrte er und zog das neue schwarze Segel auf, »bis bald!« Und segelte davon.

Eine schlimme Enttäuschung

Sieben Nächte und sieben Tage war der dicke Kapitän mit seinem gelben Schiff und dem geliehenen schwarzen Segel gen Norden gefahren. Da endlich entdeckte er Land.

Den Hafen mit den Masten der anderen Schiffe, die ersten Häuser und die Kirchturmspitze.

Der Kapitän fuhr langsamer und langsamer. Der Tag ging zur Neige, aber noch war es hell. Und wenn er die Schiffe im Hafen erkennen konnte, dann konnten die Leute in der Stadt vielleicht auch sein Schiff sehen. Und das schwarze Seeräubersegel.

Der Kapitän holte das Segel ein und wartete, bis die Nacht kam. Dann erst segelte er leise und vorsichtig in den Hafen hinein. Immer wieder sah er sich nach allen Seiten um, voller Furcht, von den Stadtwachen schon erwartet zu werden.

Das waren große starke Männer mit Eisenhelmen auf dem Kopf und mit spitzen Hellebarden bewaffnet. Sie wurden immer dann gerufen, wenn jemand durch die Tore der Stadtmauern hereinkam oder auch in den Hafen, der nicht hier sein durfte.

Ein Seeräuber zum Beispiel.

Und für einen Seeräuber musste man den dicken Kapitän ja halten, denn er fuhr unter einem schwarzen Segel, mit einem Totenkopf darauf.

Damals gab es noch keine Flugzeuge und keine Autos, nicht einmal Fernsehen oder Telefon oder Strom. Alle Städte hatten Mauern und Wachtürme, auf denen Wächter nach Feinden Ausschau hielten. Wenn sie einen entdeckten, dann riefen sie laut, und jeder, der den Ruf hörte, gab ihn weiter.

Der Kapitän wußte nicht, ob sie ihn mit dem schwarzen Segel bemerkt hatten oder nicht. Er fürchtete sich. Denn wie sollte er erklären, weshalb sein Segel schwarz war, anstatt weiß. Und dass er kein Seeräuber war.

Und dann wurde er wütend. Ausgerechnet er, ein geachteter und ehrbarer Kapitän, der von langer gefahrvoller Reise heimkehrte in seinen Hafen, musste sich anschleichen wie ein Dieb in der Nacht.

Er erschrak.

Blitzte da nicht ein silbriger Helm in der Dunkelheit? Funkelte dort nicht die tödlich-scharf geschliffene Spitze einer Hellebarde? Nein. Nichts. Niemand.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960530879
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Kinderbuch ab 8 Jahre Zeichentrick Käpt'n Sharky Bestsellerautorin für Jungen Seefahrt Freundschaft Piraten Abenteuer für Mädchen eBooks
Zurück

Titel: Der kleine Seeräuber - Band 1: Pepolino sticht in See
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
102 Seiten