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Rebeccas Freundin

Roman

©2016 113 Seiten

Zusammenfassung

Ein Mädchen vor der Wahl: Der leichte Weg in den Abgrund oder der schwere bergauf? „Rebeccas Freundin“ von Ranka Keser jetzt als eBook bei jumpbooks.

Sie ist erst 16 Jahre alt und hat schon viele Schicksalsschläge erleiden müssen. Wenn Rebecca über ihr Leben nachdenkt, liegt eine Lösung sehr nah: aufgeben. Ihren Vater und ihre kleine Schwester verlor sie bei einem Autounfall. Seitdem betrinkt sich ihre Mutter regelmäßig – putzen, waschen, kochen … alles bleibt an Rebecca hängen, zur Schule geht sie nur sporadisch. Der einzige Lichtblick in ihrem Leben ist Frau Richter, eine alte Frau, die Rebecca zufällig im Park trifft. Sie erzählt ihr eine Geschichte, die das Leben des Mädchens verändern wird …

Bewegend, fesselnd, einfühlsam – ein Roman über eine schicksalhafte Begegnung und eine einzigartige Freundschaft zwischen Jung und Alt.

Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Rebeccas Freundin“ von Ranka Keser für Leserinnen und Leser ab 12 Jahren. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über dieses Buch:

Sie ist erst 16 Jahre alt und hat schon viele Schicksalsschläge erleiden müssen. Wenn Rebecca über ihr Leben nachdenkt, liegt eine Lösung sehr nah: aufgeben. Ihren Vater und ihre kleine Schwester verlor sie bei einem Autounfall. Seitdem betrinkt sich ihre Mutter regelmäßig – putzen, waschen, kochen … alles bleibt an Rebecca hängen, zur Schule geht sie nur sporadisch. Der einzige Lichtblick in ihrem Leben ist Frau Richter, eine alte Frau, die Rebecca zufällig im Park trifft. Sie erzählt ihr eine Geschichte, die das Leben des Mädchens verändern wird …

Bewegend, fesselnd, einfühlsam – ein Roman über eine schicksalhafte Begegnung und eine einzigartige Freundschaft zwischen Jung und Alt.

Über die Autorin:

Ranka Keser, 1966 in Rijeka (Kroatien) geboren, lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Deutschland. Sie arbeitet als Autorin und Journalistin in München und leitet Schreibseminare für angehende Autoren.

Die Website der Autorin: www.ranka-keser.de

Bei jumpbooks veröffentlicht sie auch:

Antek und die ganze Welt

Die Mitwisserin

Ein Somme ohne Zimmer

***

eBook-Neuausgabe August 2016

Copyright © der Originalausgabe 2000 Verlag Carl Ueberreuter, Wien

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Aleshin_Andrei

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-168-5

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Ranka Keser

Rebeccas Freundin

Roman

jumpbooks

1. Kapitel

Rebecca war fast am Park angelangt, als sie Schillers Leine losmachte. Sie ging jeden Tag mit ihm nach der Schule in den Luitpoldpark, damit er sich austoben konnte. Er lief sofort los, hinter einem Baum konnte sie gerade noch seinen Schwanz erkennen, der aufgeregt hin und her wedelte. Sie schaute sich um. Die Alte war nirgends zu sehen. Sie kam fast täglich mit ihrem großen Mischlingshund hierher. Rebecca hatte noch nie mit ihr geredet, aber wenn sie sich über den Weg liefen, nickten sie einander kurz zu.

Sie ließ sich auf eine der Bänke fallen und sah ihrem Hund beim Schnüffeln zu. Er hatte einen Lieblingsbaum, an dem er grundsätzlich sein Geschäft verrichtete. Sie blickte in den grauen Himmel, der bedrohlich und irgendwie wütend aussah. Seit heute war Frühling, aber es war kalt. Sie steckte ihre Hände in die Taschen der weißen Nylonjacke und drückte die Arme an den Körper. Schiller kam auf sie zugerannt und machte ihr mit seinen Pfoten die Jeans schmutzig. Genau auf den Brian-Adams-Aufbügler. Sie ließ ihn. Jetzt war es sowieso zu spät, ihn wegzuschieben. Diesem Hund konnte man einfach nicht böse sein, wenn er den Kopf zur Seite neigte und seinen Hab-mich-lieb-Blick aufsetzte. Zärtlich kraulte sie ihm den Nacken. Schiller war ein Mischling unbekannter Herkunft, wie Rebeccas Mutter scherzend meinte. Man konnte ihn nicht so recht einordnen. Er sah aus wie ein zu klein geratener Schäferhund mit einem Dackelkopf. Es war ein tolles Gefühl, von jemandem so geliebt zu werden, auch wenn es »nur« ein Hund war. Sie hatte zwar noch die Mutter und ihre Freundin Natalie, aber das war nicht dasselbe. Die beiden brauchten sie nicht wirklich, aber Schiller brauchte sie.

Plötzlich hörte sie leise Schritte hinter sich. Sofort wusste sie, dass es die Alte war. Rebecca drehte den Kopf zur Seite, lächelte gezwungen. Die Alte lächelte auch und nickte ihr zu. Sie setzte sich auf die andere Bank, neben Rebecca. Die Alte glotzte. Rebecca sah es aus den Augenwinkeln. Wahrscheinlich starrte sie auf ihre Turnschuhe, wo groß »Leck mich am Arsch« stand. Oder auf ihren bis auf zahlreiche blonde und braune Zöpfchen kahl geschorenen Kopf. Damit konnte sie die Aufmerksamkeit von Omas und kleinen Kindern immer auf sich ziehen. Das fand sie cool. Früher hatte sie nie jemand beachtet. Die Mutter hatte ihr zwei brave Zöpfe geflochten und sie in Karohosen rumlaufen lassen.

Die Alte schaute weg, jetzt glotzte Rebecca. Richtige Damenschuhe hatte sie heute an! Normalerweise lief sie immer in Turnschuhen rum. Wühltisch-Turnschuhe für zehn Mark. Meistens trug sie dunkle und einfache Sachen, was alte Frauen halt so anzogen. Der Hund und ihre blond gefärbten Haare waren wohl der einzige Luxus, den sie sich gönnte.

»Ganz schön kalt heute, nicht wahr?« Die Alte drehte den Kopf in ihre Richtung.

Rebecca zuckte etwas zusammen. Redete sie mit ihr? »Ja. Scheißwetter.«

Die Alte verzog den Mund. Anscheinend gefiel ihr diese Ausdrucksweise nicht. Eine ganze Weile saßen sie so nebeneinander, sagten nichts. Sie schauten den Hunden beim Toben zu.

Es dauerte lange, bis man die riesige Kreuzung am Mittleren Ring überquert hatte. Wenn Rebecca gerade aus dem Park kam, fand sie den Verkehr noch lauter als sonst. Sie ging auf der Schleißheimer Straße nach Hause. Schiller sah sie hin und wieder vorwurfsvoll an, um auf seine Leine aufmerksam zu machen. Ihn loszumachen kam auf Hauptstraßen nicht infrage, das musste er doch langsam begriffen haben. Sie bog in die Kantstraße ein und schaute auf die Uhr. Halb vier. Heute war sie lange weggeblieben. Es war Freitag und die Mutter war heute früher daheim, schon seit zwei Stunden.

Rebecca schob den Schlüssel ins Schloss und merkte, dass die Mutter ihren Schlüssel innen stecken hatte lassen. Das passierte ständig. Die Haustür war schon so alt, dass sie manchmal von selbst aufging, deshalb musste man immer zusperren. Sie klingelte zweimal, dann hörte sie schwere Schritte in der Wohnung. Der Schlüssel drehte sich. Schon an der Art, wie die Mutter aufsperrte, merkte sie, dass es wieder so weit war. Langsam und zögernd war sie dann in ihren Bewegungen. Die Tür ging endlich auf. Die Mutter sah sie mit zerstreuter Miene an. In diesem Zustand schaute sie aus wie ein Kind, das etwas angestellt hat. Naiv lächelnd, fast dümmlich. Ihr rotbraunes Haar war zerzaust, aber nicht ungepflegt. Auch sonst legte sie Wert auf ihr Äußeres. Sie kleidete sich gut und trug immer etwas Schminke auf. Die Mutter war groß, fast einsachtzig. Rebecca ging ihr bis zur Nase. Sie lief an ihr vorbei.

»Hallo», sagte die Mutter fröhlich. Warum tat sie immer so? Sie war doch eigentlich gar nicht fröhlich. Glückliche Menschen soffen nicht.

»Tag.» Rebecca zog sich die Schuhe aus. »Hast du gegessen?«

»Ja, gut war’s. Die Kartoffeln hätten noch fünf Minuten gebraucht, aber macht nichts.« Sie streichelte Rebeccas Kopf, während sich diese die Jacke auszog, beugte sich vor, um ihrer Tochter einen Kuss zu geben. Sofort roch Rebecca den Alkohol. Sie drehte sich einfach zur Seite und hängte die Jacke an den Haken. Die Mutter sagte nichts, streichelte stattdessen Schiller. Rebecca ging in die Küche um Teewasser aufzusetzen. »Möchte mal wissen, wann es endlich wärmer wird«, rief sie aus der Küche. Sie hörte die Mutter, wie sie mit Schiller redete. Jetzt war sie noch lieb, weil sie erst wenig intus hatte. In zwei Stunden sah alles ganz anders aus. Da war sie abgefüllt, wollte ihre Ruhe. Da waren ihr Schiller und Rebecca ganz egal.

Die Mutter kam in die Küche und schenkte sich ein Glas Leitungswasser ein. »Sind die Schularbeiten fertig?«

»Mensch, du bist doch bescheuert, oder? Ich bin aus der Schule gekommen, hab Essen gekocht und bin mit dem Hund raus. Wann hätte ich die denn machen sollen? Vielleicht auf dem Heimweg?«

Die Mutter hob die Hand zur Abwehr. »Ja, ich weiß. Aber du musst unbedingt deine Noten verbessern, dann kannst du nächstes Jahr auf die Realschule.« Sie schwenkte beim Reden das Glas hin und her, dabei verschüttete sie etwas auf dem Boden. »Was willst du denn machen, wenn deine Noten weiter so mittelmäßig sind? In der Fabrik arbeiten?«

»Lass mich in Ruhe!«

»Ach … wenn ich an deiner Stelle wäre«, seufzte die Mutter in schwärmerischem Ton, »ich würde mir ein Hobby suchen.«

»Ja. Teppichknüpfen«, murmelte Rebecca.

»Ich würde lesen, mich mit Freude an die Hausaufgaben setzen und Zukunftspläne schmieden.«

»Und für deine Mutter den Haushalt schmeißen.«

»Ich hab doch so wenig Zeit. Außerdem spüle ich auch ab und erledige das Staubsaugen.«

»Ja, einmal im Jahr.«

Die Mutter verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. »Du hast nur Unsinn im Kopf, ziehst ewig mit dieser Natalie rum. Ich hab ja nichts gegen sie, aber ein guter Umgang ist sie nicht gerade.«

Rebecca holte die Teebeutel aus dem Hängeschrank. »Aber ich bin ein guter Umgang, was? Was glaubst du denn, wie die Mütter dieser braven Töchter das finden würden, wenn die so eine Freundin wie mich nach Hause bringen?«

Die Mutter setzte ihren schnippischen Gesichtsausdruck auf. »Das liegt aber nicht an mir, sondern an deinen Haaren und dieser … dieser Kleidung. Außerdem hast du dieses ungehobelte Benehmen bestimmt nicht von mir abgeschaut. Als ich in deinem Alter war, hat mich jeder gemocht. Ich war freundlich, höflich und immer guter Laune.«

»Schön für dich. Der Tee ist fertig.« Rebecca stellte die beiden Tassen auf den Küchentisch und setzte sich ans Fenster. Die Mutter stellte das Glas in die Spüle und setzte sich Rebecca gegenüber. »Manieren sind wichtig, Rebecca.«

»Drauf geschissen! Erzähl mir bloß nicht, was für ein glückliches Mädchen du warst. Bei der verblödeten Mutter und dem strengen Vater.«

»Rede du nicht in diesem Ton von meinen Eltern! Du hast doch keine Ahnung.« Laut und lange rührte sie in der Tasse herum.

»Klar hab ich Ahnung. Schließlich hab ich die beiden gekannt. Opa habe ich nie lächeln gesehen. Nie! Er hat immer nur geschrien und ist dann rot angelaufen wie eine Tomate. Und Oma hat immer nur kritisiert und gemeckert. Nie war ihr irgendetwas recht. Ihrer Meinung nach hast du immer alles falsch gemacht.«

Die Mutter nahm die Tasse in beide Hände und trank in kleinen Schlücken. »Du weißt gar nicht, wie gut du es hast. Ich habe dich nie geschlagen.«

»Soll ich mich jetzt dafür bedanken, oder was?« Rebecca zündete sich eine Zigarette an und streckte die Beine auf dem Stuhl aus.

»Nein. Für mich war das immer selbstverständlich, dass ich so etwas nicht mache. Du kannst mir glauben, wenn ich mit meinen Eltern so geredet hätte«, sie blickte auf Rebeccas Zigarette, »oder mit sechzehn vor ihnen geraucht, die hätten mich halb tot geschlagen.«

»Ich sage doch, die hatten einen ordentlichen Knall.«

Eine Weile schwiegen sie, dann fragte die Mutter: »Gehst du heute noch weg?«

»Ja.«

»Wohin?«

»Weiß noch nicht.« Sie zuckte gelangweilt mit den Schultern.

»Mit Natalie?«

»Mit wem denn sonst?«

Die Mutter schaute sie eindringlich an. Ihre Augen waren glasig. »Trefft ihr euch mit Jungs?«

Rebecca verdrehte die Augen. »Nein.«

»Lüg mich ja nicht an.« Sie hob drohend den Zeigefinger. Rebecca fand ihre aufgesetzte Autorität lächerlich, nahm sie nicht ernst. »Ich würd’s dir schon sagen, wenn ich schwanger bin.«

Die Mutter war aufgebracht. »Rebecca! Mach nicht solche Witze. Das ist nicht lustig, hörst du? Wenn du einen Freund hast, dann geh ich mit dir zum Frauenarzt. So was darf dir nicht passieren.«

»Auch nicht, wenn ich dreißig bin?«

Sie fasste sich in einer Geste der Verzweiflung an die Stirn.

»So was passiert mir nicht. Ich pass schon auf. Außerdem hab ich noch nicht mal einen Freund. Was regst du dich so auf?«

»Bleib nicht so lange weg, hörst du?«

»Wieso?«

»Was heißt hier ›wieso‹?« Die Mutter versuchte, einen strengen Blick aufzusetzen. »In deinem Alter bleibt man nicht bis in die Früh draußen. Wenn du achtzehn bist, kannst du das machen.«

Rebecca drückte die Zigarette aus und stand auf, um das schmutzige Geschirr zu spülen. »Komm mir bloß nicht damit«, sagte sie, »ich kümmere mich hier um alles, also kann ich auch wegbleiben, so lange ich will.«

»Kannst du nicht!«, schrie die Mutter.

»Kann ich schon! Was willst du denn dagegen machen?«

»Du bist um zwölf zu Hause.« Sie stand auf und ging aus der Küche.

»Du kannst mich mal«, murmelte Rebecca vor sich hin.

Nachdem sie das Geschirr gespült hatte, saugte sie die ganze Wohnung und wischte im Bad und in der Küche die Böden. Schularbeiten würde sie morgen machen. Dann räumte sie ihr Zimmer auf, schmiss die alten BRAVOs in eine Plastiktüte und sortierte die schmutzige Wäsche für die Waschmaschine, auch die Kleidung der Mutter. Nachdem sie die Maschine eingeschaltet hatte, ging sie in den Flur, um Natalie anzurufen.

»Kommst du später, so um acht?«, fragte Natalie, »ich mach uns Spaghetti. Später gehen wir dann ins Star, okay?«

»Klar. Bis dann.«

Sie ging ins Bad und machte sich zurecht. Wenig Make-up und Rouge, dafür viel Kajal und grünen Lidschatten. Sie nahm heute auch etwas rosa Lippenstift, dann fiel ihr ein, dass das wegen des Spaghetti-Essens sowieso umsonst war. Egal, sie würde ihn mitnehmen. Sie zog ihre Lieblingsjeans an, dazu den engen Ringelpulli und die schwarzen Stiefel. Die passten gut zu ihrer neuen Lederjacke. Eigentlich mochte sie ihre weiße Nylonjacke am liebsten, aber ein bisschen Abwechslung war auch ganz nett. Außerdem hatte die Lederjacke zweihundert Mark gekostet, von der Mutter zum Geburtstag. Sie hatte monatelang abwechselnd gebettelt und gemotzt. »Einen neuen Herd könnte ich mir fast dafür kaufen«, hatte die Mutter gesagt. Der war nämlich längst überfällig. Schließlich hatte sie ihr die Jacke doch gekauft.

Als sie mit Schiller vom Gassi gehen zurückkam, machte sie die Tür zum Wohnzimmer auf, um sich von der Mutter zu verabschieden. Die war auf der Couch eingeschlafen, im Sitzen. Im Fernsehen lief ›Jenseits von Eden‹ mit James Dean. Was für ein toller Typ! Warum gab’s die nur im Kino und nicht im wirklichen Leben? So toll sah der eigentlich gar nicht aus, überlegte Rebecca, während sie auf den Fernsehschirm starrte. Warum war er dann so toll? Was machte einen Typen zum James Dean?

»Wie lange brauchst du eigentlich für deine Haare, bis du sie so hast?«, wollte Natalie wissen, während sie die Spaghetti um die Gabel wickelte.

»Na ja – schon so zwei gute Stunden.«

»Echt? Macht dir das nichts aus?«

»Nö. Hält ja auch eine Weile.« Sie sah Natalie an. »Weißt du, dass du richtig brav ausschaust mit deiner Fönfrisur?« Natalie hatte braune Haare, die sie nach außen fönte, ein braves Gesicht mit Schmollmund und großen grauen Augen.

»Bin ja auch brav«, meinte Natalie mit gespieltem Entsetzen.

»Logisch, weiß ich doch.« Natalie hatte schon mit mehreren Jungs geschlafen, dabei war sie sogar ein Jahr jünger als Rebecca. Sie fragte sich, ob Natalies Mutter davon wusste.

»Meinst du, der Walter ist heute da?«

»Wirst es ja sehen.« Rebecca zuckte mit den Schultern. »Was dir an diesem eitlen Socken bloß gefällt. Also echt.«

»Gut schaut er aus.«

»Eingebildet schaut er aus.«

»Dir gefällt doch keiner. An jedem hast du was auszusetzen.«

Rebecca schüttelte den Kopf. »Stimmt nicht. Weißt du, wer mir gefallen würde? Also, richtig verknallt bin ich nicht in den, aber …»

»Sag schon!«

»Wehe, du behältst es nicht für dich.«

Natalie schloss für eine Sekunde dramatisch die Augen. »Ehrenwort.«

»Der Bernd.«

»Bernd Kölbl? Der wohnt doch bei dir im Haus.«

»Ja, und du bist mal mit ihm in die Klasse gegangen. Ihr redet manchmal miteinander.«

»Hmm.« Natalie senkte den Kopf und machte sich wieder über ihre Nudeln her.

»Du bist ja eine tolle Freundin! Ich erzähl dir, dass der mir gefällt, und dich interessiert das überhaupt nicht.«

»Du kannst ihn vergessen«, meinte Natalie bloß. Sie sah Rebecca dabei nicht an.

»Wieso?« Rebecca grinste. »Stehst du schon auf ihn?«

»Nein.«

»Warum dann? Jetzt red schon mal Klartext.«

Natalie stopfte sich einen Haufen Spaghetti in den Mund. »Er hat eine Freundin.«

»Das stimmt überhaupt nicht, da bin ich sicher. Wieso lügst du mich an? Da ist doch was oberfaul.«

Natalie legte die Gabel weg und sah sie ernst an. »Willst du es wirklich wissen?«

»Mensch, was soll denn dieser Zirkus? Sag schon.«

»Also gut. Er hat zu mir gesagt: Warum gibst du dich eigentlich mit diesem Proletenweib ab?«

Rebecca schluckte. »Meint der zufällig mich damit?«

Natalie nickte.

»Blödes Arschloch. Der kennt mich nicht mal richtig.«

»Ich war auch irgendwie überrascht, weil er sonst ganz in Ordnung ist. Mach dir nichts daraus.«

»Quatsch! Ist mir doch egal, was der sagt.« Sie hätte am liebsten geheult. Proletenweib! Was konnte sie dafür, dass die Mutter trank? Wenn nicht der Unfall damals gewesen wäre, dann würde ihr Leben jetzt ganz anders aussehen. Da würde sie den Bernd gar nicht kennen, weil sie nicht in so einem heruntergekommenen Haus wohnen würde und weil sie dann in eine andere Schule ginge und teure Klamotten hätte und andere Freunde und …

Sie fuhren mit der U-Bahn bis zur Giselastraße. Die ganze Zeit dachte sie darüber nach, was der Kölbl gesagt hatte. Was der sich einbildete! So toll war seine Familie auch nicht. Der Vater war Postbote und die Mutter arbeitete beim Augenoptiker.

Proletenweib!

Proletenweib!

Proletenweib!

Was wollte er damit sagen? Beleidigte er damit sie oder auch ihre Mutter? Sollte bloß jemand kommen und was gegen ihre Mutter sagen! Dem würde sie es schon zeigen. Ging niemanden was an, hatten alle selbst genug Scheiße am Hals!

»Bist du noch auf diesem Planeten?«, unterbrach Natalie ihre Gedanken, als die U-Bahn in die Haltestelle einfuhr. »Wir müssen aussteigen.«

Sie stellten sich auf die Rolltreppe, Natalie boxte sie leicht in die Schulter. »Hätte ich’s dir nur nicht erzählt.«

»Was?«

»Tu doch nicht so. Wieso denkst du jetzt ständig dran? Vielleicht hat er es auch nur so gesagt oder er hat eine andere gemeint.«

»Ist mir echt egal. Ich hab an ganz was anderes gedacht.«

»Lügenmaul!«

»Hast du deinen Ausweis dabei?« Rebecca fror, als sie nach draußen kamen.

»Klar.«

»Sag mal, glaubst du eigentlich, dass die uns abnehmen, dass wir achtzehn sind?«

Natalie verzog den Mund. »Ist mir piepegal, was die glauben. So gut, wie du Ausweise fälschst, müssen die das glauben.«

Das Star war voll, wie immer am Wochenende. An einen Sitzplatz war nicht zu denken, da musste man früher kommen. Sie bestellten beide Bier, weil das am billigsten war. Rebecca hatte jetzt keine Lust zum Quatschen, schaute den Leuten beim Tanzen zu, konzentrierte sich auf die Musik.

»Hey teacher! Leave us kids alone!«

Another Brick In The Wall. Geiler Song. Sie schrie Natalie ins Ohr: »Was heißt eigentlich Floyd? Pink Floyd?«

»Keine Ahnung«, schrie sie zurück.

Nach einer Weile spürte Rebecca, dass jemand sie beobachtete. Sie sah sich unauffällig um. Der Typ an der Bar! Er stand sieben oder acht Meter weit entfernt an den Tresen gelehnt. Schulterlange, dunkle Haare. Groß war er, hatte eine Chevignon-Jacke an. Am coolsten war sein Schnauzer, also war er schon älter. Sie beugte sich wieder zu Natalie: »Wie findest du den Typen an der Bar? Schau nicht gleich hin.«

Natürlich glotzte Natalie direkt in seine Richtung. Rebecca hätte sie am liebsten geohrfeigt.

»Schaut genial aus.« Genial war zurzeit ihr Lieblingswort.

Rebecca nickte. »Finde ich auch.« Sie schaute wieder in seine Richtung. Er sah immer noch zu ihr rüber, lächelte. Sie schaute weg. Scheiße! Warum hatte sie nicht auch gelächelt? Die Chance war jetzt vielleicht vertan. Der kam sich jetzt bestimmt blöd vor. Sie sah wieder hin. Er schaute immer noch. Sie lächelte, war aufgeregt. Ihre Oberlippe zitterte und sie kam sich wie eine Idiotin vor. Jetzt sah er weg. So ein Fiesling! Da stand sie, grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd und er schaute einfach weg. Das war wohl seine Rache, weil sie vorhin dasselbe gemacht hatte. Sie nahm einen Schluck Bier. Es schmeckte abgestanden. Sie konnte Bier sowieso nicht ausstehen. Der Typ kam! Er kam direkt auf sie zu! O Gott! Bloß cool bleiben! Sie wäre am liebsten aus der Disko gerannt, nur hätte sie sich dann hier nicht mehr blicken lassen können. Was für eine Blamage. Ihre Hände wurden feucht, die Knie zitterten und sie schnaufte wie ein Walross. Plötzlich stand er vor ihr. Sie konnte sich überhaupt nicht darauf konzentrieren, was er sagte. »Was? Ich höre nichts.«

Er kam näher, sie konnte seine Haare riechen. Apfelshampoo. »Wülste tanzen?«

Sie verstand: Willst ’nen Ranzen?

»Was denn für einen Ranzen?«

Er machte ein säuerliches Gesicht. »Bitte?«

Natalie lachte los wie eine Irre.

Er versuchte es noch einmal, betont deutlich: »Möchtest du vielleicht tanzen?«

»Ach so.« Sie wurde knallrot.

Natalie lachte noch immer, kriegte sich kaum mehr ein. Rebecca versetzte ihr einen spielerischen Stoß. »Also, das liegt echt nicht an dir, aber ich tanze nie.« »Wieso?«, fragte der Typ, lächelte aber nicht.

Natalie hatte sich mittlerweile beruhigt, hielt sich aber immer noch verdächtig die Hand vor den Mund.

»Ich weiß auch nicht. Hab’s halt noch nie gemocht.«

Er verzog die Oberlippe. »Ja, dann.«

Der wollte doch wohl nicht abhauen? Kein Wunder, sie hatte sich auch aufgeführt wie eine Blöde. Schnell, irgendetwas musste ihr jetzt einfallen! »Bist du zum ersten Mal da?«, fragte sie.

»Wieso?«

Darauf fiel Rebecca auch nichts ein. Natalie fing wieder an zu lachen. »Ich frag ja nur.«

»Ich war schon paar Mal hier, hab dich schon letztes Wochenende gesehen.«

Ihr Herz schlug schneller. Dass sie so einem tollen Typen überhaupt auffiel! »Ach ja?«

»Kommste mit an die Bar? Ich spendier dir eine Cola.«

»Logisch.« Sie beugte sich zu Natalie. »Kommst du mit?«

Natalie schüttelte grinsend den Kopf. »Ich lass euch lieber allein. Falls ihr aber einen Dolmetscher braucht…« Sie lachte wieder los.

»Komm nach, wenn dir langweilig ist.« Rebecca ging an die Bar, wo der Typ schon wartete. Toll sah er aus, richtig cool. »Hab schon eine Cola für dich bestellt.«

Sie setzte sich auf den Hocker neben ihn. »Wieso glaubst du, dass ich Cola mag? Ich könnte ja auch etwas anderes trinken.«

Er nahm einen Zug aus seiner Zigarette, zuckte mit den Schultern. »Alle Mädchen trinken doch Cola. Ist ein typisches Weibergesöff.«

Sie warf einen Blick auf sein Glas. Ein Schickimicki-Getränk mit Früchten, war bestimmt teuer.

»Wie heißt du denn?«, fragte er. Er fragte so, als interessierte es ihn eigentlich gar nicht.

»Rebecca.«

»Klingt irgendwie spießig.«

»Und wie heißt du?« Sie versuchte gleichgültig zu klingen.

»Hans.«

»Klingt nach Kanarienvogel.« Sie steckte sich eine Zigarette in den Mund. Er grinste. Die aufgetakelte Barfrau stellte die Cola vor sie hin. Rebecca fragte sich, ob sie den Kleister im Gesicht abends überhaupt runterbekam. Als sie außer Hörweite war, meinte Rebecca: »Die sieht aus wie eine Nutte.«

Er sah sie an. »Ist meine Schwester.«

Sie schluckte. »Na, so ein Zufall.«

Er lächelte.

»Hab ich nur so gesagt. Eigentlich hab ich sie gar nicht richtig angeschaut.«

»Ist schon in Ordnung. Ich sag ihr nichts. Sie muss das so machen, weil der Besitzer es so haben will. Sie sucht einen anderen Job.«

»Ja dann. Und was arbeitest du?«

»Bin Automechaniker. Schätze, du gehst noch in die Schule, oder?«

Sie nickte.

»Und wie alt bist du?«

»Achtzehn.«

»Erzähl mir doch keinen Mist«, meinte er arrogant.

»Sechzehn. Und du?«

»Zweiundzwanzig.« Er nahm einen großen Schluck von dem grünen Getränk. »Darfst du denn mit sechzehn so lange wegbleiben?«

»Klar.«

»Stark. Die Tussis, die ich bis jetzt hatte, mussten immer so früh daheim sein. Hat mich echt gelangweilt.«

»Hast du jetzt eine Freundin?«

»Dann hätte ich dich wohl kaum angemacht, oder?« Endlich lächelte er. Sie konnte seine weißen Zähne sehen. Rechts oben hatte er eine Lücke. »Hast du einen Alten?«

»Dann hätte ich mich wohl kaum anmachen lassen, oder?«

»Hast auch noch nie einen gehabt, was?«

»Spinnst du? Klar hatte ich schon einen. Mehrere.«

»Bist aber noch Jungfrau. Hab einen Blick dafür.«

Sie blies ihm den Rauch ins Gesicht. »Geht dich gar nichts an.«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich sag halt immer, was ich denke.«

»Hoffentlich verträgst du auch das Echo.«

Er schaute ihr in die Augen. »Kein Problem.«

Sie schwiegen sich eine Weile an. Rebecca war aufgeregt, versuchte locker zu bleiben.

»Gehst du aufs Gymnasium?«, fragte er. Sein Ton war jetzt etwas freundlicher.

Rebecca lachte kurz auf. »Nee. Hauptschule. Mich bockt die Schule überhaupt nicht.«

Er drehte sich auf seinem Hocker hin und her. »Was willst du später mal machen?«

Von Minute zu Minute wurde er ihr etwas sympathischer. Vielleicht war er gar nicht so überheblich, wie sie gedacht hatte. »Keine Ahnung, mal sehen.«

Sie redeten noch ziemlich lange über die Schule. Hans erzählte, dass er die Schule auch nie gemocht hatte. Die Zeit verging schnell. Als sie auf die Uhr schaute, war es schon nach eins. »Ich glaub, ich muss jetzt los.«

»Kannst du nicht noch eine halbe Stunde bleiben?« Es klang fast lieb.

»Die letzte U-Bahn fährt in einer Viertelstunde.«

»Ich fahr dich später mit dem Auto heim.«

Sie zögerte, schüttelte leicht den Kopf.

»Hast du Angst vor mir, oder was?« Er schaute sie spöttisch an.

»Quatsch.«

»Na also. Ich fahr dich in einer Stunde heim. Alles klar?«

»Kannst du meine Freundin dann auch mitnehmen? Sie wohnt in meiner Nähe.«

Er nickte. »Wo wohnst du überhaupt?«

»In Milbertshofen.«

Er warf ihr einen überraschten Blick zu. »Ziemlich ätzende Wohngegend. Nicht gerade gute Luft da hinten. Der Mittlere Ring und die BMW-Fabrik vor der Nase, lauter Sozialwohnungen und …«

»Ich kenn mich aus in Milbertshofen, musst mir nichts erzählen. Ganz so schlecht ist es auch wieder nicht. Woanders können wir uns die Miete nicht leisten.« Rebecca war etwas verletzt, dass er so redete. War er ein Schubladendenker, der die Leute in verschiedene Sparten einteilte?

»Arbeiten deine Eltern bei BMW?«, wollte er wissen.

»Nee, meine Mutter arbeitet beim Kaufhof im Personalbüro.«

»Und dein Vater?«

»Der ist tot.«

»War er krank?«

»Mag jetzt nicht darüber reden.« Sie zündete sich wieder eine Zigarette an.

»Klar, versteh ich. Übrigens rauchst du ganz schön viel. In deinem Alter ist das nicht gerade gesund.«

»Rauchen ist in keinem Alter gesund.«

Sie sahen sich in die Augen. Kribbeln. Flugzeuge im Bauch.

»Deine Haare sind voll abgefahren.«

»Danke.«

Er trank das giftgrüne Getränk aus. »Was ist mit deiner Freundin?« Er schaute sich um.

»Um die mache ich mir keine Sorgen. Die findet überall Anschluss. Kennt einen Haufen Leute, überall, wo sie hinkommt.«

»Hast du morgen schon was vor?« Da war wieder dieser gleichgültige Tonfall. Deshalb konnte sie sich nicht richtig über seine Frage freuen. »Nein«, sagte sie nüchtern.

»Wir könnten ins Kino gehen.«

Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Könnten wir.«

»Treffen wir uns um drei?«

»Das ist ein bisschen knapp. Ich muss nach dem Essen mindestens eine Stunde mit dem Hund raus.«

Wenn er lächelte, sah er ein bisschen aus wie John Travolta. »Was hast du denn für einen Hund?«

»Schiller ist ein Mischling. Magst du Hunde?«

Er nickte, kriegte ein freundliches, fast weiches Gesicht. »Ja, total. Hatte auch mal einen. Mein Vater hat ihn erschossen, als er besoffen war.«

Na Mahlzeit! Aus einer heilen Familie kam Hans anscheinend auch nicht. »Wieso hat er den Hund erschossen?«, fragte sie erschüttert.

»Weil er ein Mistkerl war. Der Hund hat ihn genervt, dann hat er seine Pistole geholt – und bumm.«

»Trinkt dein Vater regelmäßig?«

Er lachte bitter auf. »Momentan nicht. Jetzt sitzt er im Knast. Ist besoffen Auto gefahren und hat totale Scheiße gebaut. Der hat fünf Leute auf dem Gewissen.«

Rebecca sah ihn mit großen Augen an, brachte kein Wort heraus.

»Ach, verdammt«, murmelte er, »wieso erzähl ich dir das alles eigentlich? Du musst ja einen tollen Eindruck von mir haben. Ich kann einfach mein Maul nicht halten.«

»Du kannst doch nichts dafür, was dein Vater gemacht hat.« Als er sie ansah, konnte sie in seinem Blick so etwas wie Erleichterung erkennen.

Natalie blieb noch im Star, als Rebecca mit Hans wegging. Walter war gekommen und die beiden unterhielten sich ziemlich angeregt miteinander.

Hans fuhr ein gelbes Cabrio. Er drehte die Musik voll auf. Eine Unterhaltung war unmöglich. Led Zeppelin Stairway To Heaven.

»And she’s buying the stairway … to heaven.«

Als er auf die Kantstraße Zufuhr, schrie sie ihm den genauen Weg zu, um die Musik zu übertönen. Die Straße war menschenleer, dunkel. Er schaltete den Motor und die Musik aus. »Hast du’s gut. Du gehst jetzt ins Bett und ich muss noch bis nach Giesing fahren.«

»Von wegen. Ich muss noch kurz mit dem Hund raus.«

»Was?«

»Na ja, nur ein paar Minuten.«

»Soll ich dich begleiten?« Es klang nicht mal gleichgültig.

»Wenn du Lust hast.«

Er verzog die Oberlippe. »Na ja, Lust ist übertrieben, aber ich komme mit. Will den Köter mal sehen.«

»Schiller ist kein Köter!«

»Hab schon gemerkt, dass du überempfindlich bist. Du nimmst alles todernst.«

Rebecca sah ihn provozierend an. »Wär’s dir lieber, wenn ich dich nicht ernst nehme?«

Er verdrehte die Augen, grinste. Wenn er lächelte, konnte man ihm alles verzeihen.

Hans wartete unten, bis sie mit Schiller wiederkam. »Na, du kleiner Scheißer?«, meinte Hans leise lachend. Schiller ignorierte ihn, warf ihm nur einen gleichgültigen Blick zu. »Ganz schön eingebildet ist der. Also, wenn mir vor ein paar Stunden jemand gesagt hätte, dass ich heute noch Gassi gehe …«

Rebecca lachte. Sie fand ihr Lachen etwas zu schrill in der stillen Nacht. Die drei gingen einmal um den Block. Als sie wieder an der Haustür waren, sagte Hans: »Um fünf vorm Marmorhaus-Kino. Okay?«

»Ja.«

Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und presste seine Lippen auf ihre. Es ging so schnell, dass sie kaum mitdenken konnte. Bevor sie reagieren konnte, ließ er sie los.

»Zärtlich bist du nicht gerade.«

Er lächelte zufrieden, als wäre das ein Kompliment. »Bis morgen«, sagte er, drehte sich um und ging zu seinem Auto.

2. Kapitel

Rebecca hatte nur ein paar Stunden geschlafen. Schiller musste um acht wieder raus. Die Mutter blieb heute im Bett, obwohl eigentlich abgemacht war, dass am Wochenende sie den Hund ausführte. Völlig schlaftrunken duschte Rebecca und wusch sich die Haare. Sie wollte die Mutter nicht wecken und ging deshalb leise und wortlos davon.

Die Alte saß schon auf der Parkbank. Sie hatte Rebecca bereits entdeckt. Es war zu spät, den Kopf wegzudrehen. Die Alte lächelte und sagte Guten Morgen.

»Morgen«, murmelte Rebecca.

»Ich glaube, du musst dich wohl oder übel zu mir setzen. Die andere Bank ist morsch. Ich habe gehört, wir kriegen in ein paar Tagen eine neue.« Höchst interessant! Solche Banalitäten schienen der Lebensinhalt von alten Frauen zu sein. Rebecca nickte nur müde und setzte sich neben sie. Mit einem Meter Abstand. »Wie alt ist denn der Schiller?«, wollte die Alte wissen. O Gott, jetzt wollte sie sich auch noch unterhalten in aller Herrgottsfrühe! Woher kannte sie überhaupt seinen Namen? Dann fiel Rebecca ein, dass sie sich anfangs oft die Kehle aus dem Leib geschrien hatte, bis er endlich folgte. Es verging eine ganze Weile, bis sie antwortete: »Er ist jetzt drei, aber ich habe ihn erst seit acht Monaten.«

»Aus dem Tierheim?«

»Ja.«

Details

Seiten
Erscheinungsform
Neuausgabe
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783960531685
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Juli)
Schlagworte
eBooks Maedchen Verlust Mutter Familie Unglueck Tod Freundschaft
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Titel: Rebeccas Freundin
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